Eine große europäisch-jüdische Familiensaga - eine schillernde Geschichte über Liebe und die befreiende Kraft der Hoffnung
Kopenhagen zwischen den Weltkriegen: Die politischen Entwicklungen der späten 1930er Jahre stehen unmittelbar bevor, doch noch ist die Wohnung der Koppelmans voller Trubel, Verwandter, Gespräche und Musik. Hannah, die jüngste der vier Geschwister, möchte eines Tages selbst Musikerin werden, wie ihre Brüder. Doch für sie, das einzige Mädchen, ist ein anderer Weg vorgesehen: Es ist an ihr, den Namen der Familie zu wahren und die Eltern nicht zu enttäuschen. Krieg, Flucht und die Trennung von ihrer großen Liebe Aksel verschlagen sie nach Paris in eine arrangierte Ehe. Weit weg von zu Hause erinnern nur die Musik und Aksels Briefe Hannah - eigentlich Anna - daran, wer sie einmal werden wollte. Kann sie die Pflichten des Lebens annehmen und ihre eigenen Träume trotzdem festhalten?
»Annas Lied« ist eine mitreißend und warmherzig erzählte, weltumspannende Geschichte über verbotene Liebe, Einsamkeit und Pflichtbewusstsein - und nicht zuletzt über die heilende Kraft der Musik, inspiriert vom jüdischen Erbe Benjamin Koppels und seiner Familie. »Fantastisch!« Dagbladens Bureau
Kopenhagen zwischen den Weltkriegen: Die politischen Entwicklungen der späten 1930er Jahre stehen unmittelbar bevor, doch noch ist die Wohnung der Koppelmans voller Trubel, Verwandter, Gespräche und Musik. Hannah, die jüngste der vier Geschwister, möchte eines Tages selbst Musikerin werden, wie ihre Brüder. Doch für sie, das einzige Mädchen, ist ein anderer Weg vorgesehen: Es ist an ihr, den Namen der Familie zu wahren und die Eltern nicht zu enttäuschen. Krieg, Flucht und die Trennung von ihrer großen Liebe Aksel verschlagen sie nach Paris in eine arrangierte Ehe. Weit weg von zu Hause erinnern nur die Musik und Aksels Briefe Hannah - eigentlich Anna - daran, wer sie einmal werden wollte. Kann sie die Pflichten des Lebens annehmen und ihre eigenen Träume trotzdem festhalten?
»Annas Lied« ist eine mitreißend und warmherzig erzählte, weltumspannende Geschichte über verbotene Liebe, Einsamkeit und Pflichtbewusstsein - und nicht zuletzt über die heilende Kraft der Musik, inspiriert vom jüdischen Erbe Benjamin Koppels und seiner Familie. »Fantastisch!« Dagbladens Bureau
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Benjamin Koppels Debütroman "Annas Lied" ist unterhaltsam zu lesen, urteilt Rezensent Peter Urban-Halle. Darin erzählt der dänische Saxofonist in zwei Teilen, die vor und nach 1945 spielen, facettenreich von einer jüdischen Familie, die aus einem Schtetl nahe Lodz nach Kopenhagen ausgewandert ist. Dass das Buch tieftraurig ist, liegt für den Rezensenten daran, dass der Protagonistin Hannah, der einzigen Tochter, kein persönliches Glück gegönnt wird: weder das Kind, das sie zu Beginn des Romans zur Welt bringt und weggeben muss, noch die Liebe zu dessen Vater, einem nichtjüdischen Dänen, oder - obwohl die Eltern und vier Brüder ihre Begeisterung für die Musik teilen - das Klavierspiel als Freude und Profession. Wie die Rahmenerzählung erahnen lässt, beruht das Buch auf einer realen Geschichte, nämlich dem Leben der nahe Paris gealterten Großtante Koppels. Seine Themen und Konflikte sind, so Urban-Halle, jedoch universell: die erhebende Wirkung von Liebe und Kunst ebenso wie die Einengung durch (religiösen) Traditionalismus. Der Roman bietet, stellt der Rezensent fest, den Leserinnen wenig Überraschungen, und ist bei seiner leichten Lesbarkeit dennoch bewegend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2024Liebe und Kunst als Lebensmotto
Und doch stehen Familie und Religion über allem: Der Roman "Annas Lied" des Dänen Benjamin Koppel
1999 erschien bei Ammann ein Roman des Iren Bernard MacLaverty, er hieß "Annas Lied". 25 Jahre später hören wir "Annas Lied" schon wieder, aber es ist keine Neuausgabe des alten Lieds, sondern das doppelt so dicke Buch eines dänischen Saxophonspielers, Benjamin Koppel, geboren 1974, der damit sein literarisches Debüt gibt. Wie der Titel vermuten lässt, spielt die Musik, wie schon bei MacLaverty, eine entscheidende Rolle. Koppel, der aus einer Musikerfamilie stammt, erzählt von einem jüdischen Ehepaar im Dänemark der Vor- und Nachkriegszeit mit vier Söhnen und einer Tochter, die für ihr Leben gern musizieren, die Brüder machen daraus sogar ihren Beruf. Wir erleben ausgelassene Feiern und mutiges Aufbegehren, es gibt Freud und Leid und lauter lustige, verbohrte, grundgütige, gemeine, im Ganzen also recht unterschiedliche Typen. Es ist viel los, es herrscht ein buntes Treiben, es ist eine Familiensaga.
