Die Biografie einer bedeutenden Frau
Ein strenges, konservatives Milieu prägte das Leben der Annette von Droste-Hülshoff (1797 - 1848), die als eine der großen deutschen Dichterinnen gilt und in ihrer Rolle als Frau und Autorin auch als eine der interessantesten Figuren in der Geschichte weiblicher Erfahrungen. In ihrer Novelle "Die Judenbuche", nach wie vor Schullektüre, rechnet sie mit ihrer beengten Herkunft und mit der Gesellschaft ihrer Zeit ab.
Ein strenges, konservatives Milieu prägte das Leben der Annette von Droste-Hülshoff (1797 - 1848), die als eine der großen deutschen Dichterinnen gilt und in ihrer Rolle als Frau und Autorin auch als eine der interessantesten Figuren in der Geschichte weiblicher Erfahrungen. In ihrer Novelle "Die Judenbuche", nach wie vor Schullektüre, rechnet sie mit ihrer beengten Herkunft und mit der Gesellschaft ihrer Zeit ab.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.1998Bilderzoom und Hyperlink
Durchgehend vierfarbig: Eine neue Reihe mit Biographien bei dtv
Das dringende Bedürfnis nach einer neuen Reihe von "Biographien bedeutender Frauen und Männer aus Geschichte, Literatur, Philosophie, Kunst und Musik" war eigentlich nicht zu spüren. Vielmehr glaubte sich der Leser nach einem Blick ins Bücherregal wohlversorgt. Die vielen Bände der rororo-Bildmonographien - grundsolide und wohltuend unaufgeregt - stillten den kleinen Lesehunger zwischendurch. Einführungen in Werk und Leben aus dem Junius- und Campus-Verlag boten dem Mitdenkenden schon härtere Knacknüsse. Und auch die Sammlung Metzler und die Beck'schen Autorenbücher offerierten nahrhaften Purismus, indem sie auf versüßende Bildbeigaben verzichteten. Damit schien der Markt gesättigt.
"dtv-portrait" hofft nun, mit einem Zauberwort den Appetit neu anregen zu können. Es heißt: "durchgehend vierfarbig". So verspricht es der Umschlag an erster Stelle, bevor er buchstabenlastige Beiläufigkeiten wie Glossar oder Auswahlbibliographie als Empfehlung nachhinken läßt. Angepriesen werden mit diesem Versprechen der Buntheit nicht etwa nur die Abbildungen. Auch der Text kommt farbig daher, wenn zartes Mauve den Werkzitaten unterlegt ist oder ein frisches Steingrau Sätze aus der Sekundärliteratur umspielt. Bunte, allerdings farblich nicht immer darauf abgestimmte Linien trennen diese Zitatflecken vom fortlaufenden Text. Er ist weiterhin schwarz auf hartweißem Grund.
Die vier Auftaktbände über Hildegard von Bingen, Fontane, Büchner und die Droste folgen in ihrem Seitenaufbau dem gleichen Modell. Knapp behauptet der Erzähltext die Blattmitte. Fällt darin der Name einer historischen Person, so erscheint neben dem Text zwangsläufig ihr miniaturisiertes Porträt. Wird sie einer Abbildung nicht für wert befunden, rückt eine Art lexikalischer Kürzestartikel ans Seitenende unter den bunten Strich. Über Friedrich Schlegel etwa erfährt man dort: "Führender Programmatiker und Ästhetiker der Romantik, Mitbegründer der modernen Literaturgeschichtsschreibung". Wer vorher nicht mehr wußte, kann auch darauf verzichten. Allerdings hätte er dann die enzyklopädische Geste verpaßt, mit der sich die Bände augenzwinkernd dem Leser anbieten. Offensichtlich traute man bei dtv dessen historischer Kompetenz nicht so recht, schreckte aber zugleich davor zurück, der bildungsbürgerlichen Besserwisserei bezichtigt zu werden. Am (Seiten-)Ende kommen deshalb solche Halbwahrheiten heraus: Bausteinbiographien, die in ihrer Knappheit schon wieder falsch werden. Lernen kann man aus ihnen allenfalls ihre Entbehrlichkeit.
