Rückkehr nach Sri Lanka
Jahrelang hat sie in fremden Ländern und unter fremden Menschen gelebt - jetzt kehrt Anil Tissera in ihre Heimat Sri Lanka zurück. Für eine Menschenrechtskommission soll sie Beweise finden, daß die Regierung des vom Bürgerkrieg zerrissenen Landes Menschen foltert, umbringt, verschwinden läßt. Unter Lebensgefahr will Anil, zusammen mit dem Archäologen Sarath, die Geschichte eines Opfers rekonstruieren, die den unwiderlegbaren Beweis erbringen könnte, den sie sucht.
Mit im Bunde ist der Künstler Ananda, auch er ein Mensch, dem Wunden zugefügt wurden, die er nicht vergessen kann. In einem verlassenen Herrenhaus inmitten von grünen Teeplantagen entfaltet sich eine eigenartige Idylle auf Zeit, die jederzeit ein brutales Ende finden kann, wenn der Geheimdienst davon erfährt. Doch zunächst dringt die Außenwelt herein in Gestalt von Saraths jüngerem Bruder Gamini. Auch er ist Arzt, doch beschäftigt er sich nicht mit den Toten, sondern kümmert sich um die gerade noch Davongekommenen - und es ist ihm einerlei, zu welcher Seite sie gehören.
Wo aber steht Sarath eigentlich?
Jahrelang hat sie in fremden Ländern und unter fremden Menschen gelebt - jetzt kehrt Anil Tissera in ihre Heimat Sri Lanka zurück. Für eine Menschenrechtskommission soll sie Beweise finden, daß die Regierung des vom Bürgerkrieg zerrissenen Landes Menschen foltert, umbringt, verschwinden läßt. Unter Lebensgefahr will Anil, zusammen mit dem Archäologen Sarath, die Geschichte eines Opfers rekonstruieren, die den unwiderlegbaren Beweis erbringen könnte, den sie sucht.
Mit im Bunde ist der Künstler Ananda, auch er ein Mensch, dem Wunden zugefügt wurden, die er nicht vergessen kann. In einem verlassenen Herrenhaus inmitten von grünen Teeplantagen entfaltet sich eine eigenartige Idylle auf Zeit, die jederzeit ein brutales Ende finden kann, wenn der Geheimdienst davon erfährt. Doch zunächst dringt die Außenwelt herein in Gestalt von Saraths jüngerem Bruder Gamini. Auch er ist Arzt, doch beschäftigt er sich nicht mit den Toten, sondern kümmert sich um die gerade noch Davongekommenen - und es ist ihm einerlei, zu welcher Seite sie gehören.
Wo aber steht Sarath eigentlich?
"Ondaatje besitzt ein unglaublich sensibles Gespür fürs Untergründige, für die seismographischen Bewegungen, die an der Oberfläche Wellen schlagen. In seiner Sprache drängt alles zur Kristallisation, zum poetischen Juwel. Fast muß man Absatz um Absatz Atem holen, um all die Schönheit, all den Aufruhr der Gefühle, den ganzen Bildersturm sich setzen zu lassen." Michael Althen in der 'Süddeutschen Zeitung'
"'Anils Geist' zeigt Ondaatje auf der Höhe seines Könnens. [...] In seinen Romanen ist der Weg das Ziel. Seine Werke sind vielstimmige Riffs, so lange geschichtet und gestaffelt, bis aus ihrer Tiefe eine mythische Wahrheit an die Oberfläche steigt. Die Struktur des Buches erinnert an einen Scheiterhaufen: Jedes einzelne Handlungsscheit wirkt unscheinbar, vielleicht entbehrlich, aber zusammen bringen sie den Roman lichterloh zum Brennen. [...]
Neben allem anderen ist der Roman auch eine Hymne auf die Schönheiten Sri Lankas, auf sein spirituelles Erbe, auf seine Landschaften, sein ungestümes Wetter, seine Flora und Fauna. Mit großer Sinnlichkeit zelebriert Ondaatje vor dem Hintergrund der Inselnatur einfache Augenblicke des Tanzens, Essens oder Schwimmens, jene 'süße Berührung der Welt'." Susanne Weingarten im 'Spiegel'
"Ondaatje entwirft Szenen von so origineller Wucht, daß sie dem Gedächtnis auch dann noch eingeprägt bleiben, wenn man ihr narratives Umfeld vergessen hat. [...] Das furiose Kaleidoskop von 'Anils Geist' [ergibt] eine an eleganter Stringenz kaum zu überbietende Handlung, deren kühne Perfektion sich erst bei einer zweiten und dritten Lektüre ganz erschließt." Denis Scheck in der 'Welt'
"'Anils Geist' zeigt Ondaatje auf der Höhe seines Könnens. [...] In seinen Romanen ist der Weg das Ziel. Seine Werke sind vielstimmige Riffs, so lange geschichtet und gestaffelt, bis aus ihrer Tiefe eine mythische Wahrheit an die Oberfläche steigt. Die Struktur des Buches erinnert an einen Scheiterhaufen: Jedes einzelne Handlungsscheit wirkt unscheinbar, vielleicht entbehrlich, aber zusammen bringen sie den Roman lichterloh zum Brennen. [...]
