Der multiperspektivisch angelegte Band beschäftigt sich mit alternativen Sinnkonzepten in der Frühen Neuzeit.
Die Autoren untersuchen konkrete Bedeutungs- und Rezeptionszusammenhänge und fragen nach individuellen Aneignungen und Umdeutungen.
Aus kulturhistorischer Perspektive war für die Frühe Neuzeit nicht allein die Herausbildung der Konfessionen charakteristisch, sondern ebenso ein auffälliges Interesse an alternativen Sinnkonzepten wie antiken Weisheitslehren und naturmagischen Praktiken, die uns heute oft mit kirchlichen Glaubensvorstellungen unvereinbar erscheinen mögen. Eine Schlüsselrolle kam dabei dem Hermetismus zu, der Rezeptions- und Aneignungsgeschichte spätantiker religions- und naturphilosophischer Lehren und Praktiken, deren zentrale Grundlage das so genannte Corpus Hermeticum bildete.Den Autoren und Autorinnen dieses Bandes geht es vor allem um konkrete Erscheinungsformen des Hermetismus. Sie untersuchen charakteristische Bedeutungs- und Rezeptionszusammenhänge sowie individuelle Aneignungen und Umdeutungen hermetischer Vorstellungen von der Mitte des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Als gemeinsames Resultat erscheint der Hermetismus in seiner spezifischen Verknüpfung von Glauben und Wissen alseine zentrale Schnittstelle frühneuzeitlicher Sinngebungen und Wissensbildung.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Die Autoren untersuchen konkrete Bedeutungs- und Rezeptionszusammenhänge und fragen nach individuellen Aneignungen und Umdeutungen.
Aus kulturhistorischer Perspektive war für die Frühe Neuzeit nicht allein die Herausbildung der Konfessionen charakteristisch, sondern ebenso ein auffälliges Interesse an alternativen Sinnkonzepten wie antiken Weisheitslehren und naturmagischen Praktiken, die uns heute oft mit kirchlichen Glaubensvorstellungen unvereinbar erscheinen mögen. Eine Schlüsselrolle kam dabei dem Hermetismus zu, der Rezeptions- und Aneignungsgeschichte spätantiker religions- und naturphilosophischer Lehren und Praktiken, deren zentrale Grundlage das so genannte Corpus Hermeticum bildete.Den Autoren und Autorinnen dieses Bandes geht es vor allem um konkrete Erscheinungsformen des Hermetismus. Sie untersuchen charakteristische Bedeutungs- und Rezeptionszusammenhänge sowie individuelle Aneignungen und Umdeutungen hermetischer Vorstellungen von der Mitte des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Als gemeinsames Resultat erscheint der Hermetismus in seiner spezifischen Verknüpfung von Glauben und Wissen alseine zentrale Schnittstelle frühneuzeitlicher Sinngebungen und Wissensbildung.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.04.2002Der Dreimalgrößte
Konkurrent der Vernunft: Der Hermetismus in der Frühen Neuzeit
Unsere Großväter stellten sich die intellektuelle Entwicklung Europas, grob gesprochen, folgendermaßen vor: Im Mittelalter herrschte der Aristotelismus. Dieser wurde abgelöst vom Renaissanceplatonismus, dem der Bezug zur Naturforschung fehlte. Daher bedeutete Descartes den Durchbruch zur neueren Philosophie und Physik. Nur dass Descartes noch mit einem Bein in der alten Metaphysik stand. Erst Kant, meinte man, habe diesen Rest ausgeräumt und damit die richtige Theorie der Erkenntnis, die einzig anständige Ethik und die konsequent-empirische Naturforschung begründet.
