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Der siebte Band der Martin-Schlosser-Chronik
"Eine Zeitreise von proust'schen Ausmaßen." NDR
Oldenburg im Frühjahr 1988: Martin Schlosser jobbt als Hilfsarbeiter in einer Spedition und versucht sich als Schriftsteller zu etablieren. Vorläufig langt es allerdings nur zu kleinen Beiträgen für das Stadtmagazin Diabolo und die Literaturzeitschrift Der Alltag, deren Berliner Redakteur Michael Rutschky dem jungen Autor wohlgesinnt ist. Martins Freundin Andrea plagt sich währenddessen als Praktikantin in einem Jugendzentrum ab und träumt von einem freieren und lustigeren Leben in einer…mehr

Produktbeschreibung
Der siebte Band der Martin-Schlosser-Chronik

"Eine Zeitreise von proust'schen Ausmaßen." NDR

Oldenburg im Frühjahr 1988: Martin Schlosser jobbt als Hilfsarbeiter in einer Spedition und versucht sich als Schriftsteller zu etablieren. Vorläufig langt es allerdings nur zu kleinen Beiträgen für das Stadtmagazin Diabolo und die Literaturzeitschrift Der Alltag, deren Berliner Redakteur Michael Rutschky dem jungen Autor wohlgesinnt ist. Martins Freundin Andrea plagt sich währenddessen als Praktikantin in einem Jugendzentrum ab und träumt von einem freieren und lustigeren Leben in einer schöneren Wohnung, die zur Abwechslung auch mal ein Badezimmer haben sollte. In Meppen, wo Martin aufgewachsen ist, setzt sich ungemildert der Ehekrieg zwischen seinen Eltern fort. Aber dann kommt vieles in Bewegung - in Meppen, in Oldenburg und nicht zuletzt in der Weltpolitik. Nach gut zwei Jahren hat sich das Leben des Erzählers zu seiner Verblüffung grundlegend geändert.
Autorenporträt
Gerhard Henschel, geboren 1962, lebt als freier Schriftsteller in der Nähe von Hamburg. Sein Briefroman Die Liebenden (2002) begeisterte die Kritik ebenso wie die Abenteuer seines Erzählers Martin Schlosser, die mit dem Kindheitsroman 2004 ihren Anfang nahmen. Henschel ist außerdem Autor zahlreicher Sachbücher. Er wurde unter anderen mit dem Hannelore-Greve-Literaturpreis, dem Nicolas-Born-Preis und dem Georg-K.-Glaser-Preis und dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2017

