Keine leichte Kost, das stand von Anfang an schon mal fest. Güner Balci nimmt den Leser mit auf eine Reise in eine fremde Welt: eine Welt, in der fast nie Deutsch gesprochen wird und in der Frauen eigentlich nur zum Gebären von Kindern, Dienen und Gehorchen ihres Mannes und Führen des Haushalts zu
gebrauchen sind.
Fernab einer Diskussion, inwieweit dieses Leben, das Mariam beschert ist,…mehrKeine leichte Kost, das stand von Anfang an schon mal fest. Güner Balci nimmt den Leser mit auf eine Reise in eine fremde Welt: eine Welt, in der fast nie Deutsch gesprochen wird und in der Frauen eigentlich nur zum Gebären von Kindern, Dienen und Gehorchen ihres Mannes und Führen des Haushalts zu gebrauchen sind.
Fernab einer Diskussion, inwieweit dieses Leben, das Mariam beschert ist, muslimisch geprägt sein mag oder nicht, kann man sagen, dass es nicht dem entspricht, was der geneigte Westeuropäer unter Leben definieren würde. Die weiblichen Mitglieder in Mariams Familie haben tatsächlich fast keine Rechte. Tüten vom Supermarkt heimschleppen darf sie noch, aber so unmögliche Dinge wie Kino, spazieren oder gar bei einer Freundin übernachten? -undenkbar!
Mariam hat sich von Kindesbeinen an damit abgefunden, dass das Leben für sie nicht so spaßig werden würde wie für ihren Vater, ihre Brüder oder die restlichen männlichen Mitglieder der Familie. Die Brüder pflegen offenkundig ihre Liebschaften mit Mädels und auch der Vater geht gerne mal fremd. Wenn die Mutter diesbzgl. aufbegehrt oder der Vater mal wieder beim Kartenspiel sein Hartz IV verzockt hat, setzt es auch gerne für Mutter und Töchter eine Tracht Prügel – irgendwie muss man den Frauen ja zeigen, wer das Sagen hat in der Familie.
Doch eines Tages lernt Mariam Lena kennen und eine Transformation in ihr beginnt. Zu Hause mimt sie zwar noch die brave Tochter, die sich offensichtlich auch mit der Zwangsheirat mit ihrem Cousin abgefunden hat. Im Geheimen jedoch „stiehlt“ sie sich immer wieder kleine Freiheiten wie mit Lena in die Disco zu gehen oder sich mit einem Jungen zu treffen. Wohlwissend, dass dies ernsthafte Konsequenzen haben kann, findet sie spätestens, seit sie in einem Mädchentreff ihres Viertels arbeitet, Gefallen am Geschmack der Freiheit.
Mir hat das Buch unheimlich gut gefallen, auch wenn es mich streckenweise sehr betroffen gemacht hat ob der in Mariams Familie und Umfeld herrschenden Umständen. Nun könnte man streiten, wie rückständig, respektive fortschrittlich der Islam ist. Nicht streiten lässt sich jedoch darüber, dass auch Männer nicht fremdgehen dürfen und das Erlangen von Bildung auch ein Privileg ist, das Frauen in Anspruch nehmen dürfen und sogar SOLLEN! und nein – Töchter dürfen nicht, nur weil sie über einen Witz lachen, halbtot geschlagen werden.
Güner Balci schreibt genau so, wie einer Mariam der Schnabel gewachsen ist und was ich hier lesen durfte, KEINE Ausnahme ist und immernoch hier mitten in Deutschland so gelebt wird. Die Handlung ist authentisch, rasant, brutal und beklemmend. Doch gegen Ende beginnt der Leser zusammen mit Mariam Hoffnung zu schöpfen und daran zu glauben, dass man Dinge, die unverrückbar scheinen, auch zum Guten wenden kann.
Wer von Berlin mehr will als Brandenburger Tor, bekommt hier einen guten Einblick in die Hinterhöfe der Brennpunkte Kreuzbergs und Neuköllns und deren – leider häufig recht hässliche Fratze.