Dieses Bild, das bis heute nachwirkt, war so einseitig, dass man es falsch nennen kann. Es wies arge Lücken auf. Zum Beispiel erwähnte es die erfolgreichste Philosophie nicht, die es in Europa gegeben hat, die der Stoa. Es beruhte auf dem Gegensatz zwischen Naturforschung und Spekulation, zwischen Religion und Wissen, zwischen Aberglauben und Vernunftfortschritt. Diesen Widerstreit hat es tatsächlich gegeben, nämlich im 19. und 20. Jahrhundert, aber es fragt sich, ob er in früheren Zeiten ebenso bestanden hat. In dem konventionell gewordenen Bild traten Astrologie und Alchimie nur als Hindernisse der wirklichen Naturforschung auf. Sie galten als archaische Reste, die dem sicheren Wissen entgegenstanden.
Unsympathische Gefolgschaft
Zu diesen Überbleibseln gehörte auch, so schien es, der Hermetismus. Diese Strömung, die sich auf Hermes den Dreimalgrößten, Hermes Trismegistus berief, galt, so sie überhaupt wahrgenommen wurde, als ein Konglomerat von spätantiken Weisheitslehren im altägyptischen Kostüm, das die moderne Entzauberung der Welt nur aufgehalten habe. Bei einigen frühneuzeitlichen Denkern war sie nicht zu übersehen, zum Beispiel bei Paracelsus oder Jakob Böhme, aber die nannte man dafür auch „Irrationalisten”, um die sich eine unsympathische Gefolgschaft scharte: Esoteriker und Geisterseher, Naturanbeter, Blut-und- Boden-Denker.
Doch dann, rund hundert Jahre ist das her, hatte Aby Warburg eine folgenreiche Entdeckung gemacht. Er fand, dass Meisterwerke der Renaissancemalerei voller astrologischer Motive stecken. Das war ein Schock, denn soeben hatte man beim frühen Jakob Burckhardt gelernt, erst die Renaissance habe den träumerischen Wahn der mittelalterlichen Weltsicht überwunden, erst seitdem habe man den wirklichen Menschen und die tatsächliche Natur entdeckt. Wie passte das zusammen mit der Herrschaft der Astrologie? Warburgs Entdeckung störte die herrschenden Vorstellungen von „Moderne”, von Rationalisierungsschüben und Wissensfortschritt; sie wurde jahrzehntelang verdrängt.
Unsere großen jüdischen Emigranten wie Panofsky und Klibansky haben sie nach Amerika exportiert; jetzt kehrt sie mit der Verspätung, die für die Bundesbahn und die deutsche Geisteswissenschaft neuerdings charakteristisch ist, in ihr Ursprungsland zurück. Gegenwärtig herrscht der Trend, Vernunft und Wissenschaft aus Aberglaube und Apokalyptik abzuleiten. Die Selbstzweifel derer, die aus der „Zweiten Aufklärung” beschädigt hervorgegangen sind, inspiriert die Historiker; so versammelten sich Ende Oktober 1999 im Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte eine Reihe von Spezialisten, um den Hermetismus zu definieren und zu rehabilitieren. Die Akten dieser Tagung sind soeben erschienen; sie laufen darauf hinaus, den Ausdruck „Hermetismus” mit historischer Anschauung zu füllen, ihn nicht nach dem abstrakten Maßstab eines philosophischen Systems zu beurteilen, sondern seine konkrete Funktion im Wissen des 16. und 17. Jahrhunderts zu studieren.
Dabei zeigt sich: Die astrologisch orientierte Medizin und die Alchimie haben eine konkrete Kritik der aristotelischen Schulwissenschaft erbracht; sie haben eine vernetzte Forschergemeinschaft quer durch die konfessionellen Lager beschäftigt; sie verließen die akademischen Spekulationen über Form und Stoff und wiesen stattdessen den Weg in die Laboratorien. Sie wurden kritisiert und verfolgt, aber sie fanden auch fürstliche Förderer, die hofften, ihre traditionelle Finanznot mit dem Gold der Alchimisten zu beenden. Die Suche nach dem Stein der Weisen verband sich mit Spekulationen über die Einheit des Universums. Dem biblischen Fundamentalismus stellte sie das alte Programm der Erkennbarkeit Gottes aus der Natur entgegen und hat auch insofern die Forschung gefördert. Sie berief sich auf Pythagoras und thematisierte damit die mathematische Struktur der Welt. Sie war also längst nicht so retardierend und obskurantistisch, wie man lange gemeint hat.
