Für die Risiken von Großbanken, Versicherungen und Pensionsfonds, die mit ihren Spekulationen 2007 ff. die schwerste und bis heute fortschwelende Krise seit Jahrzehnten ausgelöst haben und sie weiterhin anheizen, darf der Staat gerade stehen. Trotzdem gelten Liberalisierung und Privatisierung nach wie vor als Heilsbringer der Wirtschaftspolitik, gerade so, als sei nichts passiert. Die Ergebnisse sind erschreckend: Anhaltende Massenarbeitslosigkeit, fortschreitender Sozialabbau, um sich greifende Prekarisierung. Demgegenüber bietet Heinz-J. Bontrup auf der Basis einer fundierten einzel- und gesamtwirtschaftlichen Analyse ein Konzept, das weit über die Krise hinausweist: Eine demokratisierte Wirtschaft, die den allgemeinen Wohlstand erhöht und nicht nur den Reichtum einer kleinen Schicht mehrt. Wer sich auf Bontrups Standardwerk einlasse, schrieb die »Frankfurter Rundschau« zur 1. Auflage, werde »reichlich mit Erkenntnisgewinn und Argumentationskompetenz belohnt.« Für die 6. Auflage wurde das Buch um eine ausführliche aktuelle Einleitung, unter Einbeziehung der Folgen der Covid-Pandemie, ergänzt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2005Wachstum und Armutsbekämpfung in einer globalisierten Welt
Deutsche Wirtschaftswissenschaftler empfehlen ihr aktuelles Lieblingsbuch
Auch wer die Wirtschaft als Wissenschaft betreibt, ist nicht nur am Rechnen. Ökonomen lesen viel und gern. Vor dem Hintergrund der Frankfurter Buchmesse haben wir deutsche Ökonomen gefragt, welche neu erschienenen Wirtschaftsbücher sie in jüngster Zeit beeindruckt haben - und zwar so sehr, daß sie sie einem breiteren Publikum zur Lektüre empfehlen würden. Hier ist sie, die Leseliste der Ökonomen. (orn.)
Lawrence Lessig: Free Culture. How Big Media Uses Technology and the Law to Lock Down Culture and Control Creativity. Penguin Press, New York 2004, 345 Seiten, 24,95 Dollar.
Die Fähigkeit zu Innovation wird für alte Industrieländer im Zeitalter der Globalisierung zu einer Überlebensfrage. Diese Fähigkeit wird nachhaltig beeinflußt von den Institutionen, innerhalb deren sie möglich wird. Das reicht von Patenten und Urheberrechten über Designschutz bis hin zum Schutz von Software und Datenbanken. Angeführt von den Vereinigten Staaten tobt gegenwärtig eine Schlacht um eine Ausdehnung des Schutzbereichs von geistigem Eigentum bis hin zum Investitionsschutz. Einen solchen kann es allerdings in einer freien Wirtschaftsordnung nicht geben. Lawrence Lessig, Professor in Stanford, mahnt in seinem ebenso kundig wie spannend geschriebenen Buch zu Vorsicht, damit nicht individuelle Rechtspositionen Wettbewerbsprozesse letztlich behindern statt befördern. Das Thema hat in Deutschland trotz seiner grundlegenden Bedeutung die breite Öffentlichkeit noch nicht erreicht. Das Buch kann lizenzfrei aus dem Internet heruntergeladen werden (http://www.free-culture.cc/freeculture.pdf), solange dies zu nicht kommerziellen Zwecken geschieht.
Horst Siebert: Jenseits des Sozialen Marktes. DVA, München 2005, 544 Seiten, 29,90 Euro.
Der Vorzug dieses Buches besteht in einer geglückten Verbindung zwischen einer wissenschaftlich fundierten Diagnose sowie Analyse der Stärken und Schwächen des Wirtschaftsstandorts Deutschland und daraus konsequent abgeleiteten Reformvorschlägen. Dabei werden die wichtigsten wirtschaftspolitischen Bereiche thematisiert, angefangen vom Arbeitsmarkt über die Systeme der Sozialen Sicherung und der öffentlichen Finanzen bis hin zu Aspekten einer alternden Bevölkerung. Der Autor bietet zahlreiche, sorgfältig recherchierte quantitative Informationen, aber er überfrachtet sein Buch damit nicht. Man muß nicht mit jedem Detail seiner wirtschaftspolitischen Ratschläge uneingeschränkt übereinstimmen, um aus der Lektüre einen hohen Gewinn zu ziehen. Vor dem Hintergrund zahlreicher thematisch ähnlich ausgerichteter Bücher wird damit die Bringschuld der Ökonomen zur Lösung hiesiger Probleme eindrucksvoll abgegolten.
