Dass ein Reiseführer zum Pageturner wird, habe ich auch noch nicht erlebt. Aber Lisa Rademacher hat ihre Ausflugsziele so raffiniert miteinander verknüpft, dass man gar nicht mehr aufhören will. Jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, den man ganz leicht umgehen kann, indem man die Seite
umblättert und das nächste Kapitel beginnt. Da das ganze Buch chronologisch (nicht geografisch!) aufgebaut…mehrDass ein Reiseführer zum Pageturner wird, habe ich auch noch nicht erlebt. Aber Lisa Rademacher hat ihre Ausflugsziele so raffiniert miteinander verknüpft, dass man gar nicht mehr aufhören will. Jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, den man ganz leicht umgehen kann, indem man die Seite umblättert und das nächste Kapitel beginnt. Da das ganze Buch chronologisch (nicht geografisch!) aufgebaut ist, begibt man sich dabei auf eine spannende Reise durch die Vergangenheit Baden-Württembergs, wobei der Untertitel des Buches in die Irre führt: Der Bogen spannt sich deutlich weiter als nur bis zur Frühgeschichte. Die endet per Definition mit dem Beginn der Römerzeit in Mitteleuropa, die Beiträge haben aber einen nicht unbedeutenden Schwerpunkt gerade dort. Das letzte Kapitel lugt sogar noch ein wenig in das frühe Mittelalter hinein. Man bekommt also deutlich mehr als erwartet.
Lisa Rademacher verbindet das, was man bei den jeweiligen Ausgrabungen, Museen oder Archäologiepfaden sieht, mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur jeweiligen Zeitstellung. Die urgeschichtliche Ausbreitungskarte auf Seite 24 entspricht nicht dem Stand der Forschung. Homo sapiens sapiens entwickelte sich in Nord- nicht in Südafrika und der Mensch erreichte Sibirien deutlich vor 30 000 v. Chr., da es kurz darauf bereits nachgewiesene Siedlungen in Südamerika gibt. Die Erkenntnisse sind allerdings neuer als das Druckdatum des Buchs.
Ansonsten diskutiert die Autorin sehr ausgewogen, wie sich die Erkenntnisse im Lauf der Zeit gewandelt haben. Was vor hundert Jahren noch gesichert war, ist heute teilweise überholt, insbesondere was die urzeitlichen Funde der schwäbischen Alb angeht, die auch in den letzten Jahren immer wieder spektakuläre Entdeckungen gebracht haben.
Ein weiterer Schwerpunkt sind Kelten und Römer, die mit zahlreichen Bodendenkmälern noch heute sichtbare Spuren hinterlassen haben. An vielen Stellen kann man heute anschauliche Rekonstruktionen besichtigen und das nicht nur in themengebundenen Museen.
Zu jedem Ausflugsziel gibt es detaillierte Angaben zur Anfahrt, in der Regel auch mit Geokoordinaten, was die Orientierung im Gelände erleichtert. Weitere Informationen umfassen die Barrierefreiheit, Öffnungszeiten und die Dauer, die man für einen Besuch einplanen sollte. Ist das Ziel für einzelne Besucherkreise besonders interessant (z. B. Schulklassen oder Kinder), wird das gesondert erwähnt. Auf der Einbandinnenseite findet sich übrigens auch eine Karte mit allen eingezeichneten Lokalitäten, so dass man Besuche günstig bündeln kann.
Ich war sehr überrascht, wie viel Aufwand Baden-Württemberg treibt, um die eigene Vergangenheit für ein möglichst breites Publikum zu erschließen und auf welch hohem didaktischen Niveau das geschieht. Geschichte als anschauliches, persönliches Erlebnis hat eine ganz andere Wirkung als ein Buch. Aber manchmal öffnet einem eben erst ein Buch die Türen zu solchen Erlebnissen.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)