Erzählt wird hier die Geschichte von Frauen, die, als Hexen stigmatisiert, dem Tod nur knapp entkommen sind. Noch heute werden weltweit Frauen Opfer von Gewalt, die auf dem Hexenglauben gründet, allein in Afrika sind es tausende. Im Norden Ghanas hat Ann-Christine Woehrl Frauen getroffen, denen genau das widerfuhr. Von ihren Familien verstoßen und aus ihrenDörfern vertrieben, fanden sie Zuflucht in sogenannten Hexendörfern. Mit ihrer konzeptionellen Porträtserie vor schwarzem Hintergrund zeigt die Fotografin in einer einfühlsamen Studie, wer diese Frauen sind - in all ihrer Würde und mit all ihrem Stolz.Mit fünf Prozent aus den Bucherlösen sowie zehn Prozent aus den Erlösen der Sonderedition wird das ghanaische Hilfsprojekt Witchhunt Victims Empowerment Project unterstützt, das solche Orte der Zuflucht schafft und aufklärt.www.witches-in-exile.com
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ghana gilt als "Vorzeige-Demokratie", dennoch ist der Glaube an Hexen tief verwurzelt, weiß Rezensentin Carolin Gasteiger. Ganz gleich ob finanzielle Probleme, Tod eines Angehörigen oder Unwetter - aus Aberglauben werden jene Frauen für alle Arten von Unglück verantwortlich gemacht, ausgeschlossen leben sie in eigens gegründeten Dörfern, fährt die Kritikerin fort. Zwei dieser Dörfer, in denen diese "Witches in Exile" leben, hat die deutsch-französische Magnum-Fotografin Ann-Christine Woehrl besucht, um die Ausgegrenzten zu fotografieren. Bewegt betrachtet Gasteiger die Porträts der Frauen, deren Kleider leuchten, während die Augen oft "trüb" erscheinen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2021Hexe, hau ab!
In Ghana ist es nicht schwer, unliebsame Frauen zu verbannen. Die Fotografin Ann-Christine Woehrl hat sie aufgesucht und ihre Bilder zu einem erschütternden Buch zusammengestellt.
Von Freddy Langer
Kaum dass Ann-Christine Wöhrl 2005 in der Zeitung Le Monde von Hexenverbannungen in Ghana gelesen hatte, machte sie sich auf den Weg in das Land. Der Stigmatisierung von Frauen hat sich die Fotojournalistin auch anderswo auf der Welt gewidmet, in Indien etwa und in Kolumbien. Aber hier handelte es sich offenbar um ein ausgeklügeltes Verfahren, mit dem Frauen systematisch aus sozialen ebenso wie aus wirtschaftlichen Zusammenhängen verdrängt, präziser: ausgestoßen wurden. Manche, weil sie im hohen Alter der Familie zur Last fielen. Andere, weil sie, jung und engagiert, mit eigenen Läden zur ernsthaften Konkurrenz für Kleinunternehmer wurden. Die locker ausgesprochene und meist hanebüchen begründete Behauptung, sie seien Hexen, genügte jeweils, sie aus ihren Dörfern zu vertreiben. Notfalls wurde mit Prügeln nachgeholfen.
In Ghana geht man von tausend solcher Fälle aus, vor allem im Norden des Landes. Die Frauen hausen im kargen Nirgendwo in armseligen, von ihnen selbst errichteten Siedlungen aus Lehmhäusern und verdingen sich als Tagelöhnerinnen. Dass es immer wieder Männern gelingt, die Kontrolle über solche Camps an sich zu reißen, macht die Situation für die Frauen nicht besser. Sie werden als billige und willfährige Arbeitskräfte missbraucht. Manche von ihnen, sagt Ann-Christine Wöhrl, leben davon, Getreide zusammenzukehren, das aus Säcken gefallen ist.
Wenig verwunderlich, gab es vonseiten der selbst ernannten Aufseher wenig Unterstützung für die Fotografin. Aber dann lernte sie Simon Ngota vom Witch-hunt Victims Empowerment Project kennen, einer Nichtregierungsorganisation in Ghana, der ihr im Laufe weiterer Reisen immer engere Kontakte zu den Bewohnerinnen der Lager vermittelte. Jeweils abends, nach deren Arbeitstag, porträtierte sie die Frauen vor einem schwarzen Tuch. Anweisungen erteilte sie ihnen nicht. Der Ausdruck von Hilflosigkeit und Ohnmacht stellte sich von alleine ein.
