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Venedigs Architektur überrascht durch Vielfalt und Phantasie, zugleich durch die Fülle ihrer schmückenden Elemente. Aus jahrelanger Vertrautheit mit den Bauten der Stadt lenkt Wolfgang Wolters die Aufmerksamkeit auf deren typische Formen: die Fußböden und Decken, Fassadenmalereien und Marmorverkleidungen, die Ausmalung der Wohnräume, die Türen, Tapeten, Gitter und Kamine.
Neben Baumeistern und Architekten treten Bildhauer und berühmte Maler als Entwerfer des Bauschmucks hervor. Die venezianische Baupraxis, spezifische Materialien und das spannungsreiche Verhältnis zwischen Entwurf und
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Produktbeschreibung
Venedigs Architektur überrascht durch Vielfalt und Phantasie, zugleich durch die Fülle ihrer schmückenden Elemente. Aus jahrelanger Vertrautheit mit den Bauten der Stadt lenkt Wolfgang Wolters die Aufmerksamkeit auf deren typische Formen: die Fußböden und Decken, Fassadenmalereien und Marmorverkleidungen, die Ausmalung der Wohnräume, die Türen, Tapeten, Gitter und Kamine.

Neben Baumeistern und Architekten treten Bildhauer und berühmte Maler als Entwerfer des Bauschmucks hervor. Die venezianische Baupraxis, spezifische Materialien und das spannungsreiche Verhältnis zwischen Entwurf und Ausführung, zwischen Bauherrn und Künstler, werden an zahlreichen Beispielen eingehend erläutert.

Der Band schärft den Blick für die Architektur Venedigs und ihren einzigartigen Schmuck. Darüberhinaus hebt er einen Formen- und Ornamentschatz erneut ins Bewußtsein, der spätestens seit der Postmoderne auf wachsendes Interesse stößt. Vor allem aber wendet sich das Buch an die Freunde der Stadt. Es lädt ein zu eigenen Entdeckungen in Venedigs Straßen, Häusern, Palästen und Kirchen.
Autorenporträt
Wolfgang Wolters, geb. 1935, ist Professor für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin. Sein langjähriges wissenschaftliches und praktisches Engagement für die Rettung Venedigs fand seinen Niederschlag in zahlreichen Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2000

Bauen sie "mit"!
In der venezianischen Architektur sind die Zugaben die Hauptsache: Wolfgang Wolters inspiziert die Ornamentik der Renaissance

Lange Zeit war bei den Architekten im vergangenen Jahrhundert nichts verpönter als der Bauschmuck. Adolf Loos hatte 1908 in seinem berühmten Essay "Ornament und Verbrechen" das Todesurteil ausgesprochen. So, wie die Zierformen während der Renaissance in Anlehnung an die vitruvianische Architekturlehre entwickelt worden waren und im wesentlichen bis ins neunzehnte Jahrhundert Bestand hatten, konnten sie für den Wiener Baumeister kein "Lustgefühl" mehr erzeugen. All die Säulen mit ionischen und korinthischen Kapitellen, die Fensterverdachungen mit Giebeln und Segmentbögen, die Friese, Ranken und Girlanden hatten längst ihre je besondere, handwerkliche wie künstlerische Vornehmheit verloren und sanken zur Industrieware herab - ebenso an Palästen wie an Mietskasernen zu sehen. "Der moderne ornamentiker aber", schloß Loos, "ist ein nachzügler oder eine pathologische erscheinung."

Doch in der Geschichte der Architektur folgte der Verbannung des Bauschmucks stets die Wiedergeburt. Schon im hohen Mittelalter hatte Bernhard von Clairvaux gegen "den kostspieligen Glanz" in Gotteshäusern gewettert und sich dafür eingesetzt, daß Kirchen ihre Schönheit aus konstruktiven Verhältnissen gewannen. Das gotische Ornament aus Diensten und Rippen gab sich den Anschein, eine tragende Funktion zu übernehmen. Immer wieder fand das Dekor ein Hintertürchen, um wieder ins Spiel zu kommen. Sogar Adolf Loos ließ sich überlisten. Auch wenn er auf Zierformen verzichtete, so verkleidete er Innenräume mit teurem Material wie Marmor oder Edelholz. Er wies diesem blanken Schmuck die Funktion der "Haut" zu und verteufelte das bloß zweckmäßige Bauen, wie es für ihn das Bauhaus vertrat.

