Im August 1998 sind in Amsterdam fünf bisher unbekannte Seiten aus Anne Franks Tagebuch an die Öffentlichkeit gelangt. Offenbar hatte der Vater, Otto Frank, diese Stellen - sie enthalten kritische Bemerkungen Annes über ihre Eltern - nicht zur Publikation freigegeben. Jetzt werden sie, nach Prüfung ihrer Authentizität, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und weltweit in alle autorisierten Ausgaben des Tagebuchs aufgenommen. Das Tagebuch von Anne Frank ist 1950 zum ersten Mal in einer deutschen Übersetzung veröffentlicht worden; 1955 erschien diese als Taschenbuch im S. Fischer Verlag. 1986 kam die im Auftrag des Niederländischen Staatlichen Instituts für Kriegsdokumentation erarbeitete vollständige textkritische Ausgabe heraus, die 1988 in der Übersetzung von Mirjam Pressler im S. Fischer Verlag erschien. Eine durch den Anne-Frank-Fonds in Basel autorisierte Fassung von Otto Frank und Mirjam Pressler folgte 1991. Diese Ausgabe wird nun, durch die bisher unveröffentlichten Textpassa gen und eine erläuternde Nachbemerkung ergänzt, neu herausgebracht. Für Anne Frank war ihr Tagebuch in der Enge des Verstecks Ersatz für eine Freundin und Gesprächspartnerin, Ventil für Sorgen und Unmutsausbrüche, zugleich Übungsfeld für ihre schriftstellerischen Talente. Für uns ist und bleibt es das eindringlichste und bewegendste Dokument der Judenverfolgung im Nationalsozialismus.
Es ist eine wichtige Qualität der Jubiläumsausgabe, dass der Text nicht mit dem letzten Eintrag endet, sondern das Schicksal der Untergetauchten in einem Anhang weitererzählt. Hadassah Stichnothe Jüdische Allgemeine 20220428
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Es klingt, als sei hier mit Fritzi Haberlandt als Leserin die bestmögliche Hörspielproduktion des Anne-Frank-Tagebuchs gelungen. Rezensent Christian Deutschmann zeigt sich jedenfalls, gerade im knappen Vergleich mit zwei früheren Versionen, ganz und gar überzeugt. Das beginnt damit, dass hier die neuere Übersetzung der Tagebücher zugrunde liegt, die den "Backfisch"-Ton sehr viel besser und frischer zum Ausdruck bringe als die erste Fassung von 1950. Und Fritzi Haberlandt verstehe es, einen "wunderbar ungekünstelten" Ton zu finden, der Deutschmann wegen der Fähigkeit zur genauen Modulation aller Regungen geradezu in die Gegenwart der in ihrem Versteck Schreibenden versetzt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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