Alleskleber
Das Gewöhnliche, im natürlichen Maßstab betrachtet:
Gerhard Henschel schreibt einen Arbeiterroman
VON TILL BRIEGLEB
Ist es Vorwarnung, ist es Spott? Gleich nach der Begrüßung am Bahnhof eines kleinen niedersächsischen Kurorts sagt Gerhard Henschel, er wohne in diesem Fachwerkflecken mit Kliniken, weil es hier keine Jugendlichen gebe und deshalb keine Schmierereien an den Wänden. Als großer Artist der ironischen Probe, der Henschel ist, tendiert man ein wenig verunsichert dazu, diesen Prolog spießiger Selbstdarstellung für einen Scherz zu halten. Aber sobald man sein verklinkertes Haus in einer Satteldachsiedlung am Ortsrand erreicht hat, entpuppt sich diese Ansage als eher kokett.
Henschel und seine Familie (mit Jugendlichen) leben tatsächlich in einer gewissen Fundamentalopposition zum Schöner Wohnen: eher Möbelmarkt als Ikea, eher hölzern und rundgelutscht als eckig und klar, und auch kein bisschen intellektuell statusversessen. Biedermeiersofas und edel gerahmte Renaissanceposter sucht man im Zuhause dieses Autors ebenso vergeblich wie die demonstrativ zur Schau gestellten Regalkilometer einer Privatbibliothek. Die habituellen Angebereien gebildeter Abgrenzung kontert diese Lebenswelt mit einer Zuneigung zum proletarischen Stil.
Bestimmt lebt Gerhard Henschel nicht erst so, seit er einen „Arbeiterroman“ geschrieben hat. Schließlich hat er davor schon einen „Künstlerroman“ geschrieben und wird danach einen „Schelmenroman“ veröffentlichen. Außerdem handelt dieser Arbeiterroman gar nicht von Malochern und ihrem Milieu wie bei Ralf Rothmann. Dieser Roman handelt wie die sechs vorherigen Wälzer seiner Chronik der Wohlstands-BRD vom Klebstoff in einer klassischen Mittelschichtsfamilie, seiner Familie.
Seit dem Start dieses Mammutprojektes im Jahr 2004 mit dem „Kindheitsroman“ erzählt Henschel als „Martin Schlosser“ von Mama und Papa, Oma Jever und den Blums, von Wiebke, Gustav und Tante Dagmar, den „Engländern“ oder großen Vettern- und Kusinentreffen. Nach rund 3500 Seiten hat man diese für Neulinge kaum noch durchschaubare Verwandtschaft plus einiger Freunde durch die ganze alte BRD seit den Sechzigern begleitet, ist tief verstrickt in eine Chronologie des Normalen, deren einzige Abweichung vom bürgerlichen Mittelweg der Wunsch des Autors ist, Autor zu werden. In der Lebensepisode „Arbeiterroman“ bemüht sich der Schriftsteller in spe in der oldenburgischen Provinz mit großer Duldungsfähigkeit gegenüber Ablehnungsschreiben deutscher Satiremagazine und Verlage, als ein Karl Kraus des Emslands wahrgenommen zu werden.
Stilgewinn entsteht hier nicht durch einen Kulturwechsel im Verlauf von Generationskonflikten, wie ihn andere Autoren als Flucht in irgendwelche Subkulturen beschreiben. Vielmehr durchzieht eine altertümliche Treue zur Verwandtschaft Henschels Beobachtungen, selbst wenn es um Gewalt und ständige Demütigungen geht – etwa im engen Verhältnis zu seinen Eltern, dessen strukturelle Aggression jeden anderen zur Gründung einer Punkband bewogen hätte.
Aber Henschel macht sich die permanente Leier gleichbleibender Unverträglichkeiten durch liebevollen Humor erträglich. Ironie als Verzeihen könnte man Henschels Arbeit an seinem retrospektiven Tagebuch nennen. Aber eben bis heute kein Verrat an der so gewöhnlichen Lebenswelt, in die er 1962 in Hannover hineingeboren wurde, und die ihn seine prägenden Erfahrungen in der deutschen Provinz bei Koblenz, in Meppen und Jever machen ließ, bevor er als Titanic-Redakteur nach Frankfurt zog (wovon der „Schelmenroman“ handeln wird).
Die Grundlage von Gerhard Henschels Autobiografie unter falschem Namen, die auf weitere sieben Bände angelegt ist (unter anderem dem Dorf-, Schauer-, Alters- und Arztroman), ist aber buchhalterisch. Im Keller des Mietshauses reihen sich doch viele Regalmeter, allerdings gefüllt mit Akten- und Stehordnern. Hier lagert die Antwort auf die brennende Frage, die jeden umtreibt, der die Martin-Schlosser-Serie beginnt: Mr. Henschel, wie haben Sie das gemacht? Denn was zum allergrößten Erstaunen jedes Lesers im „Kindheitsroman“ begann, die präzise Erinnerung an banalste Nebensächlichkeiten – etwa wer in der Schule mit Geha und wer mit Pelikan schrieb, was wer zu wem im Sandkasten sagte, oder wer sich an welchem Gemüse der detaillierten Speisefolge mittags die Zunge verbrannt hat –, diese ganzen hypergenauen Aufzeichnungen eines hochgewöhnlichen Alltags, die im „Arbeiterroman“ für das Leben des Endzwanzigers in den Achtzigern fortgeführt wird, erfordert mindestens das Erinnerungsvermögen von Solomon Shereshevsky, dem berühmten russischen Gedächtniskünstler, der nichts vergaß.
Tatsächlich verdankt Henschel diese bezaubernde Akkuratesse, die jedem Gleichaltrigen mit vergleichbarer Sozialisation die facettenreiche Normalität des Aufwachsens vor Fernsehern, auf Familienfeiern und in Fußgängerzonen wiederbelebt, einer genetischen Chronisten-Manie in seinem Clan. Seit der Großeltern-Generation wurde in Henschels Familie der Alltag vermessen und gebannt, sei es in Bau- oder Liebestagebüchern, Fotoalben und langen Briefen.
Aus diesem Material, das Henschel eingesammelt hat und in seinem Keller sortiert hält, sowie intensiven Recherchen in Staatsbibliotheken über Produkte, politische Ereignisse und programmatische Zeiterscheinungen, rekonstruiert er seine Vergangenheit im Tempo „eineinhalb Seiten pro Tag“, mit dem Anspruch, alles „möglichst eins zu eins“ so wiederzugeben, wie es war. Beteiligte bekommen „ihre“ Passagen sogar zum Gegenlesen, damit sie verbessern, was sie besser wissen.
So entsteht dieser Sog des Dabeiseins, der einem das Deutschland des 20. Jahrhunderts in seiner erfreulich vielfältigen Normalität wie eine Neuerscheinung präsentiert. Der Fluch der Authentizität, der andere Autoren lieber erfinden lässt, als mühselig zu recherchieren, ist Gerhard Henschels Segensreich. Was er dazu erfindet, das ist die feine satirische Kommentierung, mit der er alles Wichtigtuerische piesackt und alle menschlichen Fehler freundlich aussehen lässt. Jede Nacht bis in die Morgenstunden verwebt er so in seinem Einfamilienhauskeller Präzision mit Witz. Ein Arbeiterleben, wie es jetzt auch im Buche steht.
Ein Erstaunen begleitet die
Lektüre: Wie kann es sein, dass
dieser Autor nichts vergisst?
Gerhard Henschel:
Arbeiterroman. Verlag
Hoffmann und Campe, Hamburg 2017.
530 Seiten, 25 Euro. E-Book 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Gerhard Henschel schreibt tief geerdet im Alltäglichen. Das ist eine große Kunst - und es entfaltet eine starke Sogwirkung.
« Ronald Meyer-Arlt Hannoversche Allgemeine 20170217