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Nicht nur Ökonomie und Märkte bestimmen den Menschen und sein Verhalten, auch Kultur, Politik, Religion und seine Herkunft prägen ihn. Gerechtigkeit, Gemeinwohl, Menschenwürde müssen zentrale Anliegen der Wirtschaftsethik sein. Was das bedeutet und wie sich dieses neue Denken in konkreten Problemfällen bewährt, zeigt Nils Ole Oermann.

Produktbeschreibung
Nicht nur Ökonomie und Märkte bestimmen den Menschen und sein Verhalten, auch Kultur, Politik, Religion und seine Herkunft prägen ihn. Gerechtigkeit, Gemeinwohl, Menschenwürde müssen zentrale Anliegen der Wirtschaftsethik sein. Was das bedeutet und wie sich dieses neue Denken in konkreten Problemfällen bewährt, zeigt Nils Ole Oermann.
Autorenporträt
Prof. Dr. Dr. Nils Ole Oermann, geb. 1973, ist Direktor des Instituts für Ethik und Transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung an der Leuphana Universität Lüneburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.02.2015

Anständig Geld verdienen?
Ein empfehlenswertes Lehrbuch zur Wirtschaftsethik

Mit per Gesetz herbeigeführten Regeln für gute Unternehmensführung sind wir in Deutschland schon relativ weit vor- und tief in die unternehmerische Verantwortungssphäre eingedrungen. Aber haben wir auf diese Weise wirklich schon werthaltige Antworten auf die Frage gefunden, was in der globalen Wirtschaftswelt von heute "anständig Geld verdienen" heißt oder faires oder nachhaltiges Wirtschaften? Compliance ist inzwischen auch in mittelständischen Unternehmen zum Hauptwort geworden. Aber es beschäftigt derzeit vor allem die Rechtsanwaltschaften und kaum jene, die den damit angedeuteten ethischen Fragestellungen auf den Grund zu gehen versuchen.

Nils Ole Oermann, der in Lüneburg und St. Gallen Ethik lehrt, unternimmt genau dies. Und ihm ist mit seiner Schrift eine anschauliche und wohl auch ziemlich umfassende, also insgesamt eindrückliche Darstellung heutiger wirtschaftsethischer Grundfragen und Grundlagen gelungen. Und weil er dies nicht im Abstrakten belässt, sondern in anschaulichen Fallbeispielen konkretisiert, ist ein Lehrbuch in des Wortes wahrem Sinn daraus geworden. Will sagen: Auch für Praktiker ist die Lektüre sehr empfehlenswert.

Natürlich fordert eine solchermaßen gründliche Darstellung auch Kritik heraus, und sei es vom Standpunkt eines hoffentlich noch nicht historischen sozialliberalen Verständnisses unserer Wirtschafts- und Staatsordnung. Aus dieser Sicht bewegen wir uns jedenfalls derzeit in Deutschland wie in Europa auf einer etatistischen Woge, die sich in einer immer stärker werdenden Neigung der Politik zur Regulierung niederschlägt.

Das aktuell krasseste Beispiel ist hierzulande der gerade in der Umsetzungsphase befindliche flächendeckende gesetzliche Mindestlohn, den Oermann in einem durchaus zustimmenden Sinn behandelt. Was man sich dazu allerdings wünschte, ist eine Abwägung, ob dieser gesetzgeberische Eingriff in die Hoheit und Freiheit der Tarifparteien überhaupt der Sache angemessen und notwendig war und ist. Immerhin galt politisch bisher in Deutschland als eiserne Regel - übrigens auch als von den Gewerkschaften, jedenfalls in ihrer Mehrheit bis vor wenigen Jahren akzeptierte Regel -, dass die Politik in der Lohnfindung nichts zu suchen habe.

Dieser Grundsatz hat sich in Deutschland in einer international unvergleichlichen Weise bewährt, wie sich zuletzt im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts zeigte, als die Tarifparteien - in Gänze betrachtet - durch eine überaus moderate Tarifpolitik maßgeblich dazu beitrugen, dass die deutsche Wirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit, die verlorenzugehen drohte, wieder erlangen konnte. Ist es also angemessen und gerechtfertigt, diesen Grundsatz nunmehr mit nur schwer abschätzbaren Konsequenzen für die Tariffreiheit in Deutschland zu kippen? Zweifel sind angebracht. Es stimmt, dass gerade der Niedriglohnsektor in Deutschland heute einen sehr niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad aufweist. Aber rechtfertigt das den Ruf nach dem Gesetzgeber?

Diese allgemeine Wahrnehmung ist kaum von der Hand zu weisen: Wo auch immer hierzulande sich wer auch immer wodurch auch immer belastet oder herausgefordert fühlt, ertönt der Ruf nach dem Gesetzgeber. Und der steht nur allzu gern bereit. Doch diese Entwicklung geht Schritt für Schritt zu Lasten des Subsidiaritätsprinzips, also eines Tragpfeilers verantworteter Freiheit. Das mag im Gefolge der globalen Finanz- und der europäischen Währungskrise nicht überraschen. Aber umso mehr wünscht man sich Antworten, die wirtschaftsethisch fundiert und damit tragfähiger sein sollten als eine aus dem Moment geborene Gesetzgebung, so sie überhaupt zustande kommt. Oermann hat dazu eine vielversprechende Vorlage geliefert.

WOLFGANG CLEMENT

Nils Ole Oermann, Wirtschaftsethik. Vom freien Markt bis zur Share Economy, Verlag C.H. Beck, München 2015. 127 Seiten. 8,95 Euro

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