Anne Franks Tagebuch steht für sich als Dokument des Holocaust. Ihre Aufzeichnungen werden deshalb hier nicht nacherzählt. Diese Monographie beschreibt vielmehr ihre Lebensgeschichte im Kreis ihrer Familie und Freunde unter den Bedingungen von Judenverfolgung, Emigration und Versteck.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.09.2002Garantin für den Glauben
an das Gute im Menschen
Das holländische Mädchen Anne Frank in einer neuen,
von Hochachtung geprägten Biographie
MATTHIAS HEYL: Anne Frank. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2002. 153 Seiten, 8.50 Euro.
Wäre das jüdische Mädchen Anne Frank eine gute Journalistin und Schriftstellerin geworden? Es war, so steht es in ihrem Tagebuch „ ihr liebster Wunsch”. Und sicherlich hätte sie ihre Chancen und ihre Begabung entschlossen genutzt – wenn sie die Nazis, vor denen sie sich so lange verstecken musste, im KZ Bergen-Belsen nicht elend an Typhus hätten eingehen lassen.
Geblieben ist ihr Tagebuch, verfasst zwischen 1942 und 1944, als Anne und ihre Familie im Amsterdamer Hinterhaus an der Prinsengracht untertauchen mussten. Diese weltberühmt gewordenen Aufzeichnungen, die Anne Franks genaue Beobachtungsgabe, ihren Witz, ihre Nachdenklichkeit zeigen, wurden zu ihrem Vermächtnis. Und unerschöpflich scheint das Bedürfnis zu sein, sich mit ihr und ihrem Schicksal zu beschäftigen, sie gilt als Heldin, als Ikone, als Garantin für den Glauben an das Gute im Menschen.
Nun ist Anne Frank in die klassische Reihe der rororo-Monographien aufgenommen wurden: Autor Matthis Heyl, Leiter der Jugendbegegnungsstätte in Ravensbrück, Historiker und Erziehungswissenschaftler, beschreibt die Stationen ihres Lebens und ihre wichtigen Bezugspersonen, bis hin zum Verrat und zur Verhaftung der Familie Frank. In zahlreichen Auszügen aus dem Tagebuch belegt er Annes Charakter und Temperament und ihre Entschlossenheit, gegen die vielfältigen Gefahren aufzubegehren, die ihrer Zukunft drohen. Heyl geht auch auf die verkitschten und kommerziellen Auswüchse des Kults um Anne Frank ein. Einen drastischen Hinweis darauf liefert eine Werbung im Programmheft, das 1955 am Broadway zur Bühnenversion des Tagebuchs herauskam. Eine Dame räkelt sich da im Theatersessel, präsentiert ihren Pracht-BH und meint lächelnd: „I dreamed I went to see ,Diary of Anne Frank’ in my Maidenform Bra ... ” Wie hätte wohl die scharfzüngige Anne auf eine solche Entgleisung reagiert?
BIRGIT WEIDINGER
Ihre Aufzeichnungen wurden weltweit zum Vermächtnis: Anne Frank (1929–1945).
Foto: Alfred Strobel/SV
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
an das Gute im Menschen
Das holländische Mädchen Anne Frank in einer neuen,
von Hochachtung geprägten Biographie
MATTHIAS HEYL: Anne Frank. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2002. 153 Seiten, 8.50 Euro.
Wäre das jüdische Mädchen Anne Frank eine gute Journalistin und Schriftstellerin geworden? Es war, so steht es in ihrem Tagebuch „ ihr liebster Wunsch”. Und sicherlich hätte sie ihre Chancen und ihre Begabung entschlossen genutzt – wenn sie die Nazis, vor denen sie sich so lange verstecken musste, im KZ Bergen-Belsen nicht elend an Typhus hätten eingehen lassen.
Geblieben ist ihr Tagebuch, verfasst zwischen 1942 und 1944, als Anne und ihre Familie im Amsterdamer Hinterhaus an der Prinsengracht untertauchen mussten. Diese weltberühmt gewordenen Aufzeichnungen, die Anne Franks genaue Beobachtungsgabe, ihren Witz, ihre Nachdenklichkeit zeigen, wurden zu ihrem Vermächtnis. Und unerschöpflich scheint das Bedürfnis zu sein, sich mit ihr und ihrem Schicksal zu beschäftigen, sie gilt als Heldin, als Ikone, als Garantin für den Glauben an das Gute im Menschen.
Nun ist Anne Frank in die klassische Reihe der rororo-Monographien aufgenommen wurden: Autor Matthis Heyl, Leiter der Jugendbegegnungsstätte in Ravensbrück, Historiker und Erziehungswissenschaftler, beschreibt die Stationen ihres Lebens und ihre wichtigen Bezugspersonen, bis hin zum Verrat und zur Verhaftung der Familie Frank. In zahlreichen Auszügen aus dem Tagebuch belegt er Annes Charakter und Temperament und ihre Entschlossenheit, gegen die vielfältigen Gefahren aufzubegehren, die ihrer Zukunft drohen. Heyl geht auch auf die verkitschten und kommerziellen Auswüchse des Kults um Anne Frank ein. Einen drastischen Hinweis darauf liefert eine Werbung im Programmheft, das 1955 am Broadway zur Bühnenversion des Tagebuchs herauskam. Eine Dame räkelt sich da im Theatersessel, präsentiert ihren Pracht-BH und meint lächelnd: „I dreamed I went to see ,Diary of Anne Frank’ in my Maidenform Bra ... ” Wie hätte wohl die scharfzüngige Anne auf eine solche Entgleisung reagiert?
BIRGIT WEIDINGER
Ihre Aufzeichnungen wurden weltweit zum Vermächtnis: Anne Frank (1929–1945).
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Es wundert Birgit Weidinger nicht, dass nun auch Anne Frank in die klassische Reihe der rororo-Monografien aufgenommen wurde. Scheint doch in ihren Augen das Bedürfnis unerschöpflich zu sein, sich mit dem jüdischen Mädchen, dessen Tagebuch aus der Zeit zwischen 1942 und 1944 weltberühmt wurde, und die als "Garantin für den Glauben an das Gute im Menschen" gilt, zu beschäftigen. Der Historiker und Erziehungswissenschaftler Matthias Heyl hat, so Weidinger in ihrer kurzen Besprechung, die Lebensstationen und die wichtigsten Bezugspersonen der Anne Frank beschrieben, und anhand vieler Textpassagen aus dem Tagebuch den Charakter und das Temperament der "scharfzüngigen Anne" belegt. Auch die "verkitschten und kommerziellen Auswüchse" des Kults um Anne Frank finden in diesem Werk Beachtung. Es handelt sich hier um eine neue, "von Hochachtung geprägte Biografie", so die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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