Neben allem anderen ist der Roman auch eine Hymne auf die Schönheiten Sri Lankas, auf sein spirituelles Erbe, auf seine Landschaften, sein ungestümes Wetter, seine Flora und Fauna. Mit großer Sinnlichkeit zelebriert Ondaatje vor dem Hintergrund der Inselnatur einfache Augenblicke des Tanzens, Essens oder Schwimmens, jene 'süße Berührung der Welt'." Susanne Weingarten im 'Spiegel'
"Ondaatje entwirft Szenen von so origineller Wucht, daß sie dem Gedächtnis auch dann noch eingeprägt bleiben, wenn man ihr narratives Umfeld vergessen hat. [...] Das furiose Kaleidoskop von 'Anils Geist' [ergibt] eine an eleganter Stringenz kaum zu überbietende Handlung, deren kühne Perfektion sich erst bei einer zweiten und dritten Lektüre ganz erschließt." Denis Scheck in der 'Welt'
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2000Die süße Berührung der Welt
Maler der barmherzigen Blicke: Michael Ondaatjes beeindruckender Roman "Anils Geist" / Von Hubert Spiegel
Wer dieses Buch aus der Hand legt, stellt sich unweigerlich die Frage, welche Bilder er nach der Lektüre im Gedächtnis behalten wird - Bilder des Schreckens und der Grausamkeit, des Krieges und der Verzweiflung oder Bilder der Sanftmut und Fürsorge, der Liebe und der Poesie?
Ein Mann, ein Lastwagenfahrer, liegt neben seinem Fahrzeug auf der Straße, die Arme ausgebreitet, die Handflächen sind mit Eisenklammern an den Asphalt geheftet. Als Anil und Sarath aus ihrem Wagen steigen, um dem Gefolterten zu helfen, malen sich Angst und Entsetzen in den Zügen des Mannes, der glaubt, er würde aufs neue mißhandelt. Sich vorzustellen, daß sich ihm ein Mensch aus einem anderen Grund nähern könnte, dazu ist der Gekreuzigte nicht mehr in der Lage.
Sri Lanka, der Schauplatz von Michael Ondaatjes neuem Roman, ist ein Ort des Schreckens. Es herrscht Krieg, die Straßen sind unsicher, Dörfer werden überfallen, Menschen verschleppt, getötet, abgeschlachtet. Die Grausamkeiten, die Ondaatje schildert, sind von jener Art, wie sie nur der Bürgerkrieg hervorbringt, wenn Bruder gegen Bruder kämpft. Rebellen töten Regierungstruppen, Regierungstruppen töten Rebellen, beide Seiten wüten mit Feuer und Schwert unter der Zivilbevölkerung, morden Sympathisanten, Kollaborateure und Unbeteiligte. In dieses Inferno in den Kulissen des Inselparadieses schickt Ondaatje seine Titelheldin Anil Tissera, eine junge Forensikerin, die aus einer in Colombo ansässigen Arztfamilie stammt und seit ihrer Schulzeit nicht mehr in ihrer Heimat war. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb Anil wie eine Fremde behandelt wird und sich die meiste Zeit auch so fühlt. Sie kehrt im Auftrag einer UN-Behörde nach Sri Lanka zurück, um etwaige Vergehen gegen die Menschenrechte zu untersuchen und dem Verdacht nachzugehen, daß Regierungstruppen oder im Regierungssold stehende paramilitärische Verbände Exekutionen an Zivilisten vorgenommen haben. Damit ist sie nicht nur eine Bedrohung für Regierungskreise, sondern selbst in Gefahr. Wo Tausende von Menschen spurlos verschwinden, droht jedem, der nach ihnen fragt, dasselbe Schicksal.
Anil zur Seite steht der Archäologe Sarath, ein Wissenschaftler in Regierungsdiensten, von dem jedoch unklar ist, zu welcher Partei er wirklich gehört - soll er Anil unterstützen oder überwachen? Aus dem Zweifel der Heldin an ihrem Begleiter bezieht der Roman den größten Teil seiner Spannung, nicht aber seines Reizes. Ondaatje, der 1936 in Sri Lanka geboren wurde und seit fast vierzig Jahren in Kanada lebt, hat keinen Kriminalroman oder Thriller über den Bürgerkrieg in seinem früheren Heimatland geschrieben. Ebensowenig interessiert ihn die Frage nach politischer oder historischer Schuld. Wenn Ondaatje seine Figuren über Wahrheit oder Gerechtigkeit sprechen läßt, klingen ihre Worte resigniert und abgeklärt. Anil, die fremd in ihre Heimat zurückkehrt, ist die Ausnahme, aber ihr Versuch, den Tod eines einzelnen aufzuklären, ist aussichtlos; nicht weil die Wahrheit sich nicht mehr herausfinden ließe, sondern weil die Wahrheit in diesem Krieg ohne jede Bedeutung ist.
