Dieses Buch führt neue Maßstäbe in die architektonische Debatte ein: Was macht die Qualität von Architektur aus? Eine altmodische Frage angesichts des Kults, der um die schrillen Stars der globalen Architektenszene getrieben wird. Gebaut aber wird nicht für eine Saison, schlechte Architektur bleibt für Jahrzehnte ein Ärgernis. Für Georg und Dorothea Franck gibt es Kriterien, nach denen die Qualität eines Bauwerks beurteilt werden kann: sein Verhältnis zur Umgebung, seine Funktionalität, seine sinnliche Ausstrahlung. Es ist keine Sache der Beliebigkeit, welche Entwürfe diesen Anforderungen entsprechen. Die Kenntnis der kanonischen Vorbilder spielt dabei mindestens die gleiche Rolle wie ein wacher Sinn für die Spielregeln der modernen Gesellschaft.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2008Ein Tempel ist kein Reihenhaus
Was ist "Architektonische Qualität"? Georg Franck sucht nach der Antwort und beißt auf Granit
Einer weit verbreiteten Ansicht zufolge sind Rezensenten grundsätzlich hartherzig, übellaunig, böswillig und voller Ressentiment. Darum warten sie auch am Schreibtisch wie die Spinne im Netz, und wenn sich ein armer Autor dort mit seinem Buch verfängt, besteht ihre größte Lust darin, hämisch über das wehrlose Opfer herzufallen. In Wahrheit gibt es niemanden, der sich über einen unterhaltsamen, lehrreichen oder auch nur halbwegs solide gearbeiteten Text mehr freuen würde als der arme Mensch, der ihn besprechen muss. Nur allzu häufig ist die Lektüre nämlich ein qualvolles Exerzitium, das einem jede Lust daran raubt, diese peinigende Erfahrung nachträglich auch noch mühselig in gebundene Rede zu übersetzen. Und da allein die Gewissheit, dass die Autoren ja schon dadurch hinlänglich gestraft sind, dass sie öffentlich als Urheber ihrer Werke bekanntgemacht werden, ohnehin bereits jegliche Rachegelüste hinreichend neutralisiert, wäre es im Grunde jedem Rezensenten am liebsten, das Langweilige, das Prätentiöse und das Ärgerliche stillschweigend übergehen zu dürfen.
Je interessanter das Thema und je unbefriedigender das Leseerlebnis, desto stärker wird dieser Wunsch, denn umso stärker fällt gemeinhin auch die Enttäuschung aus. Ein Beispiel: Georg Franck, Professor für digitale Methoden in Architektur und Raumplanung in Wien, hat ein umfangreiches Sachbuch mit dem vielversprechenden Titel "Architektonische Qualität" vorgelegt. Niemand, der auch nur einmal offenen Auges eine beliebige deutsche Fußgängerzone durchschritten hat, wird an der Berechtigung eines solchen Unternehmens zweifeln. Der größte Teil unserer verbauten Umwelt ist ästhetisch und funktional allenfalls durchschnittlich, vieles geradezu furchterregend. Der Ansicht ist offenbar auch Georg Franck, weshalb er die Zunft der Architekten zu Beginn seiner Ausführungen vorsorglich in normative Beugehaft nimmt: "Leicht wird man sich darüber verständigen, dass Architektur ein qualitativer Begriff ist. Was anderes als der Anspruch einer bestimmten Qualität macht den Unterschied zum einfachen Bauen aus? Notorisch schwierig ist es aber, diese Qualität zu bestimmen." Es folgen mehr als 270 Seiten, auf denen der Autor, unterstützt von seiner Schwester Dorothea Franck, einer Linguistin und Literaturwissenschaftlerin, sich eben dieser Aufgabe unterzieht.
Die Grundthesen, von denen er seine Leser überzeugen möchte, lassen sich in wenigen Sätzen grob zusammenfassen: Die Architektur verhält sich zum einfachen Bauen wie die Poesie zur Alltagsprosa. Man erkennt ihre spezifische Qualität daran, dass sie den Eindruck des "fraglos Stimmigen" vermittelt, dass ihre Gestalt also notwendig und nicht beliebig erscheint. Um herausfinden zu können, welche Werke diesen Eindruck vermitteln, muss man im Umgang mit geglückter Architektur zunächst seine Wahrnehmung schärfen und verfeinern. Am besten eignen sich dazu die kanonischen Werke der Architekturgeschichte. Denn jeder Kanon ist das Resultat eines langwierigen und komplexen diskursiven Selektionsprozesses, in dem manche Gestaltungssprachen sich bewähren, andere dagegen durchgereicht und vergessen werden. Ein Kanon ist deshalb ein verlässlicher Indikator für Qualität. Natürlich lassen sich die Lehren aus der Vergangenheit nicht eins zu eins auf die Gegenwart übertragen. Wenn man aber die Geschichtlichkeit des Kontexts, die Veränderung der Bauaufgaben, der Materialanforderungen, der Funktionsprofile mitreflektiert, kann man sowohl als Produzent als auch als Rezipient von Architektur von der Geschichte lernen.