Im Grunde aber ist das Buch furchtbar traurig. Damit ist nicht der hauchzarte Schleier der Melancholie gemeint, der sich über Geschichten breiten kann, wie sie ein Herman Bang zu schreiben imstande war. Es ist traurig, weil die junge Hannah, die Hauptperson, gleich im Prolog unter Schmerzen ein Kind gebärt, das die Eltern als "Unglück" bezeichnen und das sie nicht behalten darf. Es ist traurig, weil Hannah (im Gegensatz zu MacLavertys Heldin Catherine) letztlich weder ihrer Musikbegeisterung nachkommen noch ein Leben führen darf, wie sie es wünscht. Es gibt in diesem Buch bis auf die allerletzten Seiten keinen Ausweg, jedenfalls nicht für die Tochter.
Der Roman hat zwei Teile, die vor und nach 1945 spielen. Die jüdische Familie Koppelman hatte in ihrem Schtetl nahe Lodz, das bis 1918 zu Russland gehörte, keine Zukunft mehr gesehen; antijüdische Pogrome waren im Zarenreich weitverbreitet. Seit mehr als zwanzig Jahren leben sie nun in Kopenhagen. Der Vater Yitzhak, ein verständnisvoller, etwas naiver Mann, führt eine dank seiner Redlichkeit und Sorgfalt gut gehende Schneiderei, die Mutter Bruche ist eine dramatisch-hektische Hausfrau, die nicht kochen kann, aber fünf Kinder großgezogen hat: erst die Söhne und zuletzt die Tochter Hannah. Die Koppelmans sind thoratreu, vor allem die Mutter achtet strikt auf Einhaltung der religiösen Regeln. Überboten wird sie nur noch vom Onkel Lille-Moishe, der seine Frau schuften lässt, damit er emsig in den heiligen Schriften blättern kann. Koppel zeigt hier wie nebenbei, was eine Gesetzesreligion bedeutet: Die Erfüllung der Vorschriften ist ein wesentlicher Teil der Frömmigkeit.
Hannah, in Dänemark geboren, hat sich längst in ihre säkulare Umwelt integriert. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist Klavierspielen, sie wird sogar im Konservatorium angenommen. Und sie verliebt sich in Aksel, einen politisch engagierten Dänen. Aksel (der Vater jenes Kindes, das Hannah weggeben muss) wird sie ein Leben lang lieben, aber heiraten darf sie ihn, diesen "Goi", nicht. Schon die Brüder hatten zum Entsetzen der Mutter "Schicksen" (noch so ein abfälliges Wort für Nichtjuden) geehelicht, wenigstens Hannah soll die Familienehre retten. Es kommt zu einer arrangierten Ehe mit dem Pariser Juden François, der einerseits wegen verletzter Speisegesetze Skandal macht, sich andererseits aber einen Dreck ums siebte Gebot kümmert. Hannah, zu diesem Zeitpunkt sechzehn, ist nichts als deprimiert. "Ein abgefallener Jude bringt Schande über all seine Vorfahren. Ein Abgefallener wählt ein Leben, das auf einer Lüge aufgebaut ist", sagt die Mutter "mit verzerrtem Gesicht". Schon die Brüder sind ja alle "abgefallen" und gehören nicht mehr richtig zur Familie. Umso mehr bearbeitete Bruche ihre Tochter, damit wenigstens sie jüdisch heiratet.