Die Nachforschungen von Anil und Sarath gelten einem Skelett, dem sie den Namen Seemann gegeben haben. Wie der Archäologe und die Forensikerin versuchen, den Überresten des Mannes Information um Information zu entlocken - wie und wo ist er gestorben, wo hat er gelebt, welchem Beruf ist er nachgegangen? -, wird von Ondaatje mit der Akribie eines Pathologen und dem Scharfsinn eines Meisterdetektivs beschrieben. Die doppelte Ungewißheit - wird sich Seemanns Schicksal aufklären lassen, und lautet Saraths Auftrag nicht womöglich, genau dies zu verhindern? - bildet den Spannungsfaden, der das lockere Gewebe der Handlung durchzieht. Mit ihm verknüpft Ondaatje eine ganze Reihe von Einzelepisoden, in denen Schicksal und Vergangenheit der Haupt- und einiger Nebenfiguren erzählt werden. Es ist nicht immer ganz leicht, den Erzählbewegungen zu folgen, mit denen Ondaatje leichtfüßig von Figur zu Figur wechselt und dabei in der größten Gelassenheit über Schluchten und Abgründe setzt. Zuweilen gleicht der Autor einem Hirsch auf der Flucht, der Haken schlägt, um seine Verfolger abzuschütteln. Das ist ein hübscher, zuweilen sogar ein imponierender Anblick. Aber da es sich in diesem Fall bei den Verfolgern um seine Leser handelt, hätte Ondaatje den einen oder anderen Haken besser unterlassen.
Die Schwäche der Gesamtkonstruktion ändert jedoch nichts an der Brillanz einzelner Episoden. Während ihrer Nachforschungen über Seemann geraten Sarath und Anil rasch an einen Punkt, an dem sie ohne fremde Hilfe nicht mehr weiterwissen. Deshalb suchen sie Saraths früheren Lehrer Palipana auf, einen seltsamen Historiker und Weisen der Landesgeschichte, der wie ein Eremit im Wald haust, inmitten der Ruinen, die er mehr zu lieben scheint als sein Leben. Palipana ist ein Verstoßener seiner Zunft, ein durch und durch unorthodoxer Gelehrter, mehr Schamane als Wissenschaftler. Er ist ein Seher, aber das Dunkel, das er zu deuten versteht, liegt nicht in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit seines Heimatlandes.
Wir erfahren viel über Saraths alten Lehrer, aber alle Details über seine Familienverhältnisse oder den Zwist im akademischen Milieu, den seine Methoden und Deutungen hervorgerufen haben, sagen weniger über Palipana als ein einziger Satz, der beschreibt, wie Anil den alten Mann erblickt, als sie aus dem Schlaf erwacht: "Er stand mit dem Gesicht zu Anil, die Arme gerade herabhängend. Er war so dünn wie ein verirrtes Wildtier, wie ein Gedanke." Man muß nur beides zusammenlesen, dann hat man die einsame Existenz des Asketen im Urwald in nuce: Der Forscher ist ein in die Irre gegangener Gedanke, die frühere Wildheit ist der Erschöpfung gewichen, nun ist er dürr und ausgemergelt und am Ende seiner Kraft.
Der alte Lehrer ist die vielschichtigste Figur dieses Romans, dessen Nebenfiguren leider interessanter sind als Anil selbst, die Titelheldin. Der weise Palipana, Ananda, der Maler der Augen Buddhas, der bei der Rekonstruktion des Kopfes der Leiche eine wichtige Rolle spielt, der Arzt Gamini, der "glücklose Schatten" seines älteren Bruders Sarath, schließlich der wortkarge Archäologe selbst - sie alle sind komplexe, widersprüchliche Figuren, die den Leser in den Bann schlagen. Aber die Titelfigur bleibt seltsam stumpf.
Ondaatje erzählt Anils Familiengeschichte, Episoden aus ihrer Studienzeit, schildert kleine Reminiszenzen an ihre beste Freundin und verwendet viel Sorgfalt darauf, die gescheiterte Liebe seiner Heldin zu dem verheirateten Schriftsteller Cullis zu rekonstruieren. Anil ist klug, jung, hübsch, energisch, widerborstig, zäh, leidenschaftlich, sensibel, durchsetzungsfähig und so weiter. Es gibt fast keine Eigenschaft, die Ondaatje ihr nicht zugestehen würde. Nur eines ist Anil merkwürdigerweise nicht: interessant. Woran dies liegen mag, ist nicht leicht zu sagen. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß Ondaatje keine seiner Figuren besser zu kennen scheint als Anil. Er weiß alles von ihr und ist deshalb nicht mehr neugierig. Der Leser erfährt alles von ihr und muß das Schicksal des Verfassers teilen.
Aber wenn Anil längst vergessen ist, werden noch immer Ondaatjes schwebende Bilder im Gedächtnis haften, Bilder, die das Pathos nicht scheuen und souverän die Klippen des Kitsches umschiffen. Mehr als einmal erheben sich diese Klippen drohend und daß sie Ondaatje nie wirklich gefährlich können, beweist die Meisterschaft dieses Autors. Wie heikel die Balance oft ist, zeigt sich vor allem in Szenen wie dieser: Ein junges Mädchen steht bis zur Taille im Wasser eines Teichs und bearbeitet das felsige Ufer mit einem Werkzeug. Buchstabe um Buchstabe meißelt sie einen Satz in den Stein im Urwald, während der greise Palipana am Ufer liegt, blind, dürr wie ein Blatt, dem Tode nah. Der Alte stirbt, und alles, was von ihm und der Liebe des Mädchens zu seinem Onkel bleiben wird, bewahrt der Stein: "Nicht sein Name und nicht seine Lebensjahre, nur ein sanfter Satz, an dem sie sich einst festgehalten hatte und dessen Widerschein nun das Wasser über den See verbreitete."
