Chestertons Erzählungen stehen modernen Krimis von heute in nichts nach. Sie beginnen mit einem rätselhaften Vorfall, der durch nichts zu erklären ist. Nur peu à peu wird das Geheimnis gelüftet, meist vom gerissenen Pater Brown und seinem etwas beschränkten Kollegen Flambeau.Die hier versammelten Erzählungen sind packende Kriminalgeschichten, so kunstvoll und klug konstruiert, dass sie den Leser bis zur letzten Seite in Bann schlagen. Am Anfang steht ein merkwürdiger Vorfall, der sich nicht sofort erschließt. Hinweise gibt es nur selten, meist sind sie verworren und ergeben keinen Sinn. Dann kommen Pater Brown und der Privatdetektiv Flambeau ins Spiel. Das ungleiche Duo beginnt zu ermitteln. Während Pater Brown den Überblick behält und sich durch nichts in die Irre führen lässt, fällt der Privatdetektiv auf jede falsche Fährte herein. Trotz allem lüften die beiden das Geheimnis und lösen am Ende jeden noch so diffizilen Fall.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.07.2007Satan auf dem Dach
Wunderbare Geschichten von Gilbert Keith Chesterton
„Ein stürmischer Abend in Olivgrün und Silber brach an, als Pater Brown, in ein graues schottisches Plaid gehüllt, das Ende eines grauen schottischen Tals erreichte und die seltsame Burg von Glengyle vor sich liegen sah.” Wer ließe sich nicht gern, wenn eine Erzählung so beginnt, von ihrem Sog erfassen? Wenn er aber dabei stillschweigend an der Dignität seines Lesevergnügens Abstriche macht, als würde er sich nun den halbverruchten Reizen des gutgemachten Genres überlassen, wie man spätabends noch eine Tüte Chips verschlingt, der erlebt gleich darauf seine zweite Überraschung; es geht weiter: „Diese Note von träumerischer, fast schläfriger Teufelei war keine bloße Laune der Landschaft. Denn über dem Ort schwebte eine jener Wolken aus Hochmut, Irrsinn und geheimnisvollem Leid, die auf den vornehmen Häusern Schottlands schwerer lasten als auf denen anderer Menschenkinder.”
Das ist nicht nur von Anfang an fesselnd, das ist auch noch Literatur! Hier darf der Leser, welch seltener Genuss, sich das Beste aus zwei Welten zu Gemüte führen. Die dritte Überraschung aber bleibt nicht aus, wenn er nun liest: „Schottland hat nämlich die doppelte Dosis jenes Giftes erhalten, welche man Vererbung nennt: das Blut des Aristokraten und das unentrinnbare Schicksal des Calvinisten.” Chesterton ist Katholik und macht kein Hehl daraus; und zwar, wie man seiner gelinden Missbilligung der Oberschichten anmerken an, vom sozialen Flügel, nicht allzuweit von der Position etwa Norbert Blüms entfernt. So gehen diese Geschichten bevorzugt in der Weise aus, dass Pater Brown dem überführten Übeltäter einschärft: Du sollst nicht stehlen, dem schadlos gehaltenen Eigentümer aber: Du sollst deinen strauchelnden Bruder nicht strafverfolgen.
Das also hat der Leser in Kauf zu nehmen; und tut es gern. Der Herr besagten Schlosses ist unter rätselhaften Umständen gestorben, ein krankhafter Einsiedler, der mit niemandem verkehrt hat als mit seinem alten, quasimodohaften Diener. Dieser geht, ein Schattenriss mit geschulterter Schaufel und Zylinderhut, am Fenster vorbei, während die Polizei sich über die Fundstücke in den Räumen der Toten den Kopf zerbricht: loser Schnupftabak in großen Mengen, geschliffene Edelsteine ohne Fassung, winzige Zahnrädchen, ein altes Andachtsbuch, aus dem der Name Gottes und sämtliche Heiligenscheine herausgetrennt sind. Wie hängt das alles zusammen? Hatte Satan selbst die Finger im Spiel? Für einen Augenblick taucht seine imaginierte Figur auf dem Turm des Schlosses auf, riesenhaft wie hundert Elefanten. Aber natürlich liegt die Lösung ganz woanders, und alle haben sie, ohne es zu wissen, gerade gesehen; sie liegt in der merkwürdigen Kombination von Zylinderhut und Schaufel . . . .
Nichts Besseres kann man in einer Besprechung des Bandes tun, als zu versuchen, ihr selbst ein wenig von der ungeheuren Spannung dieser fünf Geschichten zu induzieren. Es ist ein Buch zum Mitgruseln, Mitträumen, besonders aber zum Mitdenken. Und manchmal noch mehr: Die erste von ihnen, die ein wenig aus dem Rahmen fällt, „Die drei Reiter der Apokalypse”, bietet eine ungemein scharfe und tiefe, eine geradezu mystische Karikatur des deutschen Militarismus, mit der Hauptfigur des Marschalls von Grock, welcher sich ausnimmt wie ein von Kubin gezeichneter Hindenburg. Wie Chesterton es hier zuwegebringt, Schattierungen der deutschen Seele durch Nuancen in den Pickelhauben auszudrücken – das sollte man sich nicht entgehen lassen! BURKHARD MÜLLER
GILBERT KEITH CHESTERTON: Apollos Auge. Aus dem Englischen von Heinrich Fischer, Clarisse Meitner und Wolfgang Rhiel. Mit einem Vorwort von Jorge Luis Borges. Edition Büchergilde, Frankfurt am Main 2007. 162 S., 17,90 Euro.