Auch Zitate aus Werken und Briefen rücken an die Blattperipherie. Zusammen mit den Bildern, den Wort- und Sacherklärungen umschwirren sie das von allen Seiten bedrängte Textzentrum. Der Leser verliert die Zeile, weil Bunteres um seine Aufmerksamkeit wirbt. Die Lebenserzählung kämpft mit diesen optischen Konkurrenten, die sich wie eine Werbepause dazwischenschieben. Sie versprechen Ablenkung von dem, was doch eigentlicher Grund des Kaufs gewesen war. Schöne, aber nicht immer motivierte Bilder durchschießen nun den Lesefluß, der darüber manchmal versiegen will. Das Buch unterbricht unprovoziert die Konzentration auf seinen Gegenstand. Es bereitet seine eigene Abschaffung vor, weil es das Selbstvertrauen verloren hat.
Die Buchseiten erinnern wohl nicht zufällig an Schnappschüsse, die man vom Computerbildschirm abziehen kann. Hyperlink heißt das Verfahren, wo man mit Mausklick für die jeweilige Textstelle Worterklärungen hochruft oder Bilder heranzoomt. Alles befindet sich dort in nur virtueller Bewegung, weil das unendliche Datenangebot auf die Zustimmung des Benutzers warten muß, bevor es sich ihm in den Blick stellen darf. Es reizt mit seiner schieren Möglichkeit. "dtv-portrait" simuliert diese interaktive Spielwelt, ohne die Differenz zwischen Computer und Buch grundsätzlich zu bedenken. Wo der Computer trivial sein darf, weil seine Erklärungen mit einem Klick verschwinden, muß eine Buchseite gelten wollen. Vielfalt schlägt ihr leicht zur Beliebigkeit um. Wenn eine Biographie ohne diese Zitate aus Werk und Brief nicht auskommen kann, sollte sie sich auch erzählend zu ihnen bekennen. Sie muß ihnen einen buchstäblichen Ort geben, nicht aber in buntmarkierte Bereiche des schlechten Gewissens abdrängen.
Daß der Lektor seine Verantwortung mit dem Graphiker teilen mußte, hat seine Aufmerksamkeit gelegentlich getrübt. Da kann es schon einmal "selbronisch" heißen, wo "selbstironisch" gemeint ist. Auch Lazarus, ein Briefpartner Fontanes, darf einmal unter dem Vornamen "Max", dann "Moritz" auftreten, bis es am Ende im Register auch mit ihm ein schlimmes Ende nimmt. Dort entscheidet man sich für "Max" - und damit leider falsch. Und nicht ganz unkomisch ist es, wenn die Restauration nach dem Wiener Kongreß die Opposition "radikal ersticken" will, als gönnte sie dem Gegner nicht einmal dieses kleine Wort. Unangenehmer ist freilich, daß Büchners Biograph vom Duzen nicht lassen will und seinen Helden als "Georg" ins Grab schickt, als sei er dessen rebellischer Blutsbruder im Geiste. Das wirkt zu angestrengt salopp, um gut erzählt zu sein.
Einig sind sich alle vier Biographen darin, endlich den Frauen Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Dies könnte zum heimlichen Motto (aber auch schon guten Grund?) dieser Reihe werden - wenn sich dem nur etwas Theorie beigesellt hätte. Natürlich erleidet die Droste den patriarchalen Katholizismus, sympathisiert Fontane mit seiner Effi. Aber reicht das eine, aus Gut und Böse gedrehte Erzählfädchen "Emanzipation", um daraus ein berühmtes Leben zu stricken? Michaela Diers zeigt, wie dem Thema mehr abzugewinnen ist, wenn man es schwieriger macht. Ihr Hildegard-Porträt liest man deshalb mit Gewinn, auch weil es als einziges nicht auf den Zitatnachweis verzichtet. Dies mag man den kommenden Bänden zur Nachahmung empfehlen.