Die Pflege, die Lakama dem alten Mann angedeihen läßt, ist ein Echo jener Fürsorge, mit der die kanadische Krankenschwester dem namenlosen Unglücklichen im "Englischen Patienten" begegnet, sie ist aber auch das Gegenbild zu der Behandlung, die Gaminis Patienten im Krankenhaus erfahren. Der drogenabhängige Arzt, Saraths jüngerer Bruder, der kein Leben außerhalb des Operationssaals mehr kennt, führt einen aussichtslosen Kampf gegen die gräßlichen Wunden, die der Bürgerkrieg schlägt. Gamini operiert zahllose Kriegsopfer, aber er kann nicht verhindern, daß er selbst dabei zur Maschine wird, zu einer Maschine, die Menschen hilft, indem sie Gliedmaßen amputiert und Wunden vernäht, ohne dabei zu einer Gefühlsregung fähig zu sein.
Die Barmherzigkeit, das zentrale Motiv im Werk Michael Ondaatjes, ist bei Gamini mechanisch geworden. Was der Gefühlskalte verkraftet, läßt den Mitfühlenden abstumpfen. Was Gamini von den Folgen des Krieges mit ansehen muß, ist mehr, als der Arzt ertragen kann. Aber nicht er, der Suizidgefährdete, dem sein Leben nichts mehr bedeutet, stirbt am Ende, sondern sein Bruder Sarath, der sich für Anil opfert.
Allem Leid und Elend zum Trotz läßt Ondaatje seinen Roman mit einem hoffnungsvollen Bild enden: Ananda, der Maler der Augen Buddhas, der seine Frau verloren und seine Kunst aufgegeben hatte, der in den Minen arbeitete und sich betrank, sobald er ans Tageslicht zurückkehrte, steht wieder auf einer Leiter, um die leeren Augenhöhlen einer Buddhastatue auszumalen. Er kehrt der Figur den Rücken zu und führt den Pinsel über der Schulter. Er muß seine Arbeit mit Hilfe eines Spiegels ausführen, den ihm ein Junge hält. Denn kein "menschliches Auge darf dem des Buddhas beim Prozeß seines Entstehens begegnen". Es ist heiß, Ananda ist erschöpft von der Anstrengung übergroßer Konzentration, seine Gedanken schweifen ab, er droht zu schwanken. Da legt der Junge, der den Spiegel hält, besorgt seine Hand auf die Hand des Malers: "Die süße Berührung der Welt", lautet der letzte Satz dieses erstaunlichen Romans. Und vielleicht ist das Erstaunlichste an diesem beeindruckenden Buch, daß der Leser nun, nach mehr als dreihundert Seiten, auf denen von Mord, Folter und Verstümmelung die Rede war, das Gefühl hat, Ondaatje habe nie von etwas anderem gesprochen als von ebenjener süßen Berührung der Welt.
Michael Ondaatje: "Anils Geist". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Melanie Walz. Carl Hanser Verlag, München und Wien 2000. 324 S., geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Maler der barmherzigen Blicke: Michael Ondaatjes beeindruckender Roman "Anils Geist" / Von Hubert Spiegel
Wer dieses Buch aus der Hand legt, stellt sich unweigerlich die Frage, welche Bilder er nach der Lektüre im Gedächtnis behalten wird - Bilder des Schreckens und der Grausamkeit, des Krieges und der Verzweiflung oder Bilder der Sanftmut und Fürsorge, der Liebe und der Poesie?
Ein Mann, ein Lastwagenfahrer, liegt neben seinem Fahrzeug auf der Straße, die Arme ausgebreitet, die Handflächen sind mit Eisenklammern an den Asphalt geheftet. Als Anil und Sarath aus ihrem Wagen steigen, um dem Gefolterten zu helfen, malen sich Angst und Entsetzen in den Zügen des Mannes, der glaubt, er würde aufs neue mißhandelt. Sich vorzustellen, daß sich ihm ein Mensch aus einem anderen Grund nähern könnte, dazu ist der Gekreuzigte nicht mehr in der Lage.
