«Archipel» nennt Dieter Bachmann die Sammlung seiner essayistischen Schriften - eine Inselgruppe, ein Inselreich. Viele größere und kleinere Punkte auf der Weltkarte des Geistes, lose gruppiert. Auch die Assoziation der Ferne und Fremde stellt sich ein. Dabei geht es in diesen Texten um die Personen, Werke und Tendenzen, die das europäische Geistesleben seit Mitte des 20. Jahrhunderts bewegt haben. Unermüdlich bereiste Bachmann diese faszinierend reiche Welt - er hat erfahren, wovon er spricht.Im literarisch-intellektuellen Leben der Schweiz gehörte er in den letzten fünf Jahrzehnten zu den prägenden Persönlichkeiten. Sein Wirken fällt zugleich in eine Zeit, als Europa eine belebende kulturelle Idee war: die Idee eines vielfältigen Austausches freier Gesellschaften - mit der Schweiz als selbstverständlichem Akteur darin. Hier war Dieter Bachmann in seinem Element: In den europäischen Zentren Paris, Rom, Berlin oder Wien war er mit der gleichen Selbstverständlichkeit unterwegs wiein Zürich, am Jurasüdfuss oder im Tessin. Der Modus seiner Tätigkeit war von Beginn an: genaue, unvoreingenommene Beobachtung, gedankliche Intensität und sprachliche Prägnanz. Bis heute atmen seine Texte diesen Geist, so dass sie sich nicht nur wie ein «Who is Who», sondern wie die Geschichte einer ganzen Epoche lesen.Der Horizont ist dabei weit gespannt: Literatur, Film, Fotografie, Architektur, Musik - für Bachmann gehört all dies selbstverständlich zusammen. Er porträtiert Autorenkollegen, besucht Orte der kleinen und großen Geschichte, deutet die Physiognomie von Städten und Landschaften oder spürt dem Lebensgefühl des Aufbruchs nach, das einstmals aus Dingen wie einer Vespa sprach. Die Texte folgen dabei keinem ideologischen Programm; stattdessen geht es um eine Haltung: Wachheit, Neugier, Spürsinn für alles Implizite und Mehrdimensionale; es geht um kritische Präzision und historisches Bewusstsein. Was ein homme de lettre ist, weiß man in deutschsprachigen Ländern nur vom Hörensagen. Warum der Begriff im romanischen Kulturraum hingegen eine hohe Auszeichnung bedeutet, versteht man bei der Lektüre von Bachmanns Texten: gleich welchem Gegenstand er sich zuwendet - jeder seiner Sätze zeugt von hoher literarischer Individualität, verbunden mit einem geistigen Horizont europäischen Formats.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.03.2023Zu Besuch beim düstersten Schwarzseher der Gegenwart
Bei Cioran war er Gast, François Bondys Adlatus war er gern: Das Lebenswerk des Schweizer Journalisten und Redakteurs Dieter Bachmann in drei Bänden
Eine solche Ehre wird einem Journalisten nur selten zuteil. Im Schuber aus Plexiglas, in drei prachtvoll ausgestatteten Bänden, auf 1500 äußerst lesefreundlich gestalteten Seiten aus bestem Papier, versehen mit Quellenangaben, Erläuterungen und Register präsentiert das Unternehmen "Archipel" das Lebenswerk des Schweizers Dieter Bachmann, der seine Texte auch in deutschen Zeitungen und Magazinen publiziert hat. Als Redakteur leitete der 1940 geborene Bachmann die Zeitschrift "Du" und wirkte beim Magazin des "Tages-Anzeigers" - beide Periodika waren eine erste Adresse für Fotojournalismus, Reportagen und Porträts.
Nach dem Untergang der Amoco Cadiz ging Bachmann 1978 über die versehrten Strände der Bretagne. Er schrieb über Ludwig Hohl und Friedrich Glauser, Jürg Federspiel und Max Frisch. Paul Nizon hat er zum Durchbruch verholfen. Hermann Burger und Gertrud Leutenegger werden in lebhafteste Erinnerung gerufen. Zum Essen geht es in die "Kronenhalle". Mit Paul Zumthor an den Polarkreis und "Mit Gleichmut in den Untergang" nach Venedig. Nach Mailand 72 Stunden lang in "Eine Stadt, die keiner mag". Und immer wieder nach Paris.