Der Deutsche Taschenbuch Verlag hat seine Reihe auf einem schon gut beackerten Feld ausgesetzt. Die Monographien von rororo sind durchweg umfangreicher in Text und Bibliographie, und sie sind preiswerter. Man darf gespannt sein, ob vier Farben diese Vorteile aufwiegen können. THOMAS WIRTZ
Michaela Diers: "Hildegard von Bingen"; Winfried Freund: "Annette von Droste-Hülshoff"; Jürgen Seidel: "Georg Büchner"; Cord Beintmann: "Theodor Fontane". Alle im Deutschen Taschenbuch Verlag, München 1998. Br., 14,90 DM.
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Durchgehend vierfarbig: Eine neue Reihe mit Biographien bei dtv
Das dringende Bedürfnis nach einer neuen Reihe von "Biographien bedeutender Frauen und Männer aus Geschichte, Literatur, Philosophie, Kunst und Musik" war eigentlich nicht zu spüren. Vielmehr glaubte sich der Leser nach einem Blick ins Bücherregal wohlversorgt. Die vielen Bände der rororo-Bildmonographien - grundsolide und wohltuend unaufgeregt - stillten den kleinen Lesehunger zwischendurch. Einführungen in Werk und Leben aus dem Junius- und Campus-Verlag boten dem Mitdenkenden schon härtere Knacknüsse. Und auch die Sammlung Metzler und die Beck'schen Autorenbücher offerierten nahrhaften Purismus, indem sie auf versüßende Bildbeigaben verzichteten. Damit schien der Markt gesättigt.
"dtv-portrait" hofft nun, mit einem Zauberwort den Appetit neu anregen zu können. Es heißt: "durchgehend vierfarbig". So verspricht es der Umschlag an erster Stelle, bevor er buchstabenlastige Beiläufigkeiten wie Glossar oder Auswahlbibliographie als Empfehlung nachhinken läßt. Angepriesen werden mit diesem Versprechen der Buntheit nicht etwa nur die Abbildungen. Auch der Text kommt farbig daher, wenn zartes Mauve den Werkzitaten unterlegt ist oder ein frisches Steingrau Sätze aus der Sekundärliteratur umspielt. Bunte, allerdings farblich nicht immer darauf abgestimmte Linien trennen diese Zitatflecken vom fortlaufenden Text. Er ist weiterhin schwarz auf hartweißem Grund.
Die vier Auftaktbände über Hildegard von Bingen, Fontane, Büchner und die Droste folgen in ihrem Seitenaufbau dem gleichen Modell. Knapp behauptet der Erzähltext die Blattmitte. Fällt darin der Name einer historischen Person, so erscheint neben dem Text zwangsläufig ihr miniaturisiertes Porträt. Wird sie einer Abbildung nicht für wert befunden, rückt eine Art lexikalischer Kürzestartikel ans Seitenende unter den bunten Strich. Über Friedrich Schlegel etwa erfährt man dort: "Führender Programmatiker und Ästhetiker der Romantik, Mitbegründer der modernen Literaturgeschichtsschreibung". Wer vorher nicht mehr wußte, kann auch darauf verzichten. Allerdings hätte er dann die enzyklopädische Geste verpaßt, mit der sich die Bände augenzwinkernd dem Leser anbieten. Offensichtlich traute man bei dtv dessen historischer Kompetenz nicht so recht, schreckte aber zugleich davor zurück, der bildungsbürgerlichen Besserwisserei bezichtigt zu werden. Am (Seiten-)Ende kommen deshalb solche Halbwahrheiten heraus: Bausteinbiographien, die in ihrer Knappheit schon wieder falsch werden. Lernen kann man aus ihnen allenfalls ihre Entbehrlichkeit.
Auch Zitate aus Werken und Briefen rücken an die Blattperipherie. Zusammen mit den Bildern, den Wort- und Sacherklärungen umschwirren sie das von allen Seiten bedrängte Textzentrum. Der Leser verliert die Zeile, weil Bunteres um seine Aufmerksamkeit wirbt. Die Lebenserzählung kämpft mit diesen optischen Konkurrenten, die sich wie eine Werbepause dazwischenschieben. Sie versprechen Ablenkung von dem, was doch eigentlicher Grund des Kaufs gewesen war. Schöne, aber nicht immer motivierte Bilder durchschießen nun den Lesefluß, der darüber manchmal versiegen will. Das Buch unterbricht unprovoziert die Konzentration auf seinen Gegenstand. Es bereitet seine eigene Abschaffung vor, weil es das Selbstvertrauen verloren hat.