Doch der Roman ist kein ideologisches oder partikulares Buch, denn das Hauptproblem ist universal: die Durchsetzung bestimmter Traditionen zur Aufrechterhaltung bestimmter Ordnungen. Der Autor ist auf Ausgewogenheit bedacht. Nicht nur, dass die jüdische Gemeinschaft Kopenhagens aus lauter unterschiedlichen Charakteren besteht, es wird auch immer deutlicher, dass die diktatorische Familienmutter Bruche selbst nicht frei ist: "Letzten Endes ist die Familie das Einzige, was wir haben." Eine gute Jüdin ist nicht autonom, sie ist Opfer ihrer eigenen unabänderlichen Überzeugung.
Benjamin Koppel lässt sich am Ende des langen Romans selber auftreten. Er ist nämlich der Großneffe der Hauptfigur Hannah, die eigentlich Anna heißt und die er am Ende ihres Lebens zum ersten Mal in der Nähe von Paris besucht, sie ist 98 und erzählt ihm ihr Leben. Das fand er so spannend, dass er es aufschrieb. Das Ergebnis ist lebendig, aber nicht sehr herausfordernd. Es liest sich alles ganz prima weg, was sicher auch daran liegt, dass der Holocaust als Urtrauma sehr diskret behandelt wird, in kleinen Nebensätzen, fast zwischen den Zeilen. Das Buch ist durch sein Thema bewegend und tiefgründig und anspruchsvoll, durch seine leichte Lesbarkeit aber auch sehr unterhaltsam. Allerdings weiß man von vornherein, worauf das große Ganze hinausläuft, nur die Details können überraschend sein.
In gewisser Weise sogar beruhigend. "Liebe und Kunst" heißt das Lebensmotto zweier Freundinnen fürs Leben, der Jüdin Hannah und der nichtjüdischen Dänin Elisabeth, die Feministin wird. Abgesehen von Geld und Glaube sind Liebe und Kunst wohl die beiden Dinge, die die Menschen am meisten bewegen und am meisten erheben. Kunst und hier vor allem die Musik haben eine geradezu humanisierende Wirkung. Gleich am Anfang - die kleine Hannah ist acht Jahre alt und spielt naturwissenschaftlich interessiert mit Stecknadeln und einem Magneten - werden wir durch eine kitschige Passage aufs richtige Gleis gesetzt: "'Was summst du da, mein Kind?', erkundigte sich Yitzhak, ohne von seiner Nähmaschine aufzublicken. 'Brahms, Vater!'" Klassische Musik (sogar der überladene Brahms, Hannahs Lieblingskomponist) ist besonders geeignet: nicht nur zur Humanisierung, sondern auch zur Tolerierung empörender Dinge. Auch Jazz ist geeignet (Koppel ist Jazzmusiker). Annas Lied, erfahren wir am Schluss, ist der sentimentale Song "What Are You Doing the Rest of Your Life?" Hannah nämlich "hatte eine Schwäche für hübsche, einfache Melodien in Moll". So ließe sich auch das Buch charakterisieren. Es ist kein moderner Roman und doch ein Roman von heute. PETER URBAN-HALLE
Benjamin Koppel: "Annas Lied". Roman.
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2024. 527 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Und doch stehen Familie und Religion über allem: Der Roman "Annas Lied" des Dänen Benjamin Koppel
1999 erschien bei Ammann ein Roman des Iren Bernard MacLaverty, er hieß "Annas Lied". 25 Jahre später hören wir "Annas Lied" schon wieder, aber es ist keine Neuausgabe des alten Lieds, sondern das doppelt so dicke Buch eines dänischen Saxophonspielers, Benjamin Koppel, geboren 1974, der damit sein literarisches Debüt gibt. Wie der Titel vermuten lässt, spielt die Musik, wie schon bei MacLaverty, eine entscheidende Rolle. Koppel, der aus einer Musikerfamilie stammt, erzählt von einem jüdischen Ehepaar im Dänemark der Vor- und Nachkriegszeit mit vier Söhnen und einer Tochter, die für ihr Leben gern musizieren, die Brüder machen daraus sogar ihren Beruf. Wir erleben ausgelassene Feiern und mutiges Aufbegehren, es gibt Freud und Leid und lauter lustige, verbohrte, grundgütige, gemeine, im Ganzen also recht unterschiedliche Typen. Es ist viel los, es herrscht ein buntes Treiben, es ist eine Familiensaga.