Er besuchte Gisèle Freund, Jeanne Moreau und 1982 Emile Cioran - drei Vormittage verbrachte er mit diesem "düstersten Schwarzdenker der Gegenwart", nicht nur der Schnaps stieg ihm in den Kopf. Dass im Jahr zuvor Mitterrand französischer Präsident geworden war, wird mit keinem Wort erwähnt. Das Porträt ist der unmittelbaren Aktualität ebenso entrückt wie - scheinbar - das gesamte Werk des begnadeten Stilisten Cioran, für den Französisch nicht die Muttersprache war. "In seinem ersten französischen Buch beschreibt Cioran ein Lebensgefühl, das ihn in Rumänien ereilt und seitdem nicht mehr verlassen hat", heißt es in Bachmanns Reportage - es handelte sich um die "Lehre vom Zerfall", die von Paul Celan ins Deutsche übersetzt wurde.
Vermutlich hatte Cioran Celan, dessen Eltern von den Nazis ermordet worden waren, die gleichen Lebenslügen aufgetischt wie Dieter Bachmann und allen Journalisten, die zu ihm pilgerten. Dass er bereits in seiner rumänischen Heimat zum Faschisten und in Berlin, wo er vor Paris lebte, zum glühenden Verehrer Hitlers geworden war, behielt Cioran für sich. Bachmanns Essay mit der falschen Entstehungsgeschichte von Ciorans Werk tut das keinen Abbruch, im Gegenteil: Er gewinnt an Relevanz. Dieser großartige Text steht für den Moment, in dem Cioran "in deutschen Linkskreisen zu seinem eigenen Erstaunen Mode geworden ist". In Frankreich wird er mittlerweile der rechtsextremen Literatur zugerechnet.
Den Kontakt hatte François Bondy hergestellt, dem Bachmann eines seiner persönlichsten Porträts widmet. Es entstand 1998 im Auftrag seines Nachfolgers Marco Meier als Chefredakteur des "Du". Bachmann besuchte den inzwischen 84 Jahre alten Bondy im Wohnzimmer seines Hauses in Zürich. 29 Jahre zuvor waren sie sich erstmals in einer Bar begegnet; Bondy kehrte aus Paris in die Schweiz zurück und wurde Kulturchef der "Weltwoche". Bachmann, der sich dort als Redakteur beworben hatte, beschreibt seine "Begutachtung", und "dann war ich irgendwie angestellt".
Und zwar als "Adlatus von François", wie er mit der ihm eigenen Selbstironie konstatiert, aber das "habe ich nicht ein Mal zu spüren bekommen". Er schildert den offenbar ziemlich chaotischen Redaktionsalltag mit Bondy, der mit seinem legendären Stapel zerknüllter Zeitungen unter dem Arm in die Redaktion kam (wenn er denn kam) und von den Abläufen der Produktion wenig hielt. Dass es schon damals möglich war, ein von ihm mitgebrachtes Foto von Thomas Bernhard, das nicht in den Umbruch passte, zu vergrößern oder zu verkleinern, ignorierte Bondy souverän. Der Vermerk "eher schwacher Text, bdy." auf einer Korrekturfahne wurde gedruckt. Bachmann verschweigt den Autor jenes Artikels und blickt auf "glückliche Jahre" zurück: "Insofern war ich gerne Adlatus."
Der Angestellte wurde zum Freund und erweist sich in seinem Porträt als akribischer Biograph. Bachmann würdigt Bondys Bedeutung und Tätigkeit in Paris, wo er als Redakteur von "Preuves", dem französischen Pendant zum "Monat", gearbeitet hatte. Beide Zeitschriften wurden von den Amerikanern als antikommunistisches Instrument gegen Stalins Propaganda in Westeuropa begründet und finanziert. Bondy war Teil der französischen Intelligenzija und mit vielen osteuropäischen Dichtern, die er in den deutschen Kulturraum vermittelte, befreundet. Mit Witz und voller Ehrfurcht, ja Bewunderung schildert Bachmann unbekannte Episoden aus Bondys bewegtem Leben - sie zeugen von der komplizenhaften Vertrautheit der beiden so unterschiedlichen Männer.