Das ist nun weder besonders originell noch unmittelbar überzeugend. Es beginnt schon damit, dass Francks starre Perspektive vom Höhenkamm des vermeintlich Kanonischen aus, ganz gegen seine eigene Absicht, zu einer problematischen Blickverengung führt: Es gibt zu denken, wenn man nach 67 Seiten Text nur zwei konkreten Beispielen für wirklich gelungene Architektur begegnet ist, nämlich Mies van der Rohes unvermeidlichem Seagram Building in New York sowie, ebenso wenig überraschend, dem Athener Parthenon-Tempel. Da wäre man in jedem Handbuch zur Architekturgeschichte schneller und vor allem üppiger bedient worden. Eine solch kompromisslose Fixierung auf singuläre, längst hinreichend diskutierte Ausnahmefälle verrät nicht nur ein höchst problematisches Grundvertrauen in die Unfehlbarkeit der Geschichtsschreibung, sie schneidet vor allem den Weg zu der weitaus interessanteren, weil lebensweltlich dringlicheren Frage nach der Qualität des Durchschnittlichen, Prosaischen ab. Schließlich gibt es nur einen Parthenon-Tempel, aber unzählige Reihenhaussiedlungen.
Francks Versuch, dem Problem dadurch beizukommen, dass er zwischen beliebigen und notwendigen gestalterischen Lösungen zu unterscheiden rät, hat etwas Rührendes, liefert aber sicher keine praktikable Lösung. Und auch seine anderen Vorschläge setzen alle den ästhetischen Konsens schon voraus, den sie eigentlich erst begründen sollten. "Wirklich gut", so schreibt er etwa, "ist eine Architektur, deren visueller Eindruck so auf das körperliche Selbstgefühl einwirkt, dass der Körper Haltung annimmt - und diese Haltung den räumlichen Eindruck zu einer noch einmal anderen Qualität steigert." Ob wachsweiche Formeln wie diese den Baustoff liefern, aus dem sich die von Franck erträumte "architektonische Poetik" aufrichten lässt, darf man bezweifeln. Dafür erinnern sie doch allzu sehr an den rhetorischen Budenzauber, dem man sonst für gewöhnlich in der Literatur zur zeitgenössischen Kunst begegnet.
Das soll nicht heißen, dass Francks Thesen nicht genügend Stoff für einen diskussionswürdigen längeren Essay geboten hätten. Leider aber ist das Buch mehr als 280 Seiten lang ausgefallen, und so macht die Diskrepanz zwischen der monumentalen Verpackung und dem überschaubaren Inhalt die Lektüre über weite Strecken zu einer ziemlichen Geduldsprobe. Ein typisches Beispiel: "Die Nutzungen, die das Entwerfen vorwegnimmt, lassen sich in Mustern menschlicher Aktivität abbilden. Durch die Einteilung und Zusammenfassung von Räumen werden Aktivitätsmuster differenziert und auf einer höheren Ebene integriert. Die Differenzierung der Aktivitätsmuster verengt das Spektrum der Verrichtungen, denen die einzelnen Räume gewidmet sind, erweitert aber das Spektrum der insgesamt praktikablen Möglichkeiten. Durch die Differenzierung der Funktionen wachsen die Anforderungen an die funktionale Anordnung der Räume. Die Muster der räumlich verteilten Aktivität ergeben sich aus den regelmäßigen Pendelbewegungen innerhalb und zwischen den separierten Räumen. Derart etwa, dass die Bewohner so und so oft im Zimmer umhergehen, bevor sie auf den Gang treten, um entweder in ein anderes Zimmer zu treten oder die Wohnung zu verlassen. Die Wohnung ist mit anderen Stätten regelmäßiger Aktivität durch regelmäßige Pendelbewegungen verbunden, die wiederum Teil eines weit größeren Systems regelmäßiger Austauschbeziehungen sind. Das Problem der räumlichen Organisation besteht in der Aufgabe, dieses weitläufige System vor Ort zu organisieren. Dieses Problem nimmt leicht Ausmaße an, die sich der leichten Übersicht entziehen."