Heinz-J. Bontrup: Arbeit, Kapital und Staat. Plädoyer für eine demokratische Wirtschaftspolitik. Papy-Rossa-Verlag, Köln 2005, 424 Seiten, 24,80 Euro.
Bücher, welche die großen Herausforderungen Arbeitslosigkeit, staatliche Finanzkrise und kollabierende Sozialsysteme auf die Fesselung der Marktkräfte durch den Staat und die Gewerkschaften zurückführen, gibt es im Überfluß. Heinz-J. Bontrup indes präsentiert eine alternative Interpretation der Ursachen der sozial-ökonomischen Herausforderungen und darauf aufbauender Reformvorschläge. Er rückt die Arbeit in den Mittelpunkt der die Gesellschaft bestimmenden Ökonomie, als "einzig realem Wert in der Wirtschaftswelt" - und führt die anhaltende Stagnation und hohe Arbeitslosigkeit auf Defizite der internen Verfassung der Unternehmenswirtschaft sowie der politischen Gestaltung zurück. Bontrup entpuppt sich als aufgeklärter Keynesianer: Aus der Falle zwischen einzelund gesamtwirtschaftlicher Rationalität könne nur gesamtwirtschaftliche Politik führen; diese sorge dafür, daß das ökonomische System nicht "unter seinen Verhältnissen" produziere. Auch für den eingefleischten Neoklassiker, der einäugig Arbeitslosigkeit immer nur auf zu hohe Arbeitskosten zurückführt, lohnt sich die Lektüre. Denn Bontrup referiert kenntnisreich die irrealen Annahmen, die Ableitungen und schweren Folgen der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie.
Raghuram Rajan/Luigi Zingales: Saving Capitalism from the Capitalists. Unleashing the Power of Financial Markets to Create Wealth and Spread Opportunity. Princeton University Press, Princeton 2004, 392 Seiten, 18,95 Dollar.
Dies ist ein Buch, das erklärt, warum funktionierende Finanzmärkte eine zentrale Bedingung für Wachstum und Chancengleichheit sind und warum mächtige Interessengruppen sich dagegen sträuben. Ein revolutionäres Buch.
Peter Richerson/Robert Boyd: Not by Genes Alone: How Culture Transformed Human Evolution. University of Chicago Press, Chicago 2004, 342 Seiten, 30 Dollar.
Dieses Buch kann jedermann lesen und verstehen - Ökonomen, vor allem Institutionenökonomen, sollten es kennen. Beide Autoren sind in der Szene bekannt, vor allem durch formalere Abhandlungen. In diesem Buch beschreiben sie die Anpassungsfähigkeit der Spezies Mensch, womit insbesondere die Fähigkeit, komplexe Systeme zu beherrschen und damit sich die Erde untertan zu machen, als Ergebnis einer "darwinistischen Kulturrevolution" hervorgehoben wird. Dabei wird eine Verbindung der Kultur zur Biologie aufgebaut, die für Ökonomen - vor allem mit spieltheoretischem Hintergrund - faszinierend ist. Das Buch trägt auch zum Verständnis der Bildungsdebatte in Deutschland bei, weil eben Kultur mit Wettbewerb und mit "Trial and Error" verbunden ist und längst nicht so linear daherkommt, wie sich das die Ministerialen heute vorstellen.
Claude Ménard/Mary M. Shirley (Herausgeber): Handbook of New Institutional Economics. Verlag Springer, Berlin 2005, 884 Seiten, 202,23 Euro.