Sri Lanka, der Schauplatz von Michael Ondaatjes neuem Roman, ist ein Ort des Schreckens. Es herrscht Krieg, die Straßen sind unsicher, Dörfer werden überfallen, Menschen verschleppt, getötet, abgeschlachtet. Die Grausamkeiten, die Ondaatje schildert, sind von jener Art, wie sie nur der Bürgerkrieg hervorbringt, wenn Bruder gegen Bruder kämpft. Rebellen töten Regierungstruppen, Regierungstruppen töten Rebellen, beide Seiten wüten mit Feuer und Schwert unter der Zivilbevölkerung, morden Sympathisanten, Kollaborateure und Unbeteiligte. In dieses Inferno in den Kulissen des Inselparadieses schickt Ondaatje seine Titelheldin Anil Tissera, eine junge Forensikerin, die aus einer in Colombo ansässigen Arztfamilie stammt und seit ihrer Schulzeit nicht mehr in ihrer Heimat war. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb Anil wie eine Fremde behandelt wird und sich die meiste Zeit auch so fühlt. Sie kehrt im Auftrag einer UN-Behörde nach Sri Lanka zurück, um etwaige Vergehen gegen die Menschenrechte zu untersuchen und dem Verdacht nachzugehen, daß Regierungstruppen oder im Regierungssold stehende paramilitärische Verbände Exekutionen an Zivilisten vorgenommen haben. Damit ist sie nicht nur eine Bedrohung für Regierungskreise, sondern selbst in Gefahr. Wo Tausende von Menschen spurlos verschwinden, droht jedem, der nach ihnen fragt, dasselbe Schicksal.
Anil zur Seite steht der Archäologe Sarath, ein Wissenschaftler in Regierungsdiensten, von dem jedoch unklar ist, zu welcher Partei er wirklich gehört - soll er Anil unterstützen oder überwachen? Aus dem Zweifel der Heldin an ihrem Begleiter bezieht der Roman den größten Teil seiner Spannung, nicht aber seines Reizes. Ondaatje, der 1936 in Sri Lanka geboren wurde und seit fast vierzig Jahren in Kanada lebt, hat keinen Kriminalroman oder Thriller über den Bürgerkrieg in seinem früheren Heimatland geschrieben. Ebensowenig interessiert ihn die Frage nach politischer oder historischer Schuld. Wenn Ondaatje seine Figuren über Wahrheit oder Gerechtigkeit sprechen läßt, klingen ihre Worte resigniert und abgeklärt. Anil, die fremd in ihre Heimat zurückkehrt, ist die Ausnahme, aber ihr Versuch, den Tod eines einzelnen aufzuklären, ist aussichtlos; nicht weil die Wahrheit sich nicht mehr herausfinden ließe, sondern weil die Wahrheit in diesem Krieg ohne jede Bedeutung ist.
Die Nachforschungen von Anil und Sarath gelten einem Skelett, dem sie den Namen Seemann gegeben haben. Wie der Archäologe und die Forensikerin versuchen, den Überresten des Mannes Information um Information zu entlocken - wie und wo ist er gestorben, wo hat er gelebt, welchem Beruf ist er nachgegangen? -, wird von Ondaatje mit der Akribie eines Pathologen und dem Scharfsinn eines Meisterdetektivs beschrieben. Die doppelte Ungewißheit - wird sich Seemanns Schicksal aufklären lassen, und lautet Saraths Auftrag nicht womöglich, genau dies zu verhindern? - bildet den Spannungsfaden, der das lockere Gewebe der Handlung durchzieht. Mit ihm verknüpft Ondaatje eine ganze Reihe von Einzelepisoden, in denen Schicksal und Vergangenheit der Haupt- und einiger Nebenfiguren erzählt werden. Es ist nicht immer ganz leicht, den Erzählbewegungen zu folgen, mit denen Ondaatje leichtfüßig von Figur zu Figur wechselt und dabei in der größten Gelassenheit über Schluchten und Abgründe setzt. Zuweilen gleicht der Autor einem Hirsch auf der Flucht, der Haken schlägt, um seine Verfolger abzuschütteln. Das ist ein hübscher, zuweilen sogar ein imponierender Anblick. Aber da es sich in diesem Fall bei den Verfolgern um seine Leser handelt, hätte Ondaatje den einen oder anderen Haken besser unterlassen.
Die Schwäche der Gesamtkonstruktion ändert jedoch nichts an der Brillanz einzelner Episoden. Während ihrer Nachforschungen über Seemann geraten Sarath und Anil rasch an einen Punkt, an dem sie ohne fremde Hilfe nicht mehr weiterwissen. Deshalb suchen sie Saraths früheren Lehrer Palipana auf, einen seltsamen Historiker und Weisen der Landesgeschichte, der wie ein Eremit im Wald haust, inmitten der Ruinen, die er mehr zu lieben scheint als sein Leben. Palipana ist ein Verstoßener seiner Zunft, ein durch und durch unorthodoxer Gelehrter, mehr Schamane als Wissenschaftler. Er ist ein Seher, aber das Dunkel, das er zu deuten versteht, liegt nicht in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit seines Heimatlandes.
Wir erfahren viel über Saraths alten Lehrer, aber alle Details über seine Familienverhältnisse oder den Zwist im akademischen Milieu, den seine Methoden und Deutungen hervorgerufen haben, sagen weniger über Palipana als ein einziger Satz, der beschreibt, wie Anil den alten Mann erblickt, als sie aus dem Schlaf erwacht: "Er stand mit dem Gesicht zu Anil, die Arme gerade herabhängend. Er war so dünn wie ein verirrtes Wildtier, wie ein Gedanke." Man muß nur beides zusammenlesen, dann hat man die einsame Existenz des Asketen im Urwald in nuce: Der Forscher ist ein in die Irre gegangener Gedanke, die frühere Wildheit ist der Erschöpfung gewichen, nun ist er dürr und ausgemergelt und am Ende seiner Kraft.
