Noch mehr Streifen (-Bilder)Die Streifenbilder von Barnett Newman, Kenneth Noland, Bridget Riley, Gerhard Richter, Frank Stella und Daniel Buren sind längst Legende. Da wirkt es kokett, wenn heute ein doch recht erfolgreicher, aber immer noch junger Künstlerkollege hergeht und den alten Wein in neue Schläuche füllen will. Aber macht er das überhaupt? Der exzellente kleine Band, der einen guten Einblick in diese sehr bekannt gewordene Werkgruppe von Anselm Reyle gibt, macht in seiner aufwendigen Herstellungsweise mit siebenfarbigem Druck eindeutig klar, dass hier Streifen nicht gleich Streifen sind und das Neue zwar mit dem Alten verbunden bleibt, aber diesem dann doch wieder etwas ganz Neues hinzufügt. Und dieses Neue besteht nicht nur in der besonderen Farbigkeit der Streifenbilder von Anselm Reyle. Geht es doch zunächst und wie immer in der Malerei seit Beginn des 20. Jahrhunderts um eine Haltung - oder in Carl Andrés Worten: »Frank Stellas Malerei ist nicht symbolisch. Seine Streifen sind die Wege des Pinsels auf der Leinwand. Diese Wege führen allein in die Malerei.« Nicht viel anders sieht das auch Anselm Reyle und fügt zu Carl Andrés Statement ergänzend hinzu: »... ob das jetzt Folie ist, die ich im Schaufenster gefunden habe, oder Fundstücke der neueren Kunstgeschichte, wie z. B. Streifenbilder«. Dabei verwendet Reyle die (gefundenen) Materialien stets wie Forschungsmedien: Warum empfinden wir bestimmte Farb- und Materialkombinationen als harmonisch, andere wiederum als drastisch? Warum übt eine Farb-Material-Kombination einen Reiz aus, eine andere nicht? Inwieweit sind diese Urteile kulturell geprägt? Wie lassen sich Prägungen revidieren? In Anselm Reyles Zuspitzungen ist formal das Readymade am Werk, dessen Sprache aus Eins-zu-eins-Übernahmen, Vergrößerungen oder Material- und Farbzitaten besteht und das der Künstler als Teil der Warenwelt sieht, die er dementsprechend selbst als gigantisches Readymadeessemble auffasst. Unbestritten liegt die besondere Leistung bei diesen Bildern in ihrer permanenten drastischen Transformation, die, indem sie der Zeitgenossenschaft verpflichtet bleibt, direkt auf die Zeitlosigkeit zusteuert.Ausstellung:CFA Contemporary Fine Arts Berlin, 1/10-14/11/2015
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