"Institutions matter": daß Institutionen positive Wohlfahrtseffekte hervorrufen, indem sie Unsicherheit reduzieren und zusätzliche Handlungsoptionen ermöglichen, ist keine neue Erkenntnis. Institutionen sind der Kern einer funktionsfähigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, das Fundament für arbeitsteilig organisierte Ökonomien. Schlechte Institutionen korrespondieren mit strukturellen Fehlentwicklungen und ökonomischer Rückständigkeit. Die Veränderung des institutionellen Rahmens ist auch in Deutschland eine der grundlegendsten Aufgaben, die es heute zu bewältigen gilt. Dennoch findet die Gestaltung von Institutionen nicht die notwendige Aufmerksamkeit im politischen Prozeß, und dennoch ist ihre Analyse nicht im Kern der ökonomischen Theorie angesiedelt. Beides wird sich nicht schlagartig durch das "Handbook" verändern, doch es kann einen bedeutenden Beitrag leisten. Vergleichbares liegt bisher nicht vor. Auf mehr als 800 Seiten werden in 30 Beiträgen die Wirkungen von wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Institutionen, die Determinanten der Entwicklung von Governance-Strukturen und der Ausgestaltung von privaten Verträgen sowie von Regulierungssystemen analysiert. Den Inhalt bilden sowohl komparative Institutionenanalysen als auch die Auslotung der Determinanten des institutionellen Wandels. Eine höchst wertvolle und facettenreiche Lektüre - sowohl für die Wissenschaft als auch für Vertreter der wirtschaftlichen und politischen Praxis.
Elhanan Helpman: The Mystery of Economic Growth. The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) 2004, 240 Seiten, 25,95 Dollar.
Noch immer lebt etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung in größter Armut. Geändert werden kann das nur durch schnelles Wachstum. Dafür müssen die Determinanten von Wachstum bekannt sein. Seit Mitte der achtziger Jahre ist eine neue Wachstumstheorie entstanden, die viel realitätsnäher ist als ihr Vorgänger aus den fünfziger Jahren. Elhanan Helpman, ein führend an der Entwicklung der neuen Theorie beteiligter Wissenschaftler, hat jetzt einen sehr gut lesbaren Überblick über die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre vorgelegt. Er zeigt, daß sehr viel dafür spricht, Institutionen als eine fundamentale Ursache von Wachstum zu betrachten. Wenn beispielsweise Eigentumsrechte nicht hinreichend sicher sind, gibt es wenig Anreize, in physisches Kapital und Humankapital zu investieren oder innovativ zu sein. Helpman zeigt aber auch, daß unser Wissen über die Art und Weise, wie Institutionen genau auf Wachstum wirkt, noch unzureichend ist. Insofern ist das Wachstum trotz aller Fortschritte noch immer etwas mysteriös.
Jeffrey Sachs: The End of Poverty. Economic Possibilities for Our Time. The Penguin Press, New York 2005, 416 Seiten, 27,95 Dollar.
Dieses Buch ist für mich ein unangenehmes Wachrütteln. Denn wir Ökonomen können uns schon einmal beliebig weit von realen und oft unangenehmen Zuständen der Welt entfernen, je nach dem, wie es uns paßt. Jeffrey Sachs jedoch, der mich bereits als Student stets zur relevanten Forschung angestachelt hat, mahnt uns alle, daß in einer immer reicher werdenden Welt täglich Abertausende von Menschenleben verlorengehen. Die Existenz von Extremarmut - ein Pro-Kopf-Bruttoeinkommen von weniger als einem Dollar am Tag - ist in der heutigen Zeit nicht mehr tragbar. Um so mehr, als die Kosten dieser Armutsbekämpfung so lächerlich niedrig sind, wie Sachs zeigt, daß ihr Fortbestand für uns alle beschämend sein muß. Auch wenn Sachs manchmal überschäumend schreibt, ist dieses Buch ein wichtiger Beweis dafür, daß es Ökonomen gibt, die sich aktiv für die Verbesserung der Welt einsetzen.
Martin Wolf: Why Globalization Works. Yale University Press, New Haven 2004, 398 Seiten, 31,44 Euro.
