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Der Hype um die New Economy ist inzwischen aus und vorbei, um so dringender stellt sich die Frage, welches die langfristigen Folgen dieses ideologischen Konstrukts sind. Immerhin setzten die Start-up-Unternehmen Arbeit als Lebensstil neu in Szene und kreierten überdies ein neues gesellschaftliches Leitbild einer Popökonomie, in der Arbeit und Hedonismus Hand in Hand gehen. Diese popkulturelle Umdeutung von Wirtschaft, diese Totalisierung und Kulturalisierung von Arbeit, die als eine Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft verstanden werden kann, hatte und hat für die Definition von…mehr

Produktbeschreibung
Der Hype um die New Economy ist inzwischen aus und vorbei, um so dringender stellt sich die Frage, welches die langfristigen Folgen dieses ideologischen Konstrukts sind. Immerhin setzten die Start-up-Unternehmen Arbeit als Lebensstil neu in Szene und kreierten überdies ein neues gesellschaftliches Leitbild einer Popökonomie, in der Arbeit und Hedonismus Hand in Hand gehen. Diese popkulturelle Umdeutung von Wirtschaft, diese Totalisierung und Kulturalisierung von Arbeit, die als eine Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft verstanden werden kann, hatte und hat für die Definition von Arbeit, Arbeitnehmer und Freizeit einschneidende Folgen. Was ist überhaupt noch Arbeit, wenn sie Spaß macht, kaum Geld einbringt und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit aufgehoben sind? Was ist Arbeit, wenn es nur noch sog. "Ich-Aktionäre", "Ideenmanager" und "Venture-Kapitalisten" des eigenen Lebens gibt? Dieser Band zeigt also, über welche neuen Deutungsmuster dessen, was Arbeit in Zukunft sein kann/wird, wir verfügen.
Autorenporträt
Alexander Meschnig, geboren 1965 in Dornbirn/Österreich, Studium der Psychologie und Pädagogik in Innsbruck. Freier Autor und Publizist mit den Arbeitsschwerpunkten: Schnittpunkt Ökonomie/Kultur, Militärgeschichte, Nationalsozialismus. Fachveröffentlichungen, war Herausgeber des 'Roten Kalenders 2004. Markenmacht'.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2003

