Flussläufe, Wellen, Meeresküsten - seit seinen Anfängen ist das Wasser ein immer wiederkehrendes Motiv in Elger Essers photographischen Landschaften und Veduten. Für seine jüngste Serie hat der 1967 geborene Becher-Schüler auf seine umfangreiche Sammlung alter Postkarten aus der Zeit um 1900 zurückgegriffen: kolorierte Ansichten von Stränden mit Badenden und Booten, Felsen, Gischt und Schaumkronen. Digital bearbeitet und um ein Vielfaches ihres Originalformats vergrößert, entstanden faszinierende neue Bilder, grobkörnige"Seestücke"in matter, verfremdeter Farbigkeit, die vergangene Zeiten und die ihnen eingeschriebenen Erinnerungen an Ferien am Meer beschwören. Esser evoziert hier eine fast altmeisterliche Ästhetik - Bilder des französischen Impressionismus und Pointillismus scheinen auf - mit den Mitteln hochmoderner Technologie und erweist sich in dieser Zusammenführung zweier Welten als romantischer Avantgardist unserer Tage. Seine Hymnen an das Leben sind ein stillerProtest gegen das allmähliche Verschwinden der Natur aus unserem Denken und unserem Alltag. Alexander Pühringer, Herausgeber des österreichischen Kunstmagazins Frame, betrachtet Essers Tableaus in seinem einführenden Essay unter dem Aspekt der klassischen Entdeckungsreisen und der im 19. Jahrhundert beliebten Grand Tour-Erlebnisse.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.2009Ein Meer aus Punkten
Fünfundzwanzigtausend Ansichtskarten hat der Künstler Elger Esser für seine Sammlung zusammengetragen - und alle zeigen das Gleiche: Wasser; genauer das Meer an Frankreichs Küste. Es sind Bilder aus der Zeit um 1900, handkolorierte Darstellungen, deren Moment von Künstlichkeit wohl schon damals von den Urlaubern der Badeorte als ästhetische Raffinesse verstanden wurde. Esser aber, selbst Fotograf großartiger Landschaften und Seestücke, hat in den Bildern etwas noch Größeres gesehen, buchstäblich, und hat nun die Postkarten oder sogar winzige Details der Motive in metergroße Formate übertragen. Unscharf bis an Grenze des Erkennbaren und grobkörnig wie die Gemälde des Pointillismus, sind seine Arbeiten nicht länger Darstellungen einer Region, sondern Interpretationen des Meeres, mal ruhig, mal furchteinflößend mächtig. In einem Bildband sind die Übertragungen versammelt, kleiner, aber noch immer beeindruckend. (F.L.)
"Ansichten - Views - Vues" von Elger Esser. Schirmer / Mosel Verlag, München 2008. 96 Seiten, 37 Abbildungen. Gebunden, 49,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fünfundzwanzigtausend Ansichtskarten hat der Künstler Elger Esser für seine Sammlung zusammengetragen - und alle zeigen das Gleiche: Wasser; genauer das Meer an Frankreichs Küste. Es sind Bilder aus der Zeit um 1900, handkolorierte Darstellungen, deren Moment von Künstlichkeit wohl schon damals von den Urlaubern der Badeorte als ästhetische Raffinesse verstanden wurde. Esser aber, selbst Fotograf großartiger Landschaften und Seestücke, hat in den Bildern etwas noch Größeres gesehen, buchstäblich, und hat nun die Postkarten oder sogar winzige Details der Motive in metergroße Formate übertragen. Unscharf bis an Grenze des Erkennbaren und grobkörnig wie die Gemälde des Pointillismus, sind seine Arbeiten nicht länger Darstellungen einer Region, sondern Interpretationen des Meeres, mal ruhig, mal furchteinflößend mächtig. In einem Bildband sind die Übertragungen versammelt, kleiner, aber noch immer beeindruckend. (F.L.)
"Ansichten - Views - Vues" von Elger Esser. Schirmer / Mosel Verlag, München 2008. 96 Seiten, 37 Abbildungen. Gebunden, 49,80 Euro.
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