Das Buch ist ein "Pro-Globalisierungs-Buch" - was sich bekanntlich wesentlich schlechter verkauft als ein Anti-Globalisierungs-Buch. Es ist von einem sehr guten Ökonomen fachmännisch geschrieben, zugleich aber so, daß auch der Nicht-Volkswirt es gut verstehen kann. Er muß sich nur die Zeit nehmen, den Gedankengang und die empirischen Befunde zur Kenntnis zu nehmen. Wolf war lange bei der Weltbank und kann aus eigener Anschauung schildern, wie ein Land wie Indien oder Bangladesch durch die Hinwendung zum Weltmarkt an Wohlstand gewonnen hat. Er legt unter Verweis auf seriöse wissenschaftliche Untersuchungen dar, daß die Ungleichheit der Einkommen in der Welt abnimmt - und nicht, wie so oft zu hören ist, zunimmt.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Deutsche Wirtschaftswissenschaftler empfehlen ihr aktuelles Lieblingsbuch
Auch wer die Wirtschaft als Wissenschaft betreibt, ist nicht nur am Rechnen. Ökonomen lesen viel und gern. Vor dem Hintergrund der Frankfurter Buchmesse haben wir deutsche Ökonomen gefragt, welche neu erschienenen Wirtschaftsbücher sie in jüngster Zeit beeindruckt haben - und zwar so sehr, daß sie sie einem breiteren Publikum zur Lektüre empfehlen würden. Hier ist sie, die Leseliste der Ökonomen. (orn.)
Lawrence Lessig: Free Culture. How Big Media Uses Technology and the Law to Lock Down Culture and Control Creativity. Penguin Press, New York 2004, 345 Seiten, 24,95 Dollar.
Die Fähigkeit zu Innovation wird für alte Industrieländer im Zeitalter der Globalisierung zu einer Überlebensfrage. Diese Fähigkeit wird nachhaltig beeinflußt von den Institutionen, innerhalb deren sie möglich wird. Das reicht von Patenten und Urheberrechten über Designschutz bis hin zum Schutz von Software und Datenbanken. Angeführt von den Vereinigten Staaten tobt gegenwärtig eine Schlacht um eine Ausdehnung des Schutzbereichs von geistigem Eigentum bis hin zum Investitionsschutz. Einen solchen kann es allerdings in einer freien Wirtschaftsordnung nicht geben. Lawrence Lessig, Professor in Stanford, mahnt in seinem ebenso kundig wie spannend geschriebenen Buch zu Vorsicht, damit nicht individuelle Rechtspositionen Wettbewerbsprozesse letztlich behindern statt befördern. Das Thema hat in Deutschland trotz seiner grundlegenden Bedeutung die breite Öffentlichkeit noch nicht erreicht. Das Buch kann lizenzfrei aus dem Internet heruntergeladen werden (http://www.free-culture.cc/freeculture.pdf), solange dies zu nicht kommerziellen Zwecken geschieht.
Horst Siebert: Jenseits des Sozialen Marktes. DVA, München 2005, 544 Seiten, 29,90 Euro.
Der Vorzug dieses Buches besteht in einer geglückten Verbindung zwischen einer wissenschaftlich fundierten Diagnose sowie Analyse der Stärken und Schwächen des Wirtschaftsstandorts Deutschland und daraus konsequent abgeleiteten Reformvorschlägen. Dabei werden die wichtigsten wirtschaftspolitischen Bereiche thematisiert, angefangen vom Arbeitsmarkt über die Systeme der Sozialen Sicherung und der öffentlichen Finanzen bis hin zu Aspekten einer alternden Bevölkerung. Der Autor bietet zahlreiche, sorgfältig recherchierte quantitative Informationen, aber er überfrachtet sein Buch damit nicht. Man muß nicht mit jedem Detail seiner wirtschaftspolitischen Ratschläge uneingeschränkt übereinstimmen, um aus der Lektüre einen hohen Gewinn zu ziehen. Vor dem Hintergrund zahlreicher thematisch ähnlich ausgerichteter Bücher wird damit die Bringschuld der Ökonomen zur Lösung hiesiger Probleme eindrucksvoll abgegolten.
Heinz-J. Bontrup: Arbeit, Kapital und Staat. Plädoyer für eine demokratische Wirtschaftspolitik. Papy-Rossa-Verlag, Köln 2005, 424 Seiten, 24,80 Euro.