"Witches in Exile" hat Ann-Christine Woehrl ihren beeindruckenden Bildband genannt, in dem sie die Gesichter von mehr als vierzig Frauen ausbreitet, ergänzt um deren haarsträubende Geschichten. Nicht wenige von ihnen leben seit zwanzig Jahren und mehr unter grausamen Bedingungen. Etwas im Land zu verändern, sagt Ann-Christine Woehrl, könne nicht ihre Aufgabe sein. Doch versteht sie die Fotografie als Plattform, etwas sichtbar zu machen - und hofft, wie auch die Frauen selbst, auf eine Ausstellung ihrer Arbeiten in Ghana. Der Druck, sagt man ihr in den Siedlungen, müsse von außen kommen. Denn nicht einmal im Land selbst wisse man von ihrer Ausgrenzung.
"Witches in Exile" von Ann-Christine Woehrl. Kehrer Verlag, Heidelberg, 2021. 104 Seiten, 70 Farbabbildungen. Gebunden, 45 Euro. Information im Internet unter: www.witches-in-exile.art sowie https://borgenproject.org/witch-camps-in-ghana
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In Ghana ist es nicht schwer, unliebsame Frauen zu verbannen. Die Fotografin Ann-Christine Woehrl hat sie aufgesucht und ihre Bilder zu einem erschütternden Buch zusammengestellt.
Von Freddy Langer
Kaum dass Ann-Christine Wöhrl 2005 in der Zeitung Le Monde von Hexenverbannungen in Ghana gelesen hatte, machte sie sich auf den Weg in das Land. Der Stigmatisierung von Frauen hat sich die Fotojournalistin auch anderswo auf der Welt gewidmet, in Indien etwa und in Kolumbien. Aber hier handelte es sich offenbar um ein ausgeklügeltes Verfahren, mit dem Frauen systematisch aus sozialen ebenso wie aus wirtschaftlichen Zusammenhängen verdrängt, präziser: ausgestoßen wurden. Manche, weil sie im hohen Alter der Familie zur Last fielen. Andere, weil sie, jung und engagiert, mit eigenen Läden zur ernsthaften Konkurrenz für Kleinunternehmer wurden. Die locker ausgesprochene und meist hanebüchen begründete Behauptung, sie seien Hexen, genügte jeweils, sie aus ihren Dörfern zu vertreiben. Notfalls wurde mit Prügeln nachgeholfen.
In Ghana geht man von tausend solcher Fälle aus, vor allem im Norden des Landes. Die Frauen hausen im kargen Nirgendwo in armseligen, von ihnen selbst errichteten Siedlungen aus Lehmhäusern und verdingen sich als Tagelöhnerinnen. Dass es immer wieder Männern gelingt, die Kontrolle über solche Camps an sich zu reißen, macht die Situation für die Frauen nicht besser. Sie werden als billige und willfährige Arbeitskräfte missbraucht. Manche von ihnen, sagt Ann-Christine Wöhrl, leben davon, Getreide zusammenzukehren, das aus Säcken gefallen ist.
Wenig verwunderlich, gab es vonseiten der selbst ernannten Aufseher wenig Unterstützung für die Fotografin. Aber dann lernte sie Simon Ngota vom Witch-hunt Victims Empowerment Project kennen, einer Nichtregierungsorganisation in Ghana, der ihr im Laufe weiterer Reisen immer engere Kontakte zu den Bewohnerinnen der Lager vermittelte. Jeweils abends, nach deren Arbeitstag, porträtierte sie die Frauen vor einem schwarzen Tuch. Anweisungen erteilte sie ihnen nicht. Der Ausdruck von Hilflosigkeit und Ohnmacht stellte sich von alleine ein.
"Witches in Exile" hat Ann-Christine Woehrl ihren beeindruckenden Bildband genannt, in dem sie die Gesichter von mehr als vierzig Frauen ausbreitet, ergänzt um deren haarsträubende Geschichten. Nicht wenige von ihnen leben seit zwanzig Jahren und mehr unter grausamen Bedingungen. Etwas im Land zu verändern, sagt Ann-Christine Woehrl, könne nicht ihre Aufgabe sein. Doch versteht sie die Fotografie als Plattform, etwas sichtbar zu machen - und hofft, wie auch die Frauen selbst, auf eine Ausstellung ihrer Arbeiten in Ghana. Der Druck, sagt man ihr in den Siedlungen, müsse von außen kommen. Denn nicht einmal im Land selbst wisse man von ihrer Ausgrenzung.
"Witches in Exile" von Ann-Christine Woehrl. Kehrer Verlag, Heidelberg, 2021. 104 Seiten, 70 Farbabbildungen. Gebunden, 45 Euro. Information im Internet unter: www.witches-in-exile.art sowie https://borgenproject.org/witch-camps-in-ghana
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