Der Besucher erschrickt fast ein bisschen, als sich im dunklen Wohnzimmer und nach längerem Warten "François" im Fauteuil in der Ecke "bemerkbar machte und grußmurmelnd aufstand". Von Bondys "Altersgrazie" hat Iso Camartin, auch er ein enger Freund, gesprochen. Bondy hatte einen Hirnschlag hinter sich und schrieb nicht mehr. Bachmann, sein Freund seit dreißig Jahren, geht der Herausforderung nicht aus dem Weg, zitiert sei hier lediglich Bondys Antwort: "Ich überlege, wie man das pointiert ausdrücken kann."
Bondy ist nicht der Einzige, den Bachmann aus dem drohenden Vergessen zurückholt. Aber selbst im Porträt des Freundes schreibt Bachmann nur beiläufig über sich selbst. Sein persönlichster Text ist ein Nachruf auf den Verleger Egon Ammann, der in der Schweizer Suhrkamp-Filiale laut Bachmann zu "Siegfried Unselds Söldner wurde - und Gouverneur".
Der Text eröffnet einen Einblick in die unerfüllt gebliebenen literarischen Ambitionen des Journalisten und Verfassers mehrerer Romane. "Hatte er nicht sogar etwas von Mackie Messer?" beginnt das postume Porträt Ammans. Auch mit Gerhard Schröder vergleicht Bachmann ihn: Schlawiner oder Schlaumeier? Ammann hatte Bachmann im "Quartier der Verleger" eine Visitenkarte unter den Scheibenwischer gesteckt: "Ich möchte dein Verleger werden." Doch auf seinen letzten "sechsseitigen Brief" nicht mehr geantwortet: "Ich rekapitulierte darin meine bescheidene Laufbahn als Autor, beklagte meine damals wieder aktuelle Verlagslosigkeit", und das alles aufgrund einer "apokryphen Verbundenheit".
Ein "Archipel" mag aus Inseln bestehen - bei Bachmann sind es Gipfel, die aus einer vergangenen Epoche hervorragen. Er war wie nur wenige Journalisten seiner Generation auf der Höhe der finanziellen Mittel und Platzverhältnisse, die den "Beilagen" zur Verfügung standen. Jeder Text ist lesenswert geblieben. Dank seiner Qualität. Aber auch weil er in der Gegenwart seines Entstehens verwurzelt ist. In den besten dieser Reportagen, Porträts und Essays werden auch die Klischees des Zeitgeists fassbar, vor denen kein Journalist gefeit ist. Dieter Bachmanns Momentaufnahmen summieren sich zum Längsschnitt eines halben Jahrhunderts. JÜRG ALTWEGG
Dieter Bachmann: "Archipel". Expeditionen, Begegnungen, Schauplätze, gesammelte Reportagen, Essays und Porträts.
Nimbus Verlag, Wädenswil 2022. 3 Bde. im Schuber, 392, 544 und 574 S., Abb., geb., zus. 98,- Euro .
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Bei Cioran war er Gast, François Bondys Adlatus war er gern: Das Lebenswerk des Schweizer Journalisten und Redakteurs Dieter Bachmann in drei Bänden
Eine solche Ehre wird einem Journalisten nur selten zuteil. Im Schuber aus Plexiglas, in drei prachtvoll ausgestatteten Bänden, auf 1500 äußerst lesefreundlich gestalteten Seiten aus bestem Papier, versehen mit Quellenangaben, Erläuterungen und Register präsentiert das Unternehmen "Archipel" das Lebenswerk des Schweizers Dieter Bachmann, der seine Texte auch in deutschen Zeitungen und Magazinen publiziert hat. Als Redakteur leitete der 1940 geborene Bachmann die Zeitschrift "Du" und wirkte beim Magazin des "Tages-Anzeigers" - beide Periodika waren eine erste Adresse für Fotojournalismus, Reportagen und Porträts.
Nach dem Untergang der Amoco Cadiz ging Bachmann 1978 über die versehrten Strände der Bretagne. Er schrieb über Ludwig Hohl und Friedrich Glauser, Jürg Federspiel und Max Frisch. Paul Nizon hat er zum Durchbruch verholfen. Hermann Burger und Gertrud Leutenegger werden in lebhafteste Erinnerung gerufen. Zum Essen geht es in die "Kronenhalle". Mit Paul Zumthor an den Polarkreis und "Mit Gleichmut in den Untergang" nach Venedig. Nach Mailand 72 Stunden lang in "Eine Stadt, die keiner mag". Und immer wieder nach Paris.
