„Antoine und Julie“ ist die beklemmende Geschichte einer Ehe, die anfänglich eine Zweckgemeinschaft war, dann zur Liebe wurde, aber danach zusehends in den Abgrund treibt.
Antoine ist ein Pariser Vorstadt-Zauberkünstler, der seit über zwanzig Jahren mit seinen beiden Koffern unterwegs ist, meist
bei Wohltätigkeitsveranstaltungen und Volksfesten. Gewöhnlich begleitet ihn seine Frau Julie bis zum…mehr„Antoine und Julie“ ist die beklemmende Geschichte einer Ehe, die anfänglich eine Zweckgemeinschaft war, dann zur Liebe wurde, aber danach zusehends in den Abgrund treibt.
Antoine ist ein Pariser Vorstadt-Zauberkünstler, der seit über zwanzig Jahren mit seinen beiden Koffern unterwegs ist, meist bei Wohltätigkeitsveranstaltungen und Volksfesten. Gewöhnlich begleitet ihn seine Frau Julie bis zum Veranstaltungsort, wo sie sich dann verabschiedet. Danach vollführt Antoine allein seine Kunststücke und Zaubernummern, die er ohne große prahlerische Ansagen auf den meist kleinen Bühnen bringt.
Antoine und Julie hatten sich vor ungefähr zehn Jahren während einer Tournee von An-toine kennengelernt. Julie hatte mit ihrer Mutter bei einer Vorstellung in der ersten Reihe gesessen. Irgendwann hatten sie dann auf Drängen der Mutter geheiratet. Zwar war Julie keine besonders schöne Frau, eher übergewichtig und kränklich, doch nach einiger Zeit hatte sich so etwas wie Liebe eingestellt.
Die Bühnenauftritte sind für Antoine bereits Routine, er war schon immer ein Perfektionist. Leider sind seine anschließenden Kneipenbesuche ebenfalls längst Routine. Hier ein Cognac, dort ein Bier, einen Calvados … und daheim wartet Julie, die ihm aber nur stille Vorwürfe macht. Antoine will seinen Alkoholismus jedoch nicht wirklich wahrhaben, er versucht, seine Sucht sogar schönzureden. Stets redet er sich ein, jederzeit vom Alkohol lassen zu können.
Am Beginn des Romans zeigt Simenon anschaulich und exemplarisch mit der Beschreibung eines Abends mit Bühnenauftritt, mit den üblichen Kneipenbesuchen auf dem Heimweg und mit einer verbalen Rechtfertigung daheim im Schlafzimmer das ganze Dilemma der Ehe, denn es ist nicht allein die Trinksucht, die Antoine in die Kneipen treibt … er sucht auch Kontakte zu Menschen, er sucht Geborgenheit.
Antoine verfällt immer mehr dem Alkohol, doch Julie protestiert kaum, obwohl sie genau weiß, dass ihr Mann abhängig ist. Die Situation wird immer aussichtsloser, als Julie einen Herzinfarkt erleidet und danach täglich schwere Anfälle bekommt. Schließlich steuert die Ehe in die Katastrophe hinein.
Der Roman, der 1981 verfilmt wurde, erschien 1953 und ist ein ausgezeichnetes Psychogramm eines Alkoholikers und der Zerrüttung einer Ehe. Die deutsche Erstausgabe des Romans erschien erst 1983 im Diogenes Verlag. Diese Übersetzung wurde jetzt für die neue Edition der „Ausgewählten Romane“ noch einmal überarbeitet.
Manfred Orlick