Im Grunde aber ist das Buch furchtbar traurig. Damit ist nicht der hauchzarte Schleier der Melancholie gemeint, der sich über Geschichten breiten kann, wie sie ein Herman Bang zu schreiben imstande war. Es ist traurig, weil die junge Hannah, die Hauptperson, gleich im Prolog unter Schmerzen ein Kind gebärt, das die Eltern als "Unglück" bezeichnen und das sie nicht behalten darf. Es ist traurig, weil Hannah (im Gegensatz zu MacLavertys Heldin Catherine) letztlich weder ihrer Musikbegeisterung nachkommen noch ein Leben führen darf, wie sie es wünscht. Es gibt in diesem Buch bis auf die allerletzten Seiten keinen Ausweg, jedenfalls nicht für die Tochter.
Der Roman hat zwei Teile, die vor und nach 1945 spielen. Die jüdische Familie Koppelman hatte in ihrem Schtetl nahe Lodz, das bis 1918 zu Russland gehörte, keine Zukunft mehr gesehen; antijüdische Pogrome waren im Zarenreich weitverbreitet. Seit mehr als zwanzig Jahren leben sie nun in Kopenhagen. Der Vater Yitzhak, ein verständnisvoller, etwas naiver Mann, führt eine dank seiner Redlichkeit und Sorgfalt gut gehende Schneiderei, die Mutter Bruche ist eine dramatisch-hektische Hausfrau, die nicht kochen kann, aber fünf Kinder großgezogen hat: erst die Söhne und zuletzt die Tochter Hannah. Die Koppelmans sind thoratreu, vor allem die Mutter achtet strikt auf Einhaltung der religiösen Regeln. Überboten wird sie nur noch vom Onkel Lille-Moishe, der seine Frau schuften lässt, damit er emsig in den heiligen Schriften blättern kann. Koppel zeigt hier wie nebenbei, was eine Gesetzesreligion bedeutet: Die Erfüllung der Vorschriften ist ein wesentlicher Teil der Frömmigkeit.
Hannah, in Dänemark geboren, hat sich längst in ihre säkulare Umwelt integriert. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist Klavierspielen, sie wird sogar im Konservatorium angenommen. Und sie verliebt sich in Aksel, einen politisch engagierten Dänen. Aksel (der Vater jenes Kindes, das Hannah weggeben muss) wird sie ein Leben lang lieben, aber heiraten darf sie ihn, diesen "Goi", nicht. Schon die Brüder hatten zum Entsetzen der Mutter "Schicksen" (noch so ein abfälliges Wort für Nichtjuden) geehelicht, wenigstens Hannah soll die Familienehre retten. Es kommt zu einer arrangierten Ehe mit dem Pariser Juden François, der einerseits wegen verletzter Speisegesetze Skandal macht, sich andererseits aber einen Dreck ums siebte Gebot kümmert. Hannah, zu diesem Zeitpunkt sechzehn, ist nichts als deprimiert. "Ein abgefallener Jude bringt Schande über all seine Vorfahren. Ein Abgefallener wählt ein Leben, das auf einer Lüge aufgebaut ist", sagt die Mutter "mit verzerrtem Gesicht". Schon die Brüder sind ja alle "abgefallen" und gehören nicht mehr richtig zur Familie. Umso mehr bearbeitete Bruche ihre Tochter, damit wenigstens sie jüdisch heiratet.
Doch der Roman ist kein ideologisches oder partikulares Buch, denn das Hauptproblem ist universal: die Durchsetzung bestimmter Traditionen zur Aufrechterhaltung bestimmter Ordnungen. Der Autor ist auf Ausgewogenheit bedacht. Nicht nur, dass die jüdische Gemeinschaft Kopenhagens aus lauter unterschiedlichen Charakteren besteht, es wird auch immer deutlicher, dass die diktatorische Familienmutter Bruche selbst nicht frei ist: "Letzten Endes ist die Familie das Einzige, was wir haben." Eine gute Jüdin ist nicht autonom, sie ist Opfer ihrer eigenen unabänderlichen Überzeugung.