Der alte Lehrer ist die vielschichtigste Figur dieses Romans, dessen Nebenfiguren leider interessanter sind als Anil selbst, die Titelheldin. Der weise Palipana, Ananda, der Maler der Augen Buddhas, der bei der Rekonstruktion des Kopfes der Leiche eine wichtige Rolle spielt, der Arzt Gamini, der "glücklose Schatten" seines älteren Bruders Sarath, schließlich der wortkarge Archäologe selbst - sie alle sind komplexe, widersprüchliche Figuren, die den Leser in den Bann schlagen. Aber die Titelfigur bleibt seltsam stumpf.
Ondaatje erzählt Anils Familiengeschichte, Episoden aus ihrer Studienzeit, schildert kleine Reminiszenzen an ihre beste Freundin und verwendet viel Sorgfalt darauf, die gescheiterte Liebe seiner Heldin zu dem verheirateten Schriftsteller Cullis zu rekonstruieren. Anil ist klug, jung, hübsch, energisch, widerborstig, zäh, leidenschaftlich, sensibel, durchsetzungsfähig und so weiter. Es gibt fast keine Eigenschaft, die Ondaatje ihr nicht zugestehen würde. Nur eines ist Anil merkwürdigerweise nicht: interessant. Woran dies liegen mag, ist nicht leicht zu sagen. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß Ondaatje keine seiner Figuren besser zu kennen scheint als Anil. Er weiß alles von ihr und ist deshalb nicht mehr neugierig. Der Leser erfährt alles von ihr und muß das Schicksal des Verfassers teilen.
Aber wenn Anil längst vergessen ist, werden noch immer Ondaatjes schwebende Bilder im Gedächtnis haften, Bilder, die das Pathos nicht scheuen und souverän die Klippen des Kitsches umschiffen. Mehr als einmal erheben sich diese Klippen drohend und daß sie Ondaatje nie wirklich gefährlich können, beweist die Meisterschaft dieses Autors. Wie heikel die Balance oft ist, zeigt sich vor allem in Szenen wie dieser: Ein junges Mädchen steht bis zur Taille im Wasser eines Teichs und bearbeitet das felsige Ufer mit einem Werkzeug. Buchstabe um Buchstabe meißelt sie einen Satz in den Stein im Urwald, während der greise Palipana am Ufer liegt, blind, dürr wie ein Blatt, dem Tode nah. Der Alte stirbt, und alles, was von ihm und der Liebe des Mädchens zu seinem Onkel bleiben wird, bewahrt der Stein: "Nicht sein Name und nicht seine Lebensjahre, nur ein sanfter Satz, an dem sie sich einst festgehalten hatte und dessen Widerschein nun das Wasser über den See verbreitete."
Die Pflege, die Lakama dem alten Mann angedeihen läßt, ist ein Echo jener Fürsorge, mit der die kanadische Krankenschwester dem namenlosen Unglücklichen im "Englischen Patienten" begegnet, sie ist aber auch das Gegenbild zu der Behandlung, die Gaminis Patienten im Krankenhaus erfahren. Der drogenabhängige Arzt, Saraths jüngerer Bruder, der kein Leben außerhalb des Operationssaals mehr kennt, führt einen aussichtslosen Kampf gegen die gräßlichen Wunden, die der Bürgerkrieg schlägt. Gamini operiert zahllose Kriegsopfer, aber er kann nicht verhindern, daß er selbst dabei zur Maschine wird, zu einer Maschine, die Menschen hilft, indem sie Gliedmaßen amputiert und Wunden vernäht, ohne dabei zu einer Gefühlsregung fähig zu sein.
Die Barmherzigkeit, das zentrale Motiv im Werk Michael Ondaatjes, ist bei Gamini mechanisch geworden. Was der Gefühlskalte verkraftet, läßt den Mitfühlenden abstumpfen. Was Gamini von den Folgen des Krieges mit ansehen muß, ist mehr, als der Arzt ertragen kann. Aber nicht er, der Suizidgefährdete, dem sein Leben nichts mehr bedeutet, stirbt am Ende, sondern sein Bruder Sarath, der sich für Anil opfert.
Allem Leid und Elend zum Trotz läßt Ondaatje seinen Roman mit einem hoffnungsvollen Bild enden: Ananda, der Maler der Augen Buddhas, der seine Frau verloren und seine Kunst aufgegeben hatte, der in den Minen arbeitete und sich betrank, sobald er ans Tageslicht zurückkehrte, steht wieder auf einer Leiter, um die leeren Augenhöhlen einer Buddhastatue auszumalen. Er kehrt der Figur den Rücken zu und führt den Pinsel über der Schulter. Er muß seine Arbeit mit Hilfe eines Spiegels ausführen, den ihm ein Junge hält. Denn kein "menschliches Auge darf dem des Buddhas beim Prozeß seines Entstehens begegnen". Es ist heiß, Ananda ist erschöpft von der Anstrengung übergroßer Konzentration, seine Gedanken schweifen ab, er droht zu schwanken. Da legt der Junge, der den Spiegel hält, besorgt seine Hand auf die Hand des Malers: "Die süße Berührung der Welt", lautet der letzte Satz dieses erstaunlichen Romans. Und vielleicht ist das Erstaunlichste an diesem beeindruckenden Buch, daß der Leser nun, nach mehr als dreihundert Seiten, auf denen von Mord, Folter und Verstümmelung die Rede war, das Gefühl hat, Ondaatje habe nie von etwas anderem gesprochen als von ebenjener süßen Berührung der Welt.
