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Antiamerikanismus hat im modernen Deutschland eine lange, wenn auch keineswegs bruchlose Tradition. Das durchaus ambivalente Verhältnis zu Amerika erfüllt in sehr unterschiedlicher Weise eine wichtige Funktion bei der Frage nach der eigenen deutschen Identität. Schwaabe verknüpft in seiner Untersuchung diese beiden Dimensionen als zwei Seiten derselben Medaille: Die deutschen Amerikabilder sind Spiegelungen des eigenen Selbstbildes. Dabei markiert das Jahr 1945 eine fundamentale Wende. Der Antiamerikanismus vor 1945, zumal in Weimar, war ein rechter, radikal antiwestlicher. Nach 1945, mit dem…mehr

Produktbeschreibung
Antiamerikanismus hat im modernen Deutschland eine lange, wenn auch keineswegs bruchlose Tradition. Das durchaus ambivalente Verhältnis zu Amerika erfüllt in sehr unterschiedlicher Weise eine wichtige Funktion bei der Frage nach der eigenen deutschen Identität. Schwaabe verknüpft in seiner Untersuchung diese beiden Dimensionen als zwei Seiten derselben Medaille: Die deutschen Amerikabilder sind Spiegelungen des eigenen Selbstbildes. Dabei markiert das Jahr 1945 eine fundamentale Wende. Der Antiamerikanismus vor 1945, zumal in Weimar, war ein rechter, radikal antiwestlicher. Nach 1945, mit dem apokalyptischen Scheitern des deutschen Gegenentwurfs eines martialischen Heldentums, wird Amerika in vielerlei Hinsicht zum Katalysator der bundesdeutschen Verwestlichung. Neben der lebensweltlichen "Amerikanisierung" kommt es spätestens mit 1968 und dem Vietnamkrieg zu einem neuen, nun "linken" Antiamerikanismus. Jetzt stehen die USA, in bemerkenswerter Verkehrung der alten Rollen, für Militarismus und Imperialismus. Sie stehen damit auch für die eigene deutsche Vergangenheit, von der sich die zivilen, postheroischen Bundesbürger gründlich gelöst haben. Aus dem Inhalt A. "Heroische Verweigerung" gegen das westliche "Händlertum". Antiamerikanismus und deutsche Selbstbilder 1871 bis 1945 Kulturkritische Erfindung Amerikas als Nebenprodukt der Modernitätskrise Kulturkämpferisches Heldentum: Die "Ideen von 1914" Martialische "Verfinsterung": Der "Mythos von 1914" Antiwestlicher Groll und Weimarer Amerikanisierung Verlockungen des politischen Existentialismus Die glückliche "Volksgemeinschaft" und die Apokalypse des deutschen Heldentums B. Verwestlichter Pro- und Antiamerikanismus. Bundesdeutsche Befindlichkeiten Die Stunde Null: Incipit America ... Tektonische Entspannung: Westbindung einer entschärften Rechten Amerikanisierung oder Verwestlichung? Zivilisierte Helden, Amerika-freundliche Biedermänner: James Dean und Konrad Adenauer 1968: Antiamerikanische Verwestlichung Zivile Wende 1 - US-Imperialismus und deutsche Vergangenheit Zivile Wende 2 - Die harmlose deutsche Provinz 1989/90: Ende der Absence und neue Heimatlosigkeiten Außenpolitische Zumutungen und zivile Reaktionen
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Fragwürdige Etikettierung
Verwechslung von Antiamerikanismus und Amerika-Kritik

Christian Schwaabe: Antiamerikanismus - Wandlungen eines Feindbilds. Wilhelm Fink Verlag, München 2003. 228 Seiten, 19,90 [Euro].

"Antiamerikanismus" ist heute ein politischer Kampfbegriff - eine wohlfeile Etikettierung, um Kritik an den Vereinigten Staaten und an der "Amerikanisierung" zu diskreditieren. Bedauernswert derjenige, den die Keule des Antiamerikanismus-Vorwurfs trifft. So beeilen sich denn auch die Kritiker an der amerikanischen Politik und an der "Amerikanisierung", der political correctness Tribut zu zollen und vorsorglich zu versichern, sie seien frei von Antiamerikanismus.

Wie soll man sich in diesem semantischen Gestrüpp zurechtfinden? Wo verläuft die Grenzlinie zwischen legitimer Amerika-Kritik und "Antiamerikanismus"? Christian Schwaabe stellt diese Frage leider erst am Ende seines Buches. Und seine Antwort gibt er punktuell anhand der aktuellen Auseinandersetzung mit der Politik der Regierung Bush: Wenn ein Begriff wie Antiamerikanismus "überhaupt Sinn mache", dann dürfe "eine Haltung durchaus antiamerikanisch oder doch wenigstens latent antiamerikanisch genannt werden, wenn der Betreffende die amerikanische Kriegsbereitschaft samt pathetischem Vokabular für verwerflich und zugleich für typisch amerikanisch hält". Daß damit für die Langzeitanalyse wenig an begrifflicher Klarheit gewonnen ist, liegt auf der Hand. Und das ist die Schwäche des vorliegenden Buches.

