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Mahlon Johnson war bis zu seinem folgenschweren Unfall ein erfolgreicher junger Arzt, der sein ganzes Leben seiner medizinischen Karriere unterordnete. Als er sich infizierte, warf er sich mit derselben Energie und Konsequenz in den Kampf gegen Aids. Fest entschlossen, die Krankheit zu besiegen, nahm er die schrecklichsten Nebenwirkungen der Medikamente auf sich.

Produktbeschreibung
Mahlon Johnson war bis zu seinem folgenschweren Unfall ein erfolgreicher junger Arzt, der sein ganzes Leben seiner medizinischen Karriere unterordnete. Als er sich infizierte, warf er sich mit derselben Energie und Konsequenz in den Kampf gegen Aids. Fest entschlossen, die Krankheit zu besiegen, nahm er die schrecklichsten Nebenwirkungen der Medikamente auf sich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.1997

Weißer Jäger, dunkle Aussichten
Mahlon Johnson besitzt die Lizenz zum Leben

Der Mann ist Amerikaner, Arzt und aidsinfiziert. Seit kurzem ist er auch Autor und hat die Geschichte seiner HIV-Infektion, die er sich bei der Obduktion eines Aidstoten im September 1992 zugezogen hat, aufgeschrieben. Es ist eine Erfolgsgeschichte, denn Mahlon Johnson berichtet von der Normalisierung seiner für die Aidsinfektion relevanten immunologischen Verlaufsparameter. Man möchte ihm zu diesem exklusiven Glück gratulieren und ahnt doch bereits: Es geht hier um einen ungewöhnlichen Sterblichen.

Der junge Pathologe aus Nashville ist in der Tat in vielerlei Hinsicht ein Ausnahmefall: Er hat das Pech, zu drei von tausend Medizinern zu gehören, die sich - statistisch gesehen - durch den Kontakt mit dem Blut von Aidskranken infizieren. Genauso außergewöhnlich sind seine Möglichkeiten zur Diagnostik und Therapie: Er kann sich jederzeit in den Laborcomputer der Vanderbilt University einloggen, um seine Blutwerte abzufragen, und er ist in der Lage, sich neueste Medikamente selbst zu verschreiben oder über Pharmafirmen anzufordern, bevor die Marktzulassung erfolgt ist. Er wird von führenden Grundlagenwissenschaftlern zur Diskussion eingeladen und von David Ho, dem renommierten New Yorker Aidsforscher, in Therapiegesprächen beraten. Der ehrgeizige Neuropathologe Johnson ist die vom Schicksal durch Erkrankung zurückgeworfene Verkörperung des amerikanischen Traums.

Es wird bereits auf den ersten Seiten spürbar: Dieser Held in Weiß, der beschließt, sich "auf das ultimative Experiment einzulassen - den Kampf um mein Leben", kann nicht verlieren. Er kann nur als Sieger die "Front" verlassen, während "sich das Virus ins Zwielicht des Lymphsystems zurückzieht, wo es sich vor den Suchscheinwerfern der Blutkulturen verstecken kann". In dem schlichten Weltbild dieses Mediziners erscheint die Erfolgsgeschichte der möglichen Heilung als ein geradezu zwangsläufiges Ergebnis moderner Wissenschaft. Der "tückische Feind" ist ausgemacht - was bleibt, ist ein geduldiger "Abwehrkampf", dem man sich nur stellen muß. Und das tut Dr. Johnson: "Trotz meines Unfalls war ich immer noch ein Pathologe - ein Jäger, nicht das Opfer der Krankheit."

Doch Johnson hat sich bei der Verfassung seiner Lebens- und Leidensgeschichte zuviel vorgenommen. Seine unerträgliche Kampf- und Kriegsmetaphorik verdeutlicht überhaupt nichts, sondern verdunkelt, verschleiert, verhüllt, etwa wenn Lymphozyten als "Raumstationen", Makrophagen als "Kampftruppen", T-Helferzellen als "Truppenkommandeure" und Medikamente als abzuwerfende "Bomben" bezeichnet werden.

Bei sowenig Gespür für die verwendete Terminologie nimmt es nicht wunder, daß dem Autor auch die Sprachvergewaltigungen im Umgang mit Krankheit und Todesangst vollständig entgehen, etwa die Bezeichnung "Langzeitüberlebende". Genausowenig überzeugt die Einflechtung der Liebesgeschichten des jahrelang der Wissenschaft ergebenen Forschers, der in der Leichenhalle duschte, in der Kantine aß und in einem Wohnwagen vor dem Campus lebte, bis er nach der Infektion plötzlich entdeckte, daß es auch attraktives Gewebe außerhalb der Pathologie gibt. Hier zeigt sich, daß die autobiographische Krankenakte weder wissenschaftliche Präzision noch literarische Qualität aufweist, sondern Strickmustern folgt, wie man sie aus Arztromanen kennt.

Die vermeintliche Sensation einer Aidsheilung hat dem Buch auch in Deutschland viel Publicity eingebracht. Daß der Verlag keine wissenschaftlichen Experten konsultierte, ist zu bedauern, denn mit seinem Erscheinen ist das Buch bereits in Teilaussagen überholt. Daß man noch nicht von einer Wunderheilung sprechen kann, wenn das "Western Blot"-Verfahren drei Jahre nach der Infektion eine Abschwächung der Nachweisbanden verzeichnet, sollte die Euphorie dämpfen - auch wenn neue Arzneimittelkombinationen die Prognose für Aidskranke gegenwärtig hoffnungsvoller erscheinen lassen. Ärgerlich ist indes, daß es die Aids-Hilfe nach dem verfrühten Therapieenthusiasmus schwerer als bisher haben wird, das so dringend benötigte Geld für ihre Arbeit zu erhalten. WERNER BARTENS

Mahlon Johnson (mit Joseph Olshan): "Arbeit an einem Wunder". Aus dem Amerikanischen von Barbara Schaden. Berlin Verlag, Berlin 1997. 304 S., geb., 36,- DM.

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