Ins Deutsche übersetzt: Architektur ist halt ein schwieriges Geschäft. Das gilt unglücklicherweise auch für das Schreiben über Architektur und damit für Francks eigenen Text, der hier in seiner ganzen zeremoniellen Ausführlichkeit zitiert wurde, um einen anschaulichen Eindruck von der erhabenen Langeweile zu vermitteln, die das Buch über weite Strecken ausstrahlt. Die wenigen, zündholzschachtelgroßen, kontrastarm gedruckten Fotografien, die den Text illustrieren, machen dem Leser das Leben nicht wirklich leichter. Dass der Autor im Literaturverzeichnis gerade einmal magere 42 Einträge aufbietet, von denen dann auch noch sage und schreibe zwanzig auf eigene beziehungsweise Veröffentlichungen seiner Ko-Autorin hinweisen, verstärkt den Grundeindruck eines latenten intellektuellen Autismus. Nichts gegen den Mut zum Selberdenken. Aber man macht nun einmal zwangsläufig eine unglückliche Figur, wenn man ständig die ästhetische Valenz organischer Formen beschwört, dabei aber konsequent ignoriert, was seit Immanuel Kant zu diesem Thema geschrieben wurde.
Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht der Maßstab, an dem der Autor gemessen werden möchte. "Dieses Buch hier hat nur einen Anfang gemacht", schreibt er am Ende. "Die Intelligenz, die in den Sinnen steckt, wartet darauf, noch viel genauer untersucht, der architektonische Imperativ darauf, noch viel genauer begründet zu werden." Da hat er zweifellos mal recht.
CHRISTIAN DEMAND
Georg und Dorothea Franck: "Architektonische Qualität". Hanser-Verlag, 288 Seiten, 21,50 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was ist "Architektonische Qualität"? Georg Franck sucht nach der Antwort und beißt auf Granit
Einer weit verbreiteten Ansicht zufolge sind Rezensenten grundsätzlich hartherzig, übellaunig, böswillig und voller Ressentiment. Darum warten sie auch am Schreibtisch wie die Spinne im Netz, und wenn sich ein armer Autor dort mit seinem Buch verfängt, besteht ihre größte Lust darin, hämisch über das wehrlose Opfer herzufallen. In Wahrheit gibt es niemanden, der sich über einen unterhaltsamen, lehrreichen oder auch nur halbwegs solide gearbeiteten Text mehr freuen würde als der arme Mensch, der ihn besprechen muss. Nur allzu häufig ist die Lektüre nämlich ein qualvolles Exerzitium, das einem jede Lust daran raubt, diese peinigende Erfahrung nachträglich auch noch mühselig in gebundene Rede zu übersetzen. Und da allein die Gewissheit, dass die Autoren ja schon dadurch hinlänglich gestraft sind, dass sie öffentlich als Urheber ihrer Werke bekanntgemacht werden, ohnehin bereits jegliche Rachegelüste hinreichend neutralisiert, wäre es im Grunde jedem Rezensenten am liebsten, das Langweilige, das Prätentiöse und das Ärgerliche stillschweigend übergehen zu dürfen.
Je interessanter das Thema und je unbefriedigender das Leseerlebnis, desto stärker wird dieser Wunsch, denn umso stärker fällt gemeinhin auch die Enttäuschung aus. Ein Beispiel: Georg Franck, Professor für digitale Methoden in Architektur und Raumplanung in Wien, hat ein umfangreiches Sachbuch mit dem vielversprechenden Titel "Architektonische Qualität" vorgelegt. Niemand, der auch nur einmal offenen Auges eine beliebige deutsche Fußgängerzone durchschritten hat, wird an der Berechtigung eines solchen Unternehmens zweifeln. Der größte Teil unserer verbauten Umwelt ist ästhetisch und funktional allenfalls durchschnittlich, vieles geradezu furchterregend. Der Ansicht ist offenbar auch Georg Franck, weshalb er die Zunft der Architekten zu Beginn seiner Ausführungen vorsorglich in normative Beugehaft nimmt: "Leicht wird man sich darüber verständigen, dass Architektur ein qualitativer Begriff ist. Was anderes als der Anspruch einer bestimmten Qualität macht den Unterschied zum einfachen Bauen aus? Notorisch schwierig ist es aber, diese Qualität zu bestimmen." Es folgen mehr als 270 Seiten, auf denen der Autor, unterstützt von seiner Schwester Dorothea Franck, einer Linguistin und Literaturwissenschaftlerin, sich eben dieser Aufgabe unterzieht.
