Bachelorarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Humboldt-Universität zu Berlin (Deutsche Literatur), Sprache: Deutsch, Abstract: Der Aphorismus ist eine der wenigen literarischen Gattungen, die in ihrer gesamten Breite schwierig zu fassen ist. Die literaturwissenschaftliche Forschung konnte bis heute weder den Umfang der Erzeugnisse noch eine einheitliche Definition eindeutig festmachen. Die Aphoristiker selbst haben immer wieder versucht, den Kern und die Bedeutung dieser kleinen Textsorte in eben solchen Gedankensplittern selbstreflexiv zu verfassen, so auch der Schriftsteller Martin Kessel: Aphorismen in die Welt senden heißt nach einem Nicken des Einverständnisses fahnden."Aufgrund der für sie charakteristischen Kürze und Konzision sowie der Subjektivität ist der Rezipient fragmentarischer Texte gezwungen, das Gesagte weiterzudenken und durch eigenes Wissen und individuelle Erfahrung zu überprüfen. In kurzen, pointierten Sprüchen äußerten sich Aphoristiker wie Georg Christoph Lichtenberg, der mit seinen tagebuchartigen Sudelbuch-Eintragungen die ersten idealtypischen Aphorismen schuf.Auf Twitter, einem Online-Kurznachrichtendienst, entstehen zur Zeit ähnliche Erzeugnisse. Dort verbreiten Twitter-Nutzer mit Pseudonymen wie "HappySchnitzel" und "assenassenov" kurze Sprüche, die ihren Alltag widerspiegeln: Wir fragen nicht, wie s uns geht, sondern nur, woran s liegt. und Morgen ist auch noch ein Alltag." sind zwei von tausenden Beispielen. Twitter bietet dabei seinen Nutzern eine besondere Herausforderung: In dem Eingabefeld ist nur Platz für 140 Zeichen. Dabei experimentieren sie mit Worten und sehen die Begrenzung auf 140 Zeichen als Herausforderung, Persönliches, Kurioses, Witziges und Nachdenkliches konzis zu formulieren. Darin steckt ein Potenzial für die Literatur, das die Literaturwissenschaft noch nicht erkannt hat.Aufgrund ihrer formellen und inhaltlichen Ähnlichkeit zu Aphorismen soll die Arbeit der Frage nachgehen, ob neue digitale Kurztexte zu dieser literarischen Gattung hinzugezählt werden können und welche Bedeutung sie vor dem Hintergrund der Gattungsgeschichte des Aphorismus und der Mediengeschichte des Internets einnehmen. Die literarische Gattung Aphorismus könnte vielleicht durch das Internet auf eine neue Ebene des Austausches zwischen Verfasser und Leser gehoben werden kann. Twitterer könnten damit den Aphorismus in neuer Form wiederbeleben. Ist Twitter gar das Sudelbuch der Digital Natives? In der Analyse heißt deshalb die zentrale Frage: Können Tweets Aphorismen sein?
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