Die achtzehn Beiträge des Sammelbandes sind alle von hoher Qualität; es wäre ungerecht, einzelne Studien besonders auszuzeichnen. Auf jeden Fall war es sinnvoll, die Beiträge von Wilhelm Kühlmann und Thomas Leinkauf an den Anfang zu stellen: Kühlmann erörtert in gelungener Verbindung die wissenschaftstheoretische und die soziale Funktion von Paracelsismus und Hermetismus in Deutschland. Thomas Leinkauf klärt historisch und begrifflich, was unter „Hermetismus” genauer zu verstehen sei. Viel Neues zu lernen gibt der Beitrag von David Yearsley über Alchemie und Musiktheorie im Zeitalter der Vernunft. Martin Mulsow liefert einen etwas zu lang geratenen Beitrag über Debatten zwischen Pythagoreern und Wolffianern im Deutschland des 18. Jahrhunderts.
Den Göttingern wird man es nachsehen: Geographisch gesehen steht das protestantische Deutschland, wie in der deutschen Geschichtswissenschaft üblich, immer noch zu sehr im Vordergrund des Interesses. Ein Gelehrter wie Wilhelm Kühlmann kennt natürlich mittelalterliche Autoren wie Arnald von Villanova, Lull und Bernardus Trevisanus; aber die Tagungsregie setzt voraus, 1517 sei die Welt neu geschaffen worden. Das gegenreformatorische Rom ist nur mit dem deutschen Athanasius Kircher aus Geisa bei Bad Salzungen vertreten; Campanellas Leidenschaft für Magie, Astrologie und eine neue Naturwissenschaft kommt nicht vor; immerhin schreibt Kaspar von Greyerz (der im Verzeichnis der Autoren leider fehlt) einen Beitrag zu Physik, Endzeiterwartungen und Alchemie in England. Die neuere italienische Forschung, die schon seit den sechziger Jahren die Warburg-Impulse aufgenommen und weitergeführt hat (Eugenio Garin, Paolo Rossi, Paula Zambelli), ist nur mit einem einzigen Verweis auf Paolo Rossi berücksichtigt. Trotz dieser traditionellen Grenzen ist der Band innovativ und erfreulich. Wer sich für die Geschichte der Vernunft interessiert, wird ihn gern lesen.
KURT FLASCH
ANNE-CHARLOTT TREPP, HARTMUT LEHMANN (Hg.),Antike Weisheit und kulturelle Praxis. Hermetismus in der Frühen Neuzeit. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 2001. 475 S., 49 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Konkurrent der Vernunft: Der Hermetismus in der Frühen Neuzeit
Unsere Großväter stellten sich die intellektuelle Entwicklung Europas, grob gesprochen, folgendermaßen vor: Im Mittelalter herrschte der Aristotelismus. Dieser wurde abgelöst vom Renaissanceplatonismus, dem der Bezug zur Naturforschung fehlte. Daher bedeutete Descartes den Durchbruch zur neueren Philosophie und Physik. Nur dass Descartes noch mit einem Bein in der alten Metaphysik stand. Erst Kant, meinte man, habe diesen Rest ausgeräumt und damit die richtige Theorie der Erkenntnis, die einzig anständige Ethik und die konsequent-empirische Naturforschung begründet.
Dieses Bild, das bis heute nachwirkt, war so einseitig, dass man es falsch nennen kann. Es wies arge Lücken auf. Zum Beispiel erwähnte es die erfolgreichste Philosophie nicht, die es in Europa gegeben hat, die der Stoa. Es beruhte auf dem Gegensatz zwischen Naturforschung und Spekulation, zwischen Religion und Wissen, zwischen Aberglauben und Vernunftfortschritt. Diesen Widerstreit hat es tatsächlich gegeben, nämlich im 19. und 20. Jahrhundert, aber es fragt sich, ob er in früheren Zeiten ebenso bestanden hat. In dem konventionell gewordenen Bild traten Astrologie und Alchimie nur als Hindernisse der wirklichen Naturforschung auf. Sie galten als archaische Reste, die dem sicheren Wissen entgegenstanden.
