Jean-Luc Godard, einer der einflussreichsten Filmemacher in der Geschichte des Kinos, blickt im Gespräch mit dem bekannten Cineasten und Filmwissenschaftler Youssef Ishaghpour auf ein Jahrhundert Filmgeschichte und auf sein eigenes Werk zurück: ein eindringliches Zeugnis seiner eigenen lebenslangen Leidenschaft für das Kino und zugleich Dokumentation der Obsession des Kinos für die Geschichte.
Ausgehend von Godards monumentalem Spätwerk »Histoire(s) du cinéma« geht der Dialog den realen historischen wie auch ökonomischen Bedingungen des Filmschaffens und seinen ästhetischen und philosophischen Konsequenzen nach.
Das Kino hat gemeinsam mit dem 20. Jahrhundert das Licht der Welt erblickt und ist zur prägenden Kunstform des Jahrhunderts avanciert. Das Kino ist im Jahrhundert verwurzelt, das Jahrhundert im Kino. Nach einem Jahrhundert von Charlie Chaplin und Pol Pot, Marilyn Monroe und Hitler, Stalin und Mae West, Mao und den Marx Brothers sieht Godard Kino und Geschichte untrennbar miteinander verbunden.
Zum zentralen Anliegen wird die Frage: Wie kann das Kino historische Vergangenheit, aber auch seine eigene Vergangenheit wiederauferstehen lassen? Wie kann das Kino eine selbstreflexive Kunstform sein? Welche Rolle spielt der »Rhythmus« des Films, mit welchen filmtechnischen Mitteln wird er generiert? Abgerundet wird der Band durch einen Essay Ishaghpours über die Verbindung von Poetischem und Geschichtlichem bei Godard.
Ausgehend von Godards monumentalem Spätwerk »Histoire(s) du cinéma« geht der Dialog den realen historischen wie auch ökonomischen Bedingungen des Filmschaffens und seinen ästhetischen und philosophischen Konsequenzen nach.
Das Kino hat gemeinsam mit dem 20. Jahrhundert das Licht der Welt erblickt und ist zur prägenden Kunstform des Jahrhunderts avanciert. Das Kino ist im Jahrhundert verwurzelt, das Jahrhundert im Kino. Nach einem Jahrhundert von Charlie Chaplin und Pol Pot, Marilyn Monroe und Hitler, Stalin und Mae West, Mao und den Marx Brothers sieht Godard Kino und Geschichte untrennbar miteinander verbunden.
Zum zentralen Anliegen wird die Frage: Wie kann das Kino historische Vergangenheit, aber auch seine eigene Vergangenheit wiederauferstehen lassen? Wie kann das Kino eine selbstreflexive Kunstform sein? Welche Rolle spielt der »Rhythmus« des Films, mit welchen filmtechnischen Mitteln wird er generiert? Abgerundet wird der Band durch einen Essay Ishaghpours über die Verbindung von Poetischem und Geschichtlichem bei Godard.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2009Der Groll des Museumswärters
Jean-Luc Godard im Gespräch über Kino und Gedächtnis
Ein etwa achtzigseitiges Gespräch hat Youssef Ishaghpour im Jahr 2000 mit Jean-Luc Godard über dessen "Histoire(s) du Cinéma" geführt, dessen vielfältige Bezüge und Implikationen er dem Filmemacher wortreich darlegt. Diese achtteilige vielstimmige Auseinandersetzung mit Film und Geschichte (die bei uns im Herbst auf DVD erscheint, in England aber bereits bei Artificial Eye erhältlich ist) sei "wie jene großen Gedicht- oder Romanwerke, die komplex und einnehmend sein wollen, die die Trennung zwischen Prosa und Poesie, Bild und Reflexion, persönlichem Lyrismus und historischem Dokument aufheben, die systematisch Schrift und Erinnern vermengen, um jener Ort sein zu können, an dem die Wahrheit des Jahrhunderts widerhallt". Godard fühlt sich solchermaßen schon richtig verstanden und dankt es, indem er ein bisschen weniger orakelhaft antwortet, als er es sonst gerne tut. Er spricht von seiner Einsamkeit als Filmemacher, die ihn von früheren Generationen unterscheide, vom Versagen des Kinos gegenüber den Greueln des zwanzigsten Jahrhunderts, weil es seine "Pflicht, hinzusehen, nicht zu erfüllen vermocht" hat, von seiner Überzeugung, dass Bücher sich länger halten als Videokassetten, weil dort eine geringe Auflage nicht als etwas Unehrenhaftes angesehen wird, und von dem Rätsel, warum man "einen schlechten amerikanischen Film einem schlechten norwegischen Film jederzeit vorzieht". Wobei die beiden dieser Frage leider nicht nachgehen, die man ja durchaus hätte zuspitzen können, warum man die schlechten amerikanischen mitunter sogar den guten norwegischen Filmen vorzieht. Aber natürlich geht es mehr um die "Histoire(s)" und um Ishaghpours nachvollziehbares Gefühl, hier tatsächlich etwas Einzigartigem beigewohnt zu haben, nämlich dem Kino dabei zusehen zu können, wie es über sich selbst nachdenkt. Und dabei kommt er auch zu schönen Beobachtungen wie dieser: "Sie sind zugleich der Museumswärter, der auf ein Trinkgeld wartet und die Besucher anschnauzt, die nicht begreifen, dass es zuallererst um die Werke geht. Sie sind es auch, der dem Kino seine Identität schuldet und der um seines Seelenheils willen diese Schuld begleichen muss."