Charakterdarsteller müßte man sein

Am Befund selber ist nicht zu zweifeln: Der Anteil althergebrachter Arbeitsverhältnisse und Berufsbiographien an der gesamten Beschäftigung schrumpft. Mehr als fünf Millionen Menschen gehen hierzulande einer Teilzeitarbeit nach, in den Niederlanden sind es fast vierzig Prozent aller Beschäftigten, und daß die OECD-Statistik für Italien nur sechseinhalb Prozent ausweist, sagt mehr über die dortige Buchführung als über die Zahl an Jobs, die ein durchschnittlicher Italiener hat. Immer häufiger wechseln die Leute den Arbeitgeber oder die Art der Berufsausübung. Das tun, meist erzwungenermaßen, schwach Ausgebildete am unteren Ende der Einkommensskala. Aber auch Manager, schon das Wort gibt es zu verstehen, sind unspezifisch ausgebildet und wechseln - häufiger, aber durchaus nicht stets freiwillig -, entsprechend oft die Stelle. Bei sozialpsychologisch denkenden Beobachtern löst diese Entwicklung Sorgen um die Kohärenz der Lebensführung arbeitender Menschen aus. Der vorliegende Sammelband malt sie in allen nur erdenklichen Farben aus (Alexander Meschnig, Mathias Stuhr : "Arbeit als Lebensstil". Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 212 S., br., 10,- [Euro]). Der einzelne werde immer mehr zum Vermarkter seiner selbst. Alles wandle sich ständig, was die Leute zu "Patchwork-Identitäten" zwinge. Die Individuen funktionierten wie die Unternehmen virtuell, will vermutlich sagen: jederzeit änderungsbereit. Das Sozialkapital werde durch erhöhte Mobilität zerstört. Außerdem ließen die Computer, an denen zumeist gearbeitet werde, den Realitätssinn verkümmern. Und schließlich: Einerseits verschwinde der Körper, digitalisierungshalber, andererseits nehme der Druck auf ihn zu, ausbeutungs- und streßhalber. Ähnliche Sorgen wurden im neunzehnten Jahrhundert laut, als die Leute in die Städte zogen, und auch damals fiel das Wort vom Verlust an "Bindung", den die Urbanisierung bedeute. Daß damals die Vollzeitbeschäftigung der Normalfall gewesen sei, ist übrigens eine der nostalgischen Projektionen, deren Krisenbefunde ja stets als Kontrast bedürfen. Und als sie hierzulande Normalfall war, sagen wir zwischen den dreißiger und den siebziger Jahren, dominierte da der "innengeleitete Mensch" das Bild? Oskar Negt stellt ihm in seinem Beitrag die Zerfallsdiagnose, weil flexiblisierte Arbeit die Entstehung außengeleiteter Mitläufer begünstige. Aber wie stand es um ihn, jenen selbstangetriebenen, stabilen Sozialcharakter in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, inmitten vorbildlicher Vollarbeit und Firmentreue? Und wie um das Mitläufertum? Könnte es sein, daß auch die Kritische Theorie mitunter einen Drang zum zeitdiagnostischen Mitlaufen verspürt, der sich dann auf Kosten ihrer Kohärenz auslebt? Nicht, daß Negts und der Mitautoren Klage über Zwänge, die auf Familien lasten, wenn die Eltern nur noch Teilzeitarbeitsplätze bekommen, oder über gehetzte Scheinselbständige aus der Luft gegriffen wäre. Aber das Hochrechnen solcher Belastungen auf eine "Korrosion des Charakters" (Richard Sennett) leuchtet weder historisch noch soziologisch ein. Bezeichnenderweise kommt das, was sich so als Kapitalismuskritik versteht, gar nicht aus ohne die nur eben ins Negative gewendeten Sprüche aus den Unternehmen - "vollständig flexibel", "allseitig verfügbar", "ständig in Bereitschaft", "voll vernetzt" -, um die gegenwärtige Psyche als solcher Dynamik ganz ausgeliefert darzustellen. Berufssituationen, die man sich nach Maßgabe von betriebswirtschaftlichen Broschüren vorstellt, wird eine nachgerade kausale Prägung der Betroffenen zugetraut, so als zuckte die Seele im Takt des Betriebs wie einst Chaplins Körper noch nach der Arbeit in dem des Fließbands. Worte wie "Ich-AG" oder "Marke Ich" werden nicht als die haltlosen Phrasen genommen, die sie sind, sondern als Schlüsselbegriffe - als wenn es so einfach wäre und die Soziologie der Organisation in ihrem Geschäftsbericht, die Wahrheit über das Leben im Lifestyle-Magazin stünde.

JÜRGEN KAUBE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jürgen Kaube berichtet, dass "die Sorgen", die die gegenwärtige, tiefgreifende Veränderung der Arbeitsverhältnisse und Berufsbiografien bei "sozialpsychologisch denkenden Beobachtern" auslösen müssten, in diesem Sammelband "in allen nur erdenklichen Farben" ausgemalt würden; der einzelne werde demnach also immer mehr zum "Vermarkter seiner selbst" und zu "Patchwork-Identitäten" gezwungen. Der Rezensent findet das alles zu einfach gedacht und wendet ein, ein Blick in die Geschichte lehre, dass sich die Verhältnisse nie so monokausal in Charakter und Psyche der Individuen niedergeschlagen hätten, wie die Autoren dieses Bandes sich das vorstellten. Bezeichnenderweise würden sie dann auch, obwohl ins Negative, Kapitalismuskritische gewendet, einfach das Vokabular und "die Sprüche aus den Unternehmen" übernehmen - als wenn "die Soziologie der Organisation in ihrem Geschäftsbericht, die Wahrheit über das Leben im Lifestyle-Magazin stünde."

© Perlentaucher Medien GmbH