Unsympathische Gefolgschaft
Zu diesen Überbleibseln gehörte auch, so schien es, der Hermetismus. Diese Strömung, die sich auf Hermes den Dreimalgrößten, Hermes Trismegistus berief, galt, so sie überhaupt wahrgenommen wurde, als ein Konglomerat von spätantiken Weisheitslehren im altägyptischen Kostüm, das die moderne Entzauberung der Welt nur aufgehalten habe. Bei einigen frühneuzeitlichen Denkern war sie nicht zu übersehen, zum Beispiel bei Paracelsus oder Jakob Böhme, aber die nannte man dafür auch „Irrationalisten”, um die sich eine unsympathische Gefolgschaft scharte: Esoteriker und Geisterseher, Naturanbeter, Blut-und- Boden-Denker.
Doch dann, rund hundert Jahre ist das her, hatte Aby Warburg eine folgenreiche Entdeckung gemacht. Er fand, dass Meisterwerke der Renaissancemalerei voller astrologischer Motive stecken. Das war ein Schock, denn soeben hatte man beim frühen Jakob Burckhardt gelernt, erst die Renaissance habe den träumerischen Wahn der mittelalterlichen Weltsicht überwunden, erst seitdem habe man den wirklichen Menschen und die tatsächliche Natur entdeckt. Wie passte das zusammen mit der Herrschaft der Astrologie? Warburgs Entdeckung störte die herrschenden Vorstellungen von „Moderne”, von Rationalisierungsschüben und Wissensfortschritt; sie wurde jahrzehntelang verdrängt.
Unsere großen jüdischen Emigranten wie Panofsky und Klibansky haben sie nach Amerika exportiert; jetzt kehrt sie mit der Verspätung, die für die Bundesbahn und die deutsche Geisteswissenschaft neuerdings charakteristisch ist, in ihr Ursprungsland zurück. Gegenwärtig herrscht der Trend, Vernunft und Wissenschaft aus Aberglaube und Apokalyptik abzuleiten. Die Selbstzweifel derer, die aus der „Zweiten Aufklärung” beschädigt hervorgegangen sind, inspiriert die Historiker; so versammelten sich Ende Oktober 1999 im Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte eine Reihe von Spezialisten, um den Hermetismus zu definieren und zu rehabilitieren. Die Akten dieser Tagung sind soeben erschienen; sie laufen darauf hinaus, den Ausdruck „Hermetismus” mit historischer Anschauung zu füllen, ihn nicht nach dem abstrakten Maßstab eines philosophischen Systems zu beurteilen, sondern seine konkrete Funktion im Wissen des 16. und 17. Jahrhunderts zu studieren.
Dabei zeigt sich: Die astrologisch orientierte Medizin und die Alchimie haben eine konkrete Kritik der aristotelischen Schulwissenschaft erbracht; sie haben eine vernetzte Forschergemeinschaft quer durch die konfessionellen Lager beschäftigt; sie verließen die akademischen Spekulationen über Form und Stoff und wiesen stattdessen den Weg in die Laboratorien. Sie wurden kritisiert und verfolgt, aber sie fanden auch fürstliche Förderer, die hofften, ihre traditionelle Finanznot mit dem Gold der Alchimisten zu beenden. Die Suche nach dem Stein der Weisen verband sich mit Spekulationen über die Einheit des Universums. Dem biblischen Fundamentalismus stellte sie das alte Programm der Erkennbarkeit Gottes aus der Natur entgegen und hat auch insofern die Forschung gefördert. Sie berief sich auf Pythagoras und thematisierte damit die mathematische Struktur der Welt. Sie war also längst nicht so retardierend und obskurantistisch, wie man lange gemeint hat.