Bücher, welche die großen Herausforderungen Arbeitslosigkeit, staatliche Finanzkrise und kollabierende Sozialsysteme auf die Fesselung der Marktkräfte durch den Staat und die Gewerkschaften zurückführen, gibt es im Überfluß. Heinz-J. Bontrup indes präsentiert eine alternative Interpretation der Ursachen der sozial-ökonomischen Herausforderungen und darauf aufbauender Reformvorschläge. Er rückt die Arbeit in den Mittelpunkt der die Gesellschaft bestimmenden Ökonomie, als "einzig realem Wert in der Wirtschaftswelt" - und führt die anhaltende Stagnation und hohe Arbeitslosigkeit auf Defizite der internen Verfassung der Unternehmenswirtschaft sowie der politischen Gestaltung zurück. Bontrup entpuppt sich als aufgeklärter Keynesianer: Aus der Falle zwischen einzelund gesamtwirtschaftlicher Rationalität könne nur gesamtwirtschaftliche Politik führen; diese sorge dafür, daß das ökonomische System nicht "unter seinen Verhältnissen" produziere. Auch für den eingefleischten Neoklassiker, der einäugig Arbeitslosigkeit immer nur auf zu hohe Arbeitskosten zurückführt, lohnt sich die Lektüre. Denn Bontrup referiert kenntnisreich die irrealen Annahmen, die Ableitungen und schweren Folgen der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie.
Raghuram Rajan/Luigi Zingales: Saving Capitalism from the Capitalists. Unleashing the Power of Financial Markets to Create Wealth and Spread Opportunity. Princeton University Press, Princeton 2004, 392 Seiten, 18,95 Dollar.
Dies ist ein Buch, das erklärt, warum funktionierende Finanzmärkte eine zentrale Bedingung für Wachstum und Chancengleichheit sind und warum mächtige Interessengruppen sich dagegen sträuben. Ein revolutionäres Buch.
Peter Richerson/Robert Boyd: Not by Genes Alone: How Culture Transformed Human Evolution. University of Chicago Press, Chicago 2004, 342 Seiten, 30 Dollar.
Dieses Buch kann jedermann lesen und verstehen - Ökonomen, vor allem Institutionenökonomen, sollten es kennen. Beide Autoren sind in der Szene bekannt, vor allem durch formalere Abhandlungen. In diesem Buch beschreiben sie die Anpassungsfähigkeit der Spezies Mensch, womit insbesondere die Fähigkeit, komplexe Systeme zu beherrschen und damit sich die Erde untertan zu machen, als Ergebnis einer "darwinistischen Kulturrevolution" hervorgehoben wird. Dabei wird eine Verbindung der Kultur zur Biologie aufgebaut, die für Ökonomen - vor allem mit spieltheoretischem Hintergrund - faszinierend ist. Das Buch trägt auch zum Verständnis der Bildungsdebatte in Deutschland bei, weil eben Kultur mit Wettbewerb und mit "Trial and Error" verbunden ist und längst nicht so linear daherkommt, wie sich das die Ministerialen heute vorstellen.
Claude Ménard/Mary M. Shirley (Herausgeber): Handbook of New Institutional Economics. Verlag Springer, Berlin 2005, 884 Seiten, 202,23 Euro.
"Institutions matter": daß Institutionen positive Wohlfahrtseffekte hervorrufen, indem sie Unsicherheit reduzieren und zusätzliche Handlungsoptionen ermöglichen, ist keine neue Erkenntnis. Institutionen sind der Kern einer funktionsfähigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, das Fundament für arbeitsteilig organisierte Ökonomien. Schlechte Institutionen korrespondieren mit strukturellen Fehlentwicklungen und ökonomischer Rückständigkeit. Die Veränderung des institutionellen Rahmens ist auch in Deutschland eine der grundlegendsten Aufgaben, die es heute zu bewältigen gilt. Dennoch findet die Gestaltung von Institutionen nicht die notwendige Aufmerksamkeit im politischen Prozeß, und dennoch ist ihre Analyse nicht im Kern der ökonomischen Theorie angesiedelt. Beides wird sich nicht schlagartig durch das "Handbook" verändern, doch es kann einen bedeutenden Beitrag leisten. Vergleichbares liegt bisher nicht vor. Auf mehr als 800 Seiten werden in 30 Beiträgen die Wirkungen von wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Institutionen, die Determinanten der Entwicklung von Governance-Strukturen und der Ausgestaltung von privaten Verträgen sowie von Regulierungssystemen analysiert. Den Inhalt bilden sowohl komparative Institutionenanalysen als auch die Auslotung der Determinanten des institutionellen Wandels. Eine höchst wertvolle und facettenreiche Lektüre - sowohl für die Wissenschaft als auch für Vertreter der wirtschaftlichen und politischen Praxis.