Die Buchseiten erinnern wohl nicht zufällig an Schnappschüsse, die man vom Computerbildschirm abziehen kann. Hyperlink heißt das Verfahren, wo man mit Mausklick für die jeweilige Textstelle Worterklärungen hochruft oder Bilder heranzoomt. Alles befindet sich dort in nur virtueller Bewegung, weil das unendliche Datenangebot auf die Zustimmung des Benutzers warten muß, bevor es sich ihm in den Blick stellen darf. Es reizt mit seiner schieren Möglichkeit. "dtv-portrait" simuliert diese interaktive Spielwelt, ohne die Differenz zwischen Computer und Buch grundsätzlich zu bedenken. Wo der Computer trivial sein darf, weil seine Erklärungen mit einem Klick verschwinden, muß eine Buchseite gelten wollen. Vielfalt schlägt ihr leicht zur Beliebigkeit um. Wenn eine Biographie ohne diese Zitate aus Werk und Brief nicht auskommen kann, sollte sie sich auch erzählend zu ihnen bekennen. Sie muß ihnen einen buchstäblichen Ort geben, nicht aber in buntmarkierte Bereiche des schlechten Gewissens abdrängen.
Daß der Lektor seine Verantwortung mit dem Graphiker teilen mußte, hat seine Aufmerksamkeit gelegentlich getrübt. Da kann es schon einmal "selbronisch" heißen, wo "selbstironisch" gemeint ist. Auch Lazarus, ein Briefpartner Fontanes, darf einmal unter dem Vornamen "Max", dann "Moritz" auftreten, bis es am Ende im Register auch mit ihm ein schlimmes Ende nimmt. Dort entscheidet man sich für "Max" - und damit leider falsch. Und nicht ganz unkomisch ist es, wenn die Restauration nach dem Wiener Kongreß die Opposition "radikal ersticken" will, als gönnte sie dem Gegner nicht einmal dieses kleine Wort. Unangenehmer ist freilich, daß Büchners Biograph vom Duzen nicht lassen will und seinen Helden als "Georg" ins Grab schickt, als sei er dessen rebellischer Blutsbruder im Geiste. Das wirkt zu angestrengt salopp, um gut erzählt zu sein.
Einig sind sich alle vier Biographen darin, endlich den Frauen Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Dies könnte zum heimlichen Motto (aber auch schon guten Grund?) dieser Reihe werden - wenn sich dem nur etwas Theorie beigesellt hätte. Natürlich erleidet die Droste den patriarchalen Katholizismus, sympathisiert Fontane mit seiner Effi. Aber reicht das eine, aus Gut und Böse gedrehte Erzählfädchen "Emanzipation", um daraus ein berühmtes Leben zu stricken? Michaela Diers zeigt, wie dem Thema mehr abzugewinnen ist, wenn man es schwieriger macht. Ihr Hildegard-Porträt liest man deshalb mit Gewinn, auch weil es als einziges nicht auf den Zitatnachweis verzichtet. Dies mag man den kommenden Bänden zur Nachahmung empfehlen.
Der Deutsche Taschenbuch Verlag hat seine Reihe auf einem schon gut beackerten Feld ausgesetzt. Die Monographien von rororo sind durchweg umfangreicher in Text und Bibliographie, und sie sind preiswerter. Man darf gespannt sein, ob vier Farben diese Vorteile aufwiegen können. THOMAS WIRTZ
Michaela Diers: "Hildegard von Bingen"; Winfried Freund: "Annette von Droste-Hülshoff"; Jürgen Seidel: "Georg Büchner"; Cord Beintmann: "Theodor Fontane". Alle im Deutschen Taschenbuch Verlag, München 1998. Br., 14,90 DM.
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