Michael Ondaatje: "Anils Geist". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Melanie Walz. Carl Hanser Verlag, München und Wien 2000. 324 S., geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Sehr beeindruckt ist Peter Michalzik von Michael Ondaatjes neuem Roman. Er schätzt neben den erzählerischen Fähigkeiten und der genauen Recherche vor allem Ondaatjes "Technik des langsamen Enthüllens". Die Erzählung, diesmal in Sri Lanka angesiedelt, enthält nach Michalziks Meinung eine östliche und eine westliche Wahrheit. Anil, die Protagonistin des Romans, geht im Auftrag von Amnesty International dem Verdacht nach, die Regierung sei mitverantwortlich für die Gewalt, die auf der Insel herrscht. Wo es um Aufklärung geht, um "Fortschritt, Erkenntnis, Liebe, Verzweiflung", sieht der Rezensent westliches Denken beschrieben. Die Beschreibung der östlichen Seite bereitet Michalzik jedoch einige Schwierigkeiten. Sie hilft offenbar besser, "die nicht zu begreifende Gewalt", die auch Thema dieses Romans ist, zu verstehen. Ondaatje sei dabei auf der Suche "nach dem archimedischen Punkt der Gesellschaft", behauptet der Rezensent dunkel. Immerhin: am Ende seiner enthusiastischen Besprechung verkündet der Rezensent, "die süße Berührung der Welt" verspürt zu haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Wie Ondaatje die Geschichte erzählt ist bewundernswert und würde allein diesen Roman zu einem großartigen, mitreißenden und berührenden Buch machen." Peter Michalzik, Frankfurter Rundschau, 18.10.2000
"In einer brillanten Kollage zeigt Ondaatje die Zusammenhänge auf von Religion und Tradition, Mystik und Magie, Rassenunterschieden und Ressentiments. Geschichte trifft Gegenwart und bleibt ein Rätsel... Anils Geist: Michael Ondaatjes herausragender Sri Lanka-Roman!" Jürgen Deppe, Kulturreport, 13.08.2000
"Unglaubliche Bilder. Bilder von einer choreographischen Schönheit, die einem wirklich den Atem verschlägt... Das größte Kompliment, das man einem Autor machen kann, ist wenn der Geist eines Buches es schafft, einen Leser innerlich, psychisch, seelisch zu verändern. Und das schafft Ondaatje." Denis Scheck, Kulturzeit, 3sat, 23.08.2000
"Bildgewaltig und meisterhaft gebaut:
Vor dem Hintergrund einer traumhaft schönen Landschaft und einer uralten Kultur erzählt Michael Ondaatje von dem Verlust von Identität, Familie, Liebe und Leben." Karin Weber-Duve, Brigitte, 23.08.2000
"Ähnlich glanzvoll wie dem Amerikaner Don DeLillo in seinem Roman "Unterwelt", gelingt es Ondaatje, Zeitgeschichte ganz aus der individuellen Biografie seiner Figuren heraus glaubhaft und spannend zu erzählen. ... so ergibt das furiose Kaleidoskop von "Anils Geist" eine an eleganter Stringenz kaum zu überbietende Handlung, deren kühne Perfektion sich erst bei einer zweiten und dritten Lektüre ganz erschließt." Denis Scheck, Die Welt, 26.08.2000
"Dieser Roman ist ein Rohdiamant, funkelnd nach allen Seiten, immer neue Blicke und Reflexionen auf sich ziehend. Gedanklich und bildlich fügt er sich wie ein logischer Baustein in das schöne OEuvre Michael Ondaatjes." Ursula März, Die Zeit, 07.09.2000"Was dieses Buch so spannend und lesenswert macht, ist seine Vielschichtigkeit und das umfangreiche Wissen, das wie nebenher einfließt - über die politischen Zustände in Sri Lanka, über seine Kunstschätze und jahrtausendealte Kultur, aber auch über Archäologie, Forensische Medizin. Welches Gebiet der Autor auch berührt, er betritt sicheren Boden. Und all die vielen Geschichten gewaltsam abgebrochener Leben, die vielen eindrücklichen, in harten Schnitten gegeneinander gesetzten Szenen, die großartigen Beschreibungen versunkener Klöster und gestürzter Buddhastatuen werden zusammengehalten von einer düsteren, beklemmenden Schönheit, die aus der Sprache kommt, und von den unbeantworteten Fragen nach dem lückenlosen Nebeneinander menschlicher Großmut und menschlicher Niedertracht." Anna Migutsch, Der Standard, 02.09.2000
"Ondaatje entwirft Szenen von so origineller Wucht, dass sie dem Gedächtnis auch dann noch eingeprägt bleiben, wenn man ihr narratives Umfeld vergessen hat. ... Auch "Anils Geist" enthält einen ganzen Reigen solcher im wortwörtlichen Sinn unvergesslicher Bilder, TABLEAUX VIVANTS, an deren perfekter Choreographie man sich berauschen kann und soll." Denis Scheck, Die Welt, 26.08.2000