Dem Autor geht es eigentlich gar nicht in erster Linie um Antiamerikanismus, sondern um die Bedeutung der Amerika-Bilder im Prozeß der deutschen Selbstvergewisserung - auf dem "langen Weg nach Westen" (Heinrich August Winkler). Im ersten Teil des Buches wird die "heroische Verweigerung gegen das westliche Händlertum" vom Kaiserreich bis zum Ende des "Dritten Reiches" nachgezeichnet, im zweiten Teil der "verwestlichte Pro- und Antiamerikanismus" in der Bundesrepublik. Im Kaiserreich und in der Weimarer Republik steht Amerikanisierung für Modernisierung und Verwestlichung; der "Antiamerikanismus" ist die Gegenbewegung, weil Amerika wie kein anderes westliches Land die Moderne verkörpert. Die Selbstvergewisserung der deutschen Identität erfolgt durch Entgegensetzung, deutsche Kultur gegen westliche Zivilisation. "Der deutsche Antiamerikanismus entsteht als Nebenprodukt einer Modernitätskrise."

Amerika erweist sich wirtschaftlich und militärisch als die bestimmende Macht, gegen die der deutsche Heroismus und die "Ideen von 1914" nichts ausrichten können. In den zwanziger Jahren ist die Ambivalenz von Anziehung und Abstoßung, die die partielle Aneignung auf technologischem und wirtschaftlichem Gebiet erlaubt, charakteristisch. Auch noch während des "Dritten Reiches" ist diese Ambivalenz zu beobachten, ungeachtet des prinzipiellen Feindbilds.

Schwaabe sieht zwei große Zäsuren und Wenden - 1945 und 1968. Mit der totalen Niederlage von 1945 werden der Mythos von 1914 und der deutsche Heroismus endgültig entzaubert. "Der deutsche Landser wird vom GI widerlegt." Die politische und kulturelle Identifizierung mit dem Westen und der westlichen Führungsmacht ist zugleich das Ende des "alten" Antiamerikanismus. Demokratisierung, Verwestlichung und "Amerikanisierung von unten" (durch die Attraktivität des "American way of life") einerseits und antikommunistische Frontstellung mit den Vereinigten Staaten andererseits entziehen dem "rechten" Antiamerikanismus den Boden.

Die zweite Wende, die Schwaabe diagnostiziert, ist die Reaktion der zivil und unheroisch gewordenen Deutschen auf die militärische Machtentfaltung der Vereinigten Staaten. Seit dem Vietnam-Krieg wandelt sich das Amerika-Bild, und ein "Rollentausch" findet statt. Die Vereinigten Staaten bekleiden "nach und nach und mittlerweile unangefochten die Rolle der kriegerischen, imperialistischen Großmacht, die überall in der Welt mit einem aus Sicht der zivilen Deutschen unerträglichen heldischen Pathos auftrumpfen . . . In der Kritik am amerikanischen Militarismus verabschiedet man rituell den der eigenen Väter und Großväter." Parallel zur deutschen Verwestlichung sei unter Berufung auf westliche, zivile Werte ein neuer linker Antiamerikanismus entstanden.

Bedenkt man die eingangs angedeutete semantische, definitorische Problematik, so wird man freilich diese These, so griffig sie auch erscheinen mag, mit einiger Vorsicht zur Kenntnis nehmen. Da das, was als "neuer Antiamerikanismus" bezeichnet wird, nicht mehr als Ablehnung des "Westens" oder der Modernisierung zu interpretieren ist, wird die Etikettierung fragwürdig. Schwaabe meint selbst, daß schon der Antiamerikanismus der Achtundsechziger zumindest in gewisser Beziehung ein Mißverständnis war, weil die Achtundsechziger-Bewegung (abgesehen von ihrem Antikapitalismus) sich aus verinnerlichten amerikanischen Werten speiste.

Ist ein solches "Mißverständnis" nicht auch heute zu konstatieren? Könnte es sein, daß hier wie dort eine Verwechslung von Antiamerikanismus und Amerika-Kritik stattfindet? Und daß es nicht die betreffenden politischen Gruppierungen sind, die diese Verwechslung vornehmen und dem besagten "Mißverständnis" erliegen, sondern deren Interpreten? Indes, auch wenn man sich nicht alle Interpretationen dieses Buches zu eigen macht, wird man anerkennend resümieren können, daß Schwaabe - gestützt auf eine breite Literatur - die Wandlung der deutschen Amerika-Bilder diskussionsanregend beschrieben und gedeutet hat. Die Diskussion wird weitergehen, weil sich sowohl Deutschland als auch Amerika wandeln.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Werner Fink ist skeptisch: Wenn der Antiamerikanismus, historisch gesehen, eine Reaktion gegen Moderne und "Verwestlichung" war, wie passt dann die Amerikafeindlichkeit der Linken in dieselbe Kategorie? Denn so lautet eine These von Christian Schwaabe: rechter Antiamerikanismus seit dem Kaiserreich, linker seit 1968, unterbrochen nach 1945 von einer Phase des positiven deutschen Amerikabildes. Leider ist damit, so Fink, "wenig an begrifflicher Klarheit gewonnen" - die Begriffskeule, mit der sich gegenwärtig so harte Schläge austeilen lassen, bleibe auch am Ende der Lektüre intakt. Aber immerhin, beeilt sich der Rezensent hinzuzufügen: eine anregende Geschichte sich wandelnder Amerika-Bilder im deutschen Bewusstsein habe Schwaabe dennoch geschrieben.

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