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Wunderbare Geschichten von Gilbert Keith Chesterton
„Ein stürmischer Abend in Olivgrün und Silber brach an, als Pater Brown, in ein graues schottisches Plaid gehüllt, das Ende eines grauen schottischen Tals erreichte und die seltsame Burg von Glengyle vor sich liegen sah.” Wer ließe sich nicht gern, wenn eine Erzählung so beginnt, von ihrem Sog erfassen? Wenn er aber dabei stillschweigend an der Dignität seines Lesevergnügens Abstriche macht, als würde er sich nun den halbverruchten Reizen des gutgemachten Genres überlassen, wie man spätabends noch eine Tüte Chips verschlingt, der erlebt gleich darauf seine zweite Überraschung; es geht weiter: „Diese Note von träumerischer, fast schläfriger Teufelei war keine bloße Laune der Landschaft. Denn über dem Ort schwebte eine jener Wolken aus Hochmut, Irrsinn und geheimnisvollem Leid, die auf den vornehmen Häusern Schottlands schwerer lasten als auf denen anderer Menschenkinder.”
Das ist nicht nur von Anfang an fesselnd, das ist auch noch Literatur! Hier darf der Leser, welch seltener Genuss, sich das Beste aus zwei Welten zu Gemüte führen. Die dritte Überraschung aber bleibt nicht aus, wenn er nun liest: „Schottland hat nämlich die doppelte Dosis jenes Giftes erhalten, welche man Vererbung nennt: das Blut des Aristokraten und das unentrinnbare Schicksal des Calvinisten.” Chesterton ist Katholik und macht kein Hehl daraus; und zwar, wie man seiner gelinden Missbilligung der Oberschichten anmerken an, vom sozialen Flügel, nicht allzuweit von der Position etwa Norbert Blüms entfernt. So gehen diese Geschichten bevorzugt in der Weise aus, dass Pater Brown dem überführten Übeltäter einschärft: Du sollst nicht stehlen, dem schadlos gehaltenen Eigentümer aber: Du sollst deinen strauchelnden Bruder nicht strafverfolgen.
Das also hat der Leser in Kauf zu nehmen; und tut es gern. Der Herr besagten Schlosses ist unter rätselhaften Umständen gestorben, ein krankhafter Einsiedler, der mit niemandem verkehrt hat als mit seinem alten, quasimodohaften Diener. Dieser geht, ein Schattenriss mit geschulterter Schaufel und Zylinderhut, am Fenster vorbei, während die Polizei sich über die Fundstücke in den Räumen der Toten den Kopf zerbricht: loser Schnupftabak in großen Mengen, geschliffene Edelsteine ohne Fassung, winzige Zahnrädchen, ein altes Andachtsbuch, aus dem der Name Gottes und sämtliche Heiligenscheine herausgetrennt sind. Wie hängt das alles zusammen? Hatte Satan selbst die Finger im Spiel? Für einen Augenblick taucht seine imaginierte Figur auf dem Turm des Schlosses auf, riesenhaft wie hundert Elefanten. Aber natürlich liegt die Lösung ganz woanders, und alle haben sie, ohne es zu wissen, gerade gesehen; sie liegt in der merkwürdigen Kombination von Zylinderhut und Schaufel . . . .
Nichts Besseres kann man in einer Besprechung des Bandes tun, als zu versuchen, ihr selbst ein wenig von der ungeheuren Spannung dieser fünf Geschichten zu induzieren. Es ist ein Buch zum Mitgruseln, Mitträumen, besonders aber zum Mitdenken. Und manchmal noch mehr: Die erste von ihnen, die ein wenig aus dem Rahmen fällt, „Die drei Reiter der Apokalypse”, bietet eine ungemein scharfe und tiefe, eine geradezu mystische Karikatur des deutschen Militarismus, mit der Hauptfigur des Marschalls von Grock, welcher sich ausnimmt wie ein von Kubin gezeichneter Hindenburg. Wie Chesterton es hier zuwegebringt, Schattierungen der deutschen Seele durch Nuancen in den Pickelhauben auszudrücken – das sollte man sich nicht entgehen lassen! BURKHARD MÜLLER
GILBERT KEITH CHESTERTON: Apollos Auge. Aus dem Englischen von Heinrich Fischer, Clarisse Meitner und Wolfgang Rhiel. Mit einem Vorwort von Jorge Luis Borges. Edition Büchergilde, Frankfurt am Main 2007. 162 S., 17,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Erst überrascht, dann entzückt ist der Rezensent Burkhard Müller bei der Lektüre der in diesem Band gesammelten Pater-Brown-Erzählungen von Gilbert Keith Chesterton. Überrascht, denn in der - offenbar durch keine bisherige Chesterton-Lektüre getrübten - Erwartung, es handle sich hier um literarisch eher wertlose Genreliteratur sieht er sich ziemlich bald getäuscht. Unterhaltsam und spannend seien Chestertons Texte natürlich schon, aber Müller liest und zitiert und stellt fest: "Das ist auch noch Literatur!" Ja, gewiss, Chesterton ist Katholik und verbirgt es nicht, die Moral der Geschichten verteilt Tadel zu gerechten Teilen (und wie Norbert Blüm) an Arme wie Reiche. Raffiniert aber ist es trotzdem, so Müller, wartet mit immer neuen Aha-Effekten auf - alles in allem ein "Buch zum Mitgruseln, Mitträumen, besonders aber zum Mitdenken."
© Perlentaucher Medien GmbH
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