Die Grundthesen, von denen er seine Leser überzeugen möchte, lassen sich in wenigen Sätzen grob zusammenfassen: Die Architektur verhält sich zum einfachen Bauen wie die Poesie zur Alltagsprosa. Man erkennt ihre spezifische Qualität daran, dass sie den Eindruck des "fraglos Stimmigen" vermittelt, dass ihre Gestalt also notwendig und nicht beliebig erscheint. Um herausfinden zu können, welche Werke diesen Eindruck vermitteln, muss man im Umgang mit geglückter Architektur zunächst seine Wahrnehmung schärfen und verfeinern. Am besten eignen sich dazu die kanonischen Werke der Architekturgeschichte. Denn jeder Kanon ist das Resultat eines langwierigen und komplexen diskursiven Selektionsprozesses, in dem manche Gestaltungssprachen sich bewähren, andere dagegen durchgereicht und vergessen werden. Ein Kanon ist deshalb ein verlässlicher Indikator für Qualität. Natürlich lassen sich die Lehren aus der Vergangenheit nicht eins zu eins auf die Gegenwart übertragen. Wenn man aber die Geschichtlichkeit des Kontexts, die Veränderung der Bauaufgaben, der Materialanforderungen, der Funktionsprofile mitreflektiert, kann man sowohl als Produzent als auch als Rezipient von Architektur von der Geschichte lernen.
Das ist nun weder besonders originell noch unmittelbar überzeugend. Es beginnt schon damit, dass Francks starre Perspektive vom Höhenkamm des vermeintlich Kanonischen aus, ganz gegen seine eigene Absicht, zu einer problematischen Blickverengung führt: Es gibt zu denken, wenn man nach 67 Seiten Text nur zwei konkreten Beispielen für wirklich gelungene Architektur begegnet ist, nämlich Mies van der Rohes unvermeidlichem Seagram Building in New York sowie, ebenso wenig überraschend, dem Athener Parthenon-Tempel. Da wäre man in jedem Handbuch zur Architekturgeschichte schneller und vor allem üppiger bedient worden. Eine solch kompromisslose Fixierung auf singuläre, längst hinreichend diskutierte Ausnahmefälle verrät nicht nur ein höchst problematisches Grundvertrauen in die Unfehlbarkeit der Geschichtsschreibung, sie schneidet vor allem den Weg zu der weitaus interessanteren, weil lebensweltlich dringlicheren Frage nach der Qualität des Durchschnittlichen, Prosaischen ab. Schließlich gibt es nur einen Parthenon-Tempel, aber unzählige Reihenhaussiedlungen.
Francks Versuch, dem Problem dadurch beizukommen, dass er zwischen beliebigen und notwendigen gestalterischen Lösungen zu unterscheiden rät, hat etwas Rührendes, liefert aber sicher keine praktikable Lösung. Und auch seine anderen Vorschläge setzen alle den ästhetischen Konsens schon voraus, den sie eigentlich erst begründen sollten. "Wirklich gut", so schreibt er etwa, "ist eine Architektur, deren visueller Eindruck so auf das körperliche Selbstgefühl einwirkt, dass der Körper Haltung annimmt - und diese Haltung den räumlichen Eindruck zu einer noch einmal anderen Qualität steigert." Ob wachsweiche Formeln wie diese den Baustoff liefern, aus dem sich die von Franck erträumte "architektonische Poetik" aufrichten lässt, darf man bezweifeln. Dafür erinnern sie doch allzu sehr an den rhetorischen Budenzauber, dem man sonst für gewöhnlich in der Literatur zur zeitgenössischen Kunst begegnet.
