Die Bücher von Franz Hodjak bezeugen, wie der Ausreise ans der rumäniendeutschen Spracheremitage die Ankunft bei uns nur allmählich folgte. Ihr schreibt sich Franz Hodjak mit seinem neuen Gedichtbuch ein Stück weit näher - doch das Ankommen bleibt unsicher, nur eine Möglichkeit: Ankunft Konjunktiv.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.1998Schau, wohin der Mond fällt
Willkommen in der Fremde: Eine neue Lyrik zieht ins Land
Das Individuum soll verschwunden sein, und trotzdem regt sich im totgesagten Park der lyrischen Gefühle wieder grünes Leben. Es ist gar, als solle die Artenvielfalt wiederhergestellt werden: Erlebnislyrik als Liebes-oder Reisegedicht, Naturlyrik und Ding-und Widmungsgedichte oder gar Preislieder. Ein neues Vertrauen in die Kraft der Literatur zur Sinnstiftung scheint aufzublühen, auch wenn es oft nur im Negativ oder als unscharfer Abdruck erscheint.
Franz Hodjak, der 1992 als letzter der rumänisch-deutschen Schriftsteller nach Deutschland wechselte, reflektiert sein lyrisches Subjekt in der Bewegung zwischen Osten und Westen, entziffert im Anblick von Dingen und Orten meist schmerzlich die ausbleibende Ankunft. In der Angst vor einer ungewissen Zukunft und einer vielleicht bitteren Freiheit versucht sein Ich im Gespräch mit sich selbst eine Neuorientierung in der Sprache: "Die Bedeutung zum / Beispiel, der Tür, ist irrelevant, egal / wohin sie führt. Nur dein Überraschtsein / kann ihr Sinn geben." Erinnerung ist dabei aber keine Hilfe, Orientierung zerfällt im Rückblick erst recht: "Was wäre falsch / und was richtig gewesen, / hätte ich mich / dazu geäußert?" So wird Sinn als erfüllter Augenblick bei Hodjak immer nur als Konjunktiv, Annahme oder Leerstelle faßbar.
Auch bei Steffen Jacobs verweigert Erinnerung gelegentlich ihre sinnstiftende Funktion, und hinterrücks wächst der "Scherbenberg". Aber das führt nicht zum traurigen Ernst der Gedichte Hodjaks. Im ironischen Zitat barocker Lyrik soll vielmehr der Augenblick unverdrossen je neu begonnen werden. Da wird selbst der Moment der Ausgrenzung des Subjekts salopp als Ankunft begrüßt: "Du bist erkannt, entblößt, / im falschen Rund. / Willkommen in der Fremde." Die Frage nach dem richtigen Leben ist von vornherein müßig. Jacobs spielt mit der Tradition der lyrischen Formen wie mit sozialen Rollen, sein Subjekt hat sich in deren Sinnentleerung fröhlich eingerichtet: "Es geht schon auf elf Uhr. / Da kommt, wie schön, die Müllabfuhr." Überraschend und anrührend dagegen sein fast ironiefreier Dank an die "Liebe Literatur" und die "läuternde Qual", die sie als Fortschreibung einer Identität immer noch gewährt: "An Dir schreibend, weißt Du, bin ich / ganz der Deine."
Peter Härtling hat immer wieder sein Teil zur Lyrikgeschichte der Nachkriegszeit beigetragen. Seine neuen Gedichte präsentieren sich als eine kunstvoll reduzierende Rückkehr zu älteren Formen. Erinnerung fördert bei ihm fast naturgemäß viel Bitteres, wie den Gedanken an Krieg und Tod, zutage. Dennoch scheut sich sein Subjekt nicht, die Frage nach dem erfüllten Augenblick als eine nach den Anblick des Glücks zu stellen: "Schau, / wie der Mond / in den Tag fällt. / Und wohin / die Sonne? / Wir streifen / das Glück. / Was mehr?" Auch für Härtling bilden die Stimmen der Literatur einen tragenden Grund der Identitätsbildung, und wie bei Goethe streift das Gedicht vor allem da ans Glück, wo sich das Subjekt erinnernd vom Treiben verabschiedet und sich "in die Sätze zurückzieht". Die Lyrik empfiehlt sich wieder, offensiv und ungeschützt, als die Form, in der die Probe auf die Möglichkeiten des Selbstseins gemacht werden kann. FRIEDMAR APEL
Franz Hodjak: "Ankunft Konjunktiv". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 87 S., geb., 28,- DM.