malt
Jean-Luc Godard/Youssef Ishaghpour: "Archäologie des Kinos, Gedächtnis des Jahrhunderts". Aus dem Französischen von Michael Heitz und Sabine Schulz. Diaphanes, Zürich/Berlin 2008. 112 S., br., 12,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jean-Luc Godard im Gespräch über Kino und Gedächtnis
Ein etwa achtzigseitiges Gespräch hat Youssef Ishaghpour im Jahr 2000 mit Jean-Luc Godard über dessen "Histoire(s) du Cinéma" geführt, dessen vielfältige Bezüge und Implikationen er dem Filmemacher wortreich darlegt. Diese achtteilige vielstimmige Auseinandersetzung mit Film und Geschichte (die bei uns im Herbst auf DVD erscheint, in England aber bereits bei Artificial Eye erhältlich ist) sei "wie jene großen Gedicht- oder Romanwerke, die komplex und einnehmend sein wollen, die die Trennung zwischen Prosa und Poesie, Bild und Reflexion, persönlichem Lyrismus und historischem Dokument aufheben, die systematisch Schrift und Erinnern vermengen, um jener Ort sein zu können, an dem die Wahrheit des Jahrhunderts widerhallt". Godard fühlt sich solchermaßen schon richtig verstanden und dankt es, indem er ein bisschen weniger orakelhaft antwortet, als er es sonst gerne tut. Er spricht von seiner Einsamkeit als Filmemacher, die ihn von früheren Generationen unterscheide, vom Versagen des Kinos gegenüber den Greueln des zwanzigsten Jahrhunderts, weil es seine "Pflicht, hinzusehen, nicht zu erfüllen vermocht" hat, von seiner Überzeugung, dass Bücher sich länger halten als Videokassetten, weil dort eine geringe Auflage nicht als etwas Unehrenhaftes angesehen wird, und von dem Rätsel, warum man "einen schlechten amerikanischen Film einem schlechten norwegischen Film jederzeit vorzieht". Wobei die beiden dieser Frage leider nicht nachgehen, die man ja durchaus hätte zuspitzen können, warum man die schlechten amerikanischen mitunter sogar den guten norwegischen Filmen vorzieht. Aber natürlich geht es mehr um die "Histoire(s)" und um Ishaghpours nachvollziehbares Gefühl, hier tatsächlich etwas Einzigartigem beigewohnt zu haben, nämlich dem Kino dabei zusehen zu können, wie es über sich selbst nachdenkt. Und dabei kommt er auch zu schönen Beobachtungen wie dieser: "Sie sind zugleich der Museumswärter, der auf ein Trinkgeld wartet und die Besucher anschnauzt, die nicht begreifen, dass es zuallererst um die Werke geht. Sie sind es auch, der dem Kino seine Identität schuldet und der um seines Seelenheils willen diese Schuld begleichen muss."
malt
Jean-Luc Godard/Youssef Ishaghpour: "Archäologie des Kinos, Gedächtnis des Jahrhunderts". Aus dem Französischen von Michael Heitz und Sabine Schulz. Diaphanes, Zürich/Berlin 2008. 112 S., br., 12,90 [Euro].
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»Selten äußert sich Godard in der Öffentlichkeit, nun wird mit 'Archäologie des Kinos' ein solch rares Zeugnis in Buchform greifbar. Der kompakte Text hat seit seiner französischen Erstveröffentlichung nichts an Aktualität und Prägnanz verloren. Konfrontiert mit detailreichen Kenntnissen und klugen Interpretationen seiner Arbeit, läßt Godard sich dazu anregen, den Film quasi im Gespräch fortzuschreiben, weitere Verästelungen und Verknüpfungen herzustellen.« Claus Löser, film-dienst