Das soll nicht heißen, dass Francks Thesen nicht genügend Stoff für einen diskussionswürdigen längeren Essay geboten hätten. Leider aber ist das Buch mehr als 280 Seiten lang ausgefallen, und so macht die Diskrepanz zwischen der monumentalen Verpackung und dem überschaubaren Inhalt die Lektüre über weite Strecken zu einer ziemlichen Geduldsprobe. Ein typisches Beispiel: "Die Nutzungen, die das Entwerfen vorwegnimmt, lassen sich in Mustern menschlicher Aktivität abbilden. Durch die Einteilung und Zusammenfassung von Räumen werden Aktivitätsmuster differenziert und auf einer höheren Ebene integriert. Die Differenzierung der Aktivitätsmuster verengt das Spektrum der Verrichtungen, denen die einzelnen Räume gewidmet sind, erweitert aber das Spektrum der insgesamt praktikablen Möglichkeiten. Durch die Differenzierung der Funktionen wachsen die Anforderungen an die funktionale Anordnung der Räume. Die Muster der räumlich verteilten Aktivität ergeben sich aus den regelmäßigen Pendelbewegungen innerhalb und zwischen den separierten Räumen. Derart etwa, dass die Bewohner so und so oft im Zimmer umhergehen, bevor sie auf den Gang treten, um entweder in ein anderes Zimmer zu treten oder die Wohnung zu verlassen. Die Wohnung ist mit anderen Stätten regelmäßiger Aktivität durch regelmäßige Pendelbewegungen verbunden, die wiederum Teil eines weit größeren Systems regelmäßiger Austauschbeziehungen sind. Das Problem der räumlichen Organisation besteht in der Aufgabe, dieses weitläufige System vor Ort zu organisieren. Dieses Problem nimmt leicht Ausmaße an, die sich der leichten Übersicht entziehen."
Ins Deutsche übersetzt: Architektur ist halt ein schwieriges Geschäft. Das gilt unglücklicherweise auch für das Schreiben über Architektur und damit für Francks eigenen Text, der hier in seiner ganzen zeremoniellen Ausführlichkeit zitiert wurde, um einen anschaulichen Eindruck von der erhabenen Langeweile zu vermitteln, die das Buch über weite Strecken ausstrahlt. Die wenigen, zündholzschachtelgroßen, kontrastarm gedruckten Fotografien, die den Text illustrieren, machen dem Leser das Leben nicht wirklich leichter. Dass der Autor im Literaturverzeichnis gerade einmal magere 42 Einträge aufbietet, von denen dann auch noch sage und schreibe zwanzig auf eigene beziehungsweise Veröffentlichungen seiner Ko-Autorin hinweisen, verstärkt den Grundeindruck eines latenten intellektuellen Autismus. Nichts gegen den Mut zum Selberdenken. Aber man macht nun einmal zwangsläufig eine unglückliche Figur, wenn man ständig die ästhetische Valenz organischer Formen beschwört, dabei aber konsequent ignoriert, was seit Immanuel Kant zu diesem Thema geschrieben wurde.
Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht der Maßstab, an dem der Autor gemessen werden möchte. "Dieses Buch hier hat nur einen Anfang gemacht", schreibt er am Ende. "Die Intelligenz, die in den Sinnen steckt, wartet darauf, noch viel genauer untersucht, der architektonische Imperativ darauf, noch viel genauer begründet zu werden." Da hat er zweifellos mal recht.
CHRISTIAN DEMAND
Georg und Dorothea Franck: "Architektonische Qualität". Hanser-Verlag, 288 Seiten, 21,50 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Hoffnungsfroh nimmt Olaf Bartels das Buch von Georg und Dorothea Franck zur Hand, verspricht es im Titel doch so etwas wie objektive Kriterien zur Bestimmung von architektonischer Qualität. Der Wiener Architekturtheoretiker Georg Franck und seine Schwester, die Germanistin und Linguistin Dorothea Franck, können aber, wie der Rezensent einsieht, lediglich ein "Gefühl" für gute Architektur vermitteln, das sie nicht nur mit der "Schlüssigkeit" architektonischer Formen aufgrund ihrer "syntaktischer Qualität" begründen, sondern für das sie ebenso die "sinnlich leibliche Raumerfahrung" berücksichtigen, wie der Rezensent erklärt. Als Beitrag zu einer Architekturdebatte kann Bartels das gelten lassen, auch wenn er sich über das für seinen Geschmack zu vorbehaltsbeladene Schubladendenken der Autoren mitunter ärgert. So blieben Architekturrichtungen, die sich auf die Formensprache der Gotik bezögen, unbeachtet oder würden "propagandistisch" abgewertet, Zaha Hadid oder Peter Eisenman - Bartels nennt noch mehr Beispiele - gar als "gebaute Werbung" gegeißelt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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