Steffen Jacobs: "Geschulte Monade". Gedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1997. 103 S., br., 16,- DM.
Peter Härtling: "Horizonttheater". Neue Gedichte. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1997. 89 S., geb., 32,- DM.
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Willkommen in der Fremde: Eine neue Lyrik zieht ins Land
Das Individuum soll verschwunden sein, und trotzdem regt sich im totgesagten Park der lyrischen Gefühle wieder grünes Leben. Es ist gar, als solle die Artenvielfalt wiederhergestellt werden: Erlebnislyrik als Liebes-oder Reisegedicht, Naturlyrik und Ding-und Widmungsgedichte oder gar Preislieder. Ein neues Vertrauen in die Kraft der Literatur zur Sinnstiftung scheint aufzublühen, auch wenn es oft nur im Negativ oder als unscharfer Abdruck erscheint.
Franz Hodjak, der 1992 als letzter der rumänisch-deutschen Schriftsteller nach Deutschland wechselte, reflektiert sein lyrisches Subjekt in der Bewegung zwischen Osten und Westen, entziffert im Anblick von Dingen und Orten meist schmerzlich die ausbleibende Ankunft. In der Angst vor einer ungewissen Zukunft und einer vielleicht bitteren Freiheit versucht sein Ich im Gespräch mit sich selbst eine Neuorientierung in der Sprache: "Die Bedeutung zum / Beispiel, der Tür, ist irrelevant, egal / wohin sie führt. Nur dein Überraschtsein / kann ihr Sinn geben." Erinnerung ist dabei aber keine Hilfe, Orientierung zerfällt im Rückblick erst recht: "Was wäre falsch / und was richtig gewesen, / hätte ich mich / dazu geäußert?" So wird Sinn als erfüllter Augenblick bei Hodjak immer nur als Konjunktiv, Annahme oder Leerstelle faßbar.
Auch bei Steffen Jacobs verweigert Erinnerung gelegentlich ihre sinnstiftende Funktion, und hinterrücks wächst der "Scherbenberg". Aber das führt nicht zum traurigen Ernst der Gedichte Hodjaks. Im ironischen Zitat barocker Lyrik soll vielmehr der Augenblick unverdrossen je neu begonnen werden. Da wird selbst der Moment der Ausgrenzung des Subjekts salopp als Ankunft begrüßt: "Du bist erkannt, entblößt, / im falschen Rund. / Willkommen in der Fremde." Die Frage nach dem richtigen Leben ist von vornherein müßig. Jacobs spielt mit der Tradition der lyrischen Formen wie mit sozialen Rollen, sein Subjekt hat sich in deren Sinnentleerung fröhlich eingerichtet: "Es geht schon auf elf Uhr. / Da kommt, wie schön, die Müllabfuhr." Überraschend und anrührend dagegen sein fast ironiefreier Dank an die "Liebe Literatur" und die "läuternde Qual", die sie als Fortschreibung einer Identität immer noch gewährt: "An Dir schreibend, weißt Du, bin ich / ganz der Deine."
Peter Härtling hat immer wieder sein Teil zur Lyrikgeschichte der Nachkriegszeit beigetragen. Seine neuen Gedichte präsentieren sich als eine kunstvoll reduzierende Rückkehr zu älteren Formen. Erinnerung fördert bei ihm fast naturgemäß viel Bitteres, wie den Gedanken an Krieg und Tod, zutage. Dennoch scheut sich sein Subjekt nicht, die Frage nach dem erfüllten Augenblick als eine nach den Anblick des Glücks zu stellen: "Schau, / wie der Mond / in den Tag fällt. / Und wohin / die Sonne? / Wir streifen / das Glück. / Was mehr?" Auch für Härtling bilden die Stimmen der Literatur einen tragenden Grund der Identitätsbildung, und wie bei Goethe streift das Gedicht vor allem da ans Glück, wo sich das Subjekt erinnernd vom Treiben verabschiedet und sich "in die Sätze zurückzieht". Die Lyrik empfiehlt sich wieder, offensiv und ungeschützt, als die Form, in der die Probe auf die Möglichkeiten des Selbstseins gemacht werden kann. FRIEDMAR APEL
Franz Hodjak: "Ankunft Konjunktiv". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 87 S., geb., 28,- DM.
Steffen Jacobs: "Geschulte Monade". Gedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1997. 103 S., br., 16,- DM.
Peter Härtling: "Horizonttheater". Neue Gedichte. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1997. 89 S., geb., 32,- DM.
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