Die achtzehn Beiträge des Sammelbandes sind alle von hoher Qualität; es wäre ungerecht, einzelne Studien besonders auszuzeichnen. Auf jeden Fall war es sinnvoll, die Beiträge von Wilhelm Kühlmann und Thomas Leinkauf an den Anfang zu stellen: Kühlmann erörtert in gelungener Verbindung die wissenschaftstheoretische und die soziale Funktion von Paracelsismus und Hermetismus in Deutschland. Thomas Leinkauf klärt historisch und begrifflich, was unter „Hermetismus” genauer zu verstehen sei. Viel Neues zu lernen gibt der Beitrag von David Yearsley über Alchemie und Musiktheorie im Zeitalter der Vernunft. Martin Mulsow liefert einen etwas zu lang geratenen Beitrag über Debatten zwischen Pythagoreern und Wolffianern im Deutschland des 18. Jahrhunderts.
Den Göttingern wird man es nachsehen: Geographisch gesehen steht das protestantische Deutschland, wie in der deutschen Geschichtswissenschaft üblich, immer noch zu sehr im Vordergrund des Interesses. Ein Gelehrter wie Wilhelm Kühlmann kennt natürlich mittelalterliche Autoren wie Arnald von Villanova, Lull und Bernardus Trevisanus; aber die Tagungsregie setzt voraus, 1517 sei die Welt neu geschaffen worden. Das gegenreformatorische Rom ist nur mit dem deutschen Athanasius Kircher aus Geisa bei Bad Salzungen vertreten; Campanellas Leidenschaft für Magie, Astrologie und eine neue Naturwissenschaft kommt nicht vor; immerhin schreibt Kaspar von Greyerz (der im Verzeichnis der Autoren leider fehlt) einen Beitrag zu Physik, Endzeiterwartungen und Alchemie in England. Die neuere italienische Forschung, die schon seit den sechziger Jahren die Warburg-Impulse aufgenommen und weitergeführt hat (Eugenio Garin, Paolo Rossi, Paula Zambelli), ist nur mit einem einzigen Verweis auf Paolo Rossi berücksichtigt. Trotz dieser traditionellen Grenzen ist der Band innovativ und erfreulich. Wer sich für die Geschichte der Vernunft interessiert, wird ihn gern lesen.
KURT FLASCH
ANNE-CHARLOTT TREPP, HARTMUT LEHMANN (Hg.),Antike Weisheit und kulturelle Praxis. Hermetismus in der Frühen Neuzeit. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 2001. 475 S., 49 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nach einer ausführlichen Nachhilfestunde in Sachen richtiges beziehungsweise falsches Mittelalterbild, widmet sich Rezensent Kurt Flasch dem aus einer Tagung zum Thema hervorgegangen Sammelband über den Hermetismus in der frühen Neuzeit zu. Und der gefällt dem Rezensenten außerordentlich gut. Die Beiträge legen nach Ansicht des Rezensenten dar, dass der Hermetismus keineswegs "so retardierend und obskurantistisch" war, wie man lange Zeit angenommen hatte. So erbrachten Astrologische Medizin und Alchemie beispielsweise eine konkrete Kritik der aristotelischen Schulwissenschaft oder stellten dem biblischen Fundamentalismus das alte Programm der Erkennbarkeit Gottes aus der Natur entgegen und förderten auch insofern die Forschung. Die achtzehn Beiträge des Sammelbandes sind zur Freude des Rezensenten alle von hoher Qualität. So sieht er es dem Band auch nach, dass er sich zu sehr auf das protestantische Deutschland kapriziert und das gegenreformatorische Rom weitgehend außen vor bleibt. Trotz dieser traditionellen Grenzen sei der Band innovativ und erfreulich, lobt der Rezensent abschließend: "Wer sich für die Geschichte der Vernunft interessiert, wird ihn gern lesen."
© Perlentaucher Medien GmbH
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