"'Anils Geist' ein Roman aus Sri Lanka, zeigt Ondaatje auf der Höhe seines Könnens. ... In seinen Romanen ist der Weg das Ziel. Seine Werke sind vielstimmige Riffs, so lange geschichtet und gestaffelt, bis aus ihrer Tiefe eine mythische Wahrheit an die Oberfläche steigt. ... Immer wieder gelingen Ondaatje jene großartigen, pathetischen Szenen, die ihm den Ruf eingetragen haben, ein in Filmbildern denkender Schriftsteller zu sein. ... Mit großer Sinnlichkeit zelebriert Ondaatje vor dem Hintergrund der Inselnatur einfache Augenblicke des Tanzens, Essens oder Schwimmens, jene "süße Begegnung der Welt.""Susanne Weingarten, Der Spiegel, Nr. 39, 25.08.2000
"In einer brillanten Kollage zeigt Ondaatje die Zusammenhänge auf von Religion und Tradition, Mystik und Magie, Rassenunterschieden und Ressentiments. Geschichte trifft Gegenwart und bleibt ein Rätsel... Anils Geist: Michael Ondaatjes herausragender Sri Lanka-Roman!" Jürgen Deppe, Kulturreport, 13.08.2000
"Unglaubliche Bilder. Bilder von einer choreographischen Schönheit, die einem wirklich den Atem verschlägt... Das größte Kompliment, das man einem Autor machen kann, ist wenn der Geist eines Buches es schafft, einen Leser innerlich, psychisch, seelisch zu verändern. Und das schafft Ondaatje." Denis Scheck, Kulturzeit, 3sat, 23.08.2000
"Bildgewaltig und meisterhaft gebaut:
Vor dem Hintergrund einer traumhaft schönen Landschaft und einer uralten Kultur erzählt Michael Ondaatje von dem Verlust von Identität, Familie, Liebe und Leben." Karin Weber-Duve, Brigitte, 23.08.2000
"Ähnlich glanzvoll wie dem Amerikaner Don DeLillo in seinem Roman "Unterwelt", gelingt es Ondaatje, Zeitgeschichte ganz aus der individuellen Biografie seiner Figuren heraus glaubhaft und spannend zu erzählen. ... so ergibt das furiose Kaleidoskop von "Anils Geist" eine an eleganter Stringenz kaum zu überbietende Handlung, deren kühne Perfektion sich erst bei einer zweiten und dritten Lektüre ganz erschließt." Denis Scheck, Die Welt, 26.08.2000
"Dieser Roman ist ein Rohdiamant, funkelnd nach allen Seiten, immer neue Blicke und Reflexionen auf sich ziehend. Gedanklich und bildlich fügt er sich wie ein logischer Baustein in das schöne OEuvre Michael Ondaatjes." Ursula März, Die Zeit, 07.09.2000"Was dieses Buch so spannend und lesenswert macht, ist seine Vielschichtigkeit und das umfangreiche Wissen, das wie nebenher einfließt - über die politischen Zustände in Sri Lanka, über seine Kunstschätze und jahrtausendealte Kultur, aber auch über Archäologie, Forensische Medizin. Welches Gebiet der Autor auch berührt, er betritt sicheren Boden. Und all die vielen Geschichten gewaltsam abgebrochener Leben, die vielen eindrücklichen, in harten Schnitten gegeneinander gesetzten Szenen, die großartigen Beschreibungen versunkener Klöster und gestürzter Buddhastatuen werden zusammengehalten von einer düsteren, beklemmenden Schönheit, die aus der Sprache kommt, und von den unbeantworteten Fragen nach dem lückenlosen Nebeneinander menschlicher Großmut und menschlicher Niedertracht." Anna Migutsch, Der Standard, 02.09.2000
"Ondaatje entwirft Szenen von so origineller Wucht, dass sie dem Gedächtnis auch dann noch eingeprägt bleiben, wenn man ihr narratives Umfeld vergessen hat. ... Auch "Anils Geist" enthält einen ganzen Reigen solcher im wortwörtlichen Sinn unvergesslicher Bilder, TABLEAUX VIVANTS, an deren perfekter Choreographie man sich berauschen kann und soll." Denis Scheck, Die Welt, 26.08.2000
"'Anils Geist' ein Roman aus Sri Lanka, zeigt Ondaatje auf der Höhe seines Könnens. ... In seinen Romanen ist der Weg das Ziel. Seine Werke sind vielstimmige Riffs, so lange geschichtet und gestaffelt, bis aus ihrer Tiefe eine mythische Wahrheit an die Oberfläche steigt. ... Immer wieder gelingen Ondaatje jene großartigen, pathetischen Szenen, die ihm den Ruf eingetragen haben, ein in Filmbildern denkender Schriftsteller zu sein. ... Mit großer Sinnlichkeit zelebriert Ondaatje vor dem Hintergrund der Inselnatur einfache Augenblicke des Tanzens, Essens oder Schwimmens, jene "süße Begegnung der Welt.""Susanne Weingarten, Der Spiegel, Nr. 39, 25.08.2000