Benjamin Koppel lässt sich am Ende des langen Romans selber auftreten. Er ist nämlich der Großneffe der Hauptfigur Hannah, die eigentlich Anna heißt und die er am Ende ihres Lebens zum ersten Mal in der Nähe von Paris besucht, sie ist 98 und erzählt ihm ihr Leben. Das fand er so spannend, dass er es aufschrieb. Das Ergebnis ist lebendig, aber nicht sehr herausfordernd. Es liest sich alles ganz prima weg, was sicher auch daran liegt, dass der Holocaust als Urtrauma sehr diskret behandelt wird, in kleinen Nebensätzen, fast zwischen den Zeilen. Das Buch ist durch sein Thema bewegend und tiefgründig und anspruchsvoll, durch seine leichte Lesbarkeit aber auch sehr unterhaltsam. Allerdings weiß man von vornherein, worauf das große Ganze hinausläuft, nur die Details können überraschend sein.
In gewisser Weise sogar beruhigend. "Liebe und Kunst" heißt das Lebensmotto zweier Freundinnen fürs Leben, der Jüdin Hannah und der nichtjüdischen Dänin Elisabeth, die Feministin wird. Abgesehen von Geld und Glaube sind Liebe und Kunst wohl die beiden Dinge, die die Menschen am meisten bewegen und am meisten erheben. Kunst und hier vor allem die Musik haben eine geradezu humanisierende Wirkung. Gleich am Anfang - die kleine Hannah ist acht Jahre alt und spielt naturwissenschaftlich interessiert mit Stecknadeln und einem Magneten - werden wir durch eine kitschige Passage aufs richtige Gleis gesetzt: "'Was summst du da, mein Kind?', erkundigte sich Yitzhak, ohne von seiner Nähmaschine aufzublicken. 'Brahms, Vater!'" Klassische Musik (sogar der überladene Brahms, Hannahs Lieblingskomponist) ist besonders geeignet: nicht nur zur Humanisierung, sondern auch zur Tolerierung empörender Dinge. Auch Jazz ist geeignet (Koppel ist Jazzmusiker). Annas Lied, erfahren wir am Schluss, ist der sentimentale Song "What Are You Doing the Rest of Your Life?" Hannah nämlich "hatte eine Schwäche für hübsche, einfache Melodien in Moll". So ließe sich auch das Buch charakterisieren. Es ist kein moderner Roman und doch ein Roman von heute. PETER URBAN-HALLE
Benjamin Koppel: "Annas Lied". Roman.
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2024. 527 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
[...] mit großem Geschick dafür etwas zu beschreiben, was schwer in Worte zu fassen ist [...]. Die Presse 20240721
Benjamin Koppels Debütroman "Annas Lied" ist unterhaltsam zu lesen, urteilt Rezensent Peter Urban-Halle. Darin erzählt der dänische Saxofonist in zwei Teilen, die vor und nach 1945 spielen, facettenreich von einer jüdischen Familie, die aus einem Schtetl nahe Lodz nach Kopenhagen ausgewandert ist. Dass das Buch tieftraurig ist, liegt für den Rezensenten daran, dass der Protagonistin Hannah, der einzigen Tochter, kein persönliches Glück gegönnt wird: weder das Kind, das sie zu Beginn des Romans zur Welt bringt und weggeben muss, noch die Liebe zu dessen Vater, einem nichtjüdischen Dänen, oder - obwohl die Eltern und vier Brüder ihre Begeisterung für die Musik teilen - das Klavierspiel als Freude und Profession. Wie die Rahmenerzählung erahnen lässt, beruht das Buch auf einer realen Geschichte, nämlich dem Leben der nahe Paris gealterten Großtante Koppels. Seine Themen und Konflikte sind, so Urban-Halle, jedoch universell: die erhebende Wirkung von Liebe und Kunst ebenso wie die Einengung durch (religiösen) Traditionalismus. Der Roman bietet, stellt der Rezensent fest, den Leserinnen wenig Überraschungen, und ist bei seiner leichten Lesbarkeit dennoch bewegend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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