Elhanan Helpman: The Mystery of Economic Growth. The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) 2004, 240 Seiten, 25,95 Dollar.
Noch immer lebt etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung in größter Armut. Geändert werden kann das nur durch schnelles Wachstum. Dafür müssen die Determinanten von Wachstum bekannt sein. Seit Mitte der achtziger Jahre ist eine neue Wachstumstheorie entstanden, die viel realitätsnäher ist als ihr Vorgänger aus den fünfziger Jahren. Elhanan Helpman, ein führend an der Entwicklung der neuen Theorie beteiligter Wissenschaftler, hat jetzt einen sehr gut lesbaren Überblick über die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre vorgelegt. Er zeigt, daß sehr viel dafür spricht, Institutionen als eine fundamentale Ursache von Wachstum zu betrachten. Wenn beispielsweise Eigentumsrechte nicht hinreichend sicher sind, gibt es wenig Anreize, in physisches Kapital und Humankapital zu investieren oder innovativ zu sein. Helpman zeigt aber auch, daß unser Wissen über die Art und Weise, wie Institutionen genau auf Wachstum wirkt, noch unzureichend ist. Insofern ist das Wachstum trotz aller Fortschritte noch immer etwas mysteriös.
Jeffrey Sachs: The End of Poverty. Economic Possibilities for Our Time. The Penguin Press, New York 2005, 416 Seiten, 27,95 Dollar.
Dieses Buch ist für mich ein unangenehmes Wachrütteln. Denn wir Ökonomen können uns schon einmal beliebig weit von realen und oft unangenehmen Zuständen der Welt entfernen, je nach dem, wie es uns paßt. Jeffrey Sachs jedoch, der mich bereits als Student stets zur relevanten Forschung angestachelt hat, mahnt uns alle, daß in einer immer reicher werdenden Welt täglich Abertausende von Menschenleben verlorengehen. Die Existenz von Extremarmut - ein Pro-Kopf-Bruttoeinkommen von weniger als einem Dollar am Tag - ist in der heutigen Zeit nicht mehr tragbar. Um so mehr, als die Kosten dieser Armutsbekämpfung so lächerlich niedrig sind, wie Sachs zeigt, daß ihr Fortbestand für uns alle beschämend sein muß. Auch wenn Sachs manchmal überschäumend schreibt, ist dieses Buch ein wichtiger Beweis dafür, daß es Ökonomen gibt, die sich aktiv für die Verbesserung der Welt einsetzen.
Martin Wolf: Why Globalization Works. Yale University Press, New Haven 2004, 398 Seiten, 31,44 Euro.
Das Buch ist ein "Pro-Globalisierungs-Buch" - was sich bekanntlich wesentlich schlechter verkauft als ein Anti-Globalisierungs-Buch. Es ist von einem sehr guten Ökonomen fachmännisch geschrieben, zugleich aber so, daß auch der Nicht-Volkswirt es gut verstehen kann. Er muß sich nur die Zeit nehmen, den Gedankengang und die empirischen Befunde zur Kenntnis zu nehmen. Wolf war lange bei der Weltbank und kann aus eigener Anschauung schildern, wie ein Land wie Indien oder Bangladesch durch die Hinwendung zum Weltmarkt an Wohlstand gewonnen hat. Er legt unter Verweis auf seriöse wissenschaftliche Untersuchungen dar, daß die Ungleichheit der Einkommen in der Welt abnimmt - und nicht, wie so oft zu hören ist, zunimmt.
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