Die Historiographie des jüdischen Theaters steht erst am Anfang. Am Beispiel Berlins - neben Wien am Beginn des 20. Jahrhunderts die wichtigste Drehscheibe zwischen Ost und West - sollen die unterschiedlichen sozialen, künstlerischen und rezeptionshistorischen Kontexte aufgezeigt werden, in denen jüdisches Theater - hebräisch-, jiddisch- und deutschsprachig - seinen Platz fand. So entwickelte sich in Berlin jenseits des großstädtischen Theaterbetriebes eine jiddischsprachige Theaterkultur, die im Lichte bildungsbürgerlicher Vorurteile, kulturzionistischer Theorien oder der Tourneen der Wilnaer Truppe unterschiedliche Rezeptionen erfuhr. Heterogene Erscheinungsformen wie das wilhelminisch geprägte Theater der Herrnfelds oder das jiddische Operettentheater der Zwanziger Jahre stehen neben ästhetisch ambitionierten Projekten wie Menachem Gnessins Palästinensischem Theater oder dem Projekt eines deutsch-jüdischen Theaters.