Er besuchte Gisèle Freund, Jeanne Moreau und 1982 Emile Cioran - drei Vormittage verbrachte er mit diesem "düstersten Schwarzdenker der Gegenwart", nicht nur der Schnaps stieg ihm in den Kopf. Dass im Jahr zuvor Mitterrand französischer Präsident geworden war, wird mit keinem Wort erwähnt. Das Porträt ist der unmittelbaren Aktualität ebenso entrückt wie - scheinbar - das gesamte Werk des begnadeten Stilisten Cioran, für den Französisch nicht die Muttersprache war. "In seinem ersten französischen Buch beschreibt Cioran ein Lebensgefühl, das ihn in Rumänien ereilt und seitdem nicht mehr verlassen hat", heißt es in Bachmanns Reportage - es handelte sich um die "Lehre vom Zerfall", die von Paul Celan ins Deutsche übersetzt wurde.
Vermutlich hatte Cioran Celan, dessen Eltern von den Nazis ermordet worden waren, die gleichen Lebenslügen aufgetischt wie Dieter Bachmann und allen Journalisten, die zu ihm pilgerten. Dass er bereits in seiner rumänischen Heimat zum Faschisten und in Berlin, wo er vor Paris lebte, zum glühenden Verehrer Hitlers geworden war, behielt Cioran für sich. Bachmanns Essay mit der falschen Entstehungsgeschichte von Ciorans Werk tut das keinen Abbruch, im Gegenteil: Er gewinnt an Relevanz. Dieser großartige Text steht für den Moment, in dem Cioran "in deutschen Linkskreisen zu seinem eigenen Erstaunen Mode geworden ist". In Frankreich wird er mittlerweile der rechtsextremen Literatur zugerechnet.
Den Kontakt hatte François Bondy hergestellt, dem Bachmann eines seiner persönlichsten Porträts widmet. Es entstand 1998 im Auftrag seines Nachfolgers Marco Meier als Chefredakteur des "Du". Bachmann besuchte den inzwischen 84 Jahre alten Bondy im Wohnzimmer seines Hauses in Zürich. 29 Jahre zuvor waren sie sich erstmals in einer Bar begegnet; Bondy kehrte aus Paris in die Schweiz zurück und wurde Kulturchef der "Weltwoche". Bachmann, der sich dort als Redakteur beworben hatte, beschreibt seine "Begutachtung", und "dann war ich irgendwie angestellt".
Und zwar als "Adlatus von François", wie er mit der ihm eigenen Selbstironie konstatiert, aber das "habe ich nicht ein Mal zu spüren bekommen". Er schildert den offenbar ziemlich chaotischen Redaktionsalltag mit Bondy, der mit seinem legendären Stapel zerknüllter Zeitungen unter dem Arm in die Redaktion kam (wenn er denn kam) und von den Abläufen der Produktion wenig hielt. Dass es schon damals möglich war, ein von ihm mitgebrachtes Foto von Thomas Bernhard, das nicht in den Umbruch passte, zu vergrößern oder zu verkleinern, ignorierte Bondy souverän. Der Vermerk "eher schwacher Text, bdy." auf einer Korrekturfahne wurde gedruckt. Bachmann verschweigt den Autor jenes Artikels und blickt auf "glückliche Jahre" zurück: "Insofern war ich gerne Adlatus."
Der Angestellte wurde zum Freund und erweist sich in seinem Porträt als akribischer Biograph. Bachmann würdigt Bondys Bedeutung und Tätigkeit in Paris, wo er als Redakteur von "Preuves", dem französischen Pendant zum "Monat", gearbeitet hatte. Beide Zeitschriften wurden von den Amerikanern als antikommunistisches Instrument gegen Stalins Propaganda in Westeuropa begründet und finanziert. Bondy war Teil der französischen Intelligenzija und mit vielen osteuropäischen Dichtern, die er in den deutschen Kulturraum vermittelte, befreundet. Mit Witz und voller Ehrfurcht, ja Bewunderung schildert Bachmann unbekannte Episoden aus Bondys bewegtem Leben - sie zeugen von der komplizenhaften Vertrautheit der beiden so unterschiedlichen Männer.
Der Besucher erschrickt fast ein bisschen, als sich im dunklen Wohnzimmer und nach längerem Warten "François" im Fauteuil in der Ecke "bemerkbar machte und grußmurmelnd aufstand". Von Bondys "Altersgrazie" hat Iso Camartin, auch er ein enger Freund, gesprochen. Bondy hatte einen Hirnschlag hinter sich und schrieb nicht mehr. Bachmann, sein Freund seit dreißig Jahren, geht der Herausforderung nicht aus dem Weg, zitiert sei hier lediglich Bondys Antwort: "Ich überlege, wie man das pointiert ausdrücken kann."
Bondy ist nicht der Einzige, den Bachmann aus dem drohenden Vergessen zurückholt. Aber selbst im Porträt des Freundes schreibt Bachmann nur beiläufig über sich selbst. Sein persönlichster Text ist ein Nachruf auf den Verleger Egon Ammann, der in der Schweizer Suhrkamp-Filiale laut Bachmann zu "Siegfried Unselds Söldner wurde - und Gouverneur".
Der Text eröffnet einen Einblick in die unerfüllt gebliebenen literarischen Ambitionen des Journalisten und Verfassers mehrerer Romane. "Hatte er nicht sogar etwas von Mackie Messer?" beginnt das postume Porträt Ammans. Auch mit Gerhard Schröder vergleicht Bachmann ihn: Schlawiner oder Schlaumeier? Ammann hatte Bachmann im "Quartier der Verleger" eine Visitenkarte unter den Scheibenwischer gesteckt: "Ich möchte dein Verleger werden." Doch auf seinen letzten "sechsseitigen Brief" nicht mehr geantwortet: "Ich rekapitulierte darin meine bescheidene Laufbahn als Autor, beklagte meine damals wieder aktuelle Verlagslosigkeit", und das alles aufgrund einer "apokryphen Verbundenheit".
Ein "Archipel" mag aus Inseln bestehen - bei Bachmann sind es Gipfel, die aus einer vergangenen Epoche hervorragen. Er war wie nur wenige Journalisten seiner Generation auf der Höhe der finanziellen Mittel und Platzverhältnisse, die den "Beilagen" zur Verfügung standen. Jeder Text ist lesenswert geblieben. Dank seiner Qualität. Aber auch weil er in der Gegenwart seines Entstehens verwurzelt ist. In den besten dieser Reportagen, Porträts und Essays werden auch die Klischees des Zeitgeists fassbar, vor denen kein Journalist gefeit ist. Dieter Bachmanns Momentaufnahmen summieren sich zum Längsschnitt eines halben Jahrhunderts. JÜRG ALTWEGG
Dieter Bachmann: "Archipel". Expeditionen, Begegnungen, Schauplätze, gesammelte Reportagen, Essays und Porträts.
Nimbus Verlag, Wädenswil 2022. 3 Bde. im Schuber, 392, 544 und 574 S., Abb., geb., zus. 98,- Euro .
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Äußerst lesenswert ist Rezensent Jürg Altwegg zu Folge das Lebenswerk des Schweizer Journalisten und Redakteurs Dieter Bachmann, das nun in 3 "prachtvoll" editierten Bänden erschien. "Archipel" hat Bachmann selbst diese Sammlung seiner essayistischen Schriften genannt, für den Rezensenten stellen die Texte viel eher als Inseln "Gipfel" dar, "die aus einer vergangenen Epoche" ragen. Bachmann war Leiter der Zeitschrift "Du" und schrieb für das Magazin "Tagesanzeiger". Mit Interesse und Vergnügen liest der Rezensent Bachmanns Porträts von wichtigen Künstlern und Intellektuellen der Zeit, wie Gisèle Freund, Emil Cioran und François Bondy. Mit ersterem verbrachte Bachmann drei schnapsschwere Nachmittage in Paris, mit letzterem arbeitete er bei der Zeitschrift "Du". Ehrfürchtig, aber auch humorvoll und in akribischem Detail schildert Bachmann den Lebensweg Bondys, mit dem ihm auch eine tiefe Freundschaft verband, so der Rezensent. Die Texte sind nicht nur qualitativ hochwertig, sondern auch wichtige historische Dokumente, gerade wenn in ihnen das ein oder andere journalistische "Klischee des Zeitgeistes" sichtbar wird, schließt Altwegg.
© Perlentaucher Medien GmbH
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