Heute, da die ornamentlose Architektur der Moderne allerorten Unzufriedenheit hervorruft, erinnern sich Baumeister wieder an die Loossche Praxis der "Hautverkleidung", aber auch an ältere Schmuckformen oder erfinden zeitgemäße neue. In der Denkmalpflege fördert man wieder altes, handwerkliches Können, um historisches Ornament behutsam zu restaurieren oder zu ergänzen, und auch in der Kunstgeschichte findet der Bauschmuck gebührende Beachtung. Vieles deutet darauf hin, daß sich das Ornament im einundzwanzigsten Jahrhundert abermals Respekt verschafft. In dem reich illustrierten Band "Architektur und Ornament - Venezianischer Bauschmuck der Renaissance", den Wolfgang Wolters vorgelegt hat, werden die Zierformen regelrecht zelebriert. Während zahllose Bücher über Venedig versuchen, mit Frontalaufnahmen von Kirchen, Palästen und Plätzen das Auge zu überwältigen, erscheint in diesem Buch die Stadt als ein Mosaik aus Dekorformen.

Wolters sieht sich "bewundernswerten Gesamtdarstellungen" wie Jacob Burckhardts "Baukunst der Renaissance in Italien" von 1867 und Josef Durms gleichnamiger Publikation von 1902 verpflichtet. Während Burckhardt und Durm freilich in die sachlichen Analysen erzählerische Passagen einbauten, die die Epoche der Renaissance vorstellen und den Leser atmen lassen, beschränkt sich Wolters von der ersten bis zur letzten Seite auf kunstgeschichtliche Details und verlangt vom Leser eine hohe Konzentration. Es wird eingangs keine besondere Fragestellung, keine Theorie entfaltet, die eine Orientierung böte, vielmehr wird stillschweigend vorausgesetzt, daß der Leser mit der Baukunst der Renaissance in Italien und der besonderen Tradition in Venedig im großen und ganzen schon vertraut ist.

Das einleitende Kapitel beginnt mit einem Zitat aus Sebastiano Serlios Architekturtraktat: Es sei notwendig, daß sich der Baumeister um den Bauschmuck kümmere; dieser müsse den Steinmetzen, Bildhauern und Malern Vorgaben machen, damit das Ornament nicht ohne Regeln bleibe. Serlio, so Wolters, setze sich mit der Gepflogenheit in Venedig auseinander, wesentliche Elemente des Bauwerks - Portale, Kamine oder Türflügel - nicht dem Architekten, sondern Handwerkern und bildenden Künstlern zu übertragen. Wolters genügt diese Interpretation, um erklären zu können: "Gegenstand meines Versuchs sind Bereiche des Bauens, die häufig, nicht immer, dem Zugriff des Architekten entzogen sind."

Der Autor läßt die Möglichkeit verstreichen, das grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen Architektur und Ornament kritisch zu erörtern. Zwar wird der Anspruch erhoben, diese "meist getrennten Bereiche" einander "etwas anzunähern und so deren wechselseitige Bedingtheit und gemeinsame Wirkung zu verdeutlichen", doch das Buch enthält keinen einzigen Grundriß, um das Verhältnis von Konstruktion und Verzierung, von Raumerfindung und Schmuck unter die Lupe zu nehmen. Für Burckhardt geriet in Venedig die bauliche Komposition zugunsten der Verzierungslust ins Hintertreffen. In seinem "Cicerone" nahm er kein Blatt vor den Mund: "Auf eingerammten Pfahlen wird nie von selbst eine freie und großartige Architektur sich entwickeln. Um so ergiebiger ist das damalige Venedig an einzelnen überaus netten decorativen Effecten." Wolters verzichtet auf solche Pointen, die das Charakteristische erhellen, und breitet ohne große Umstände die Vielfalt der Schmuckformen aus.

Nach den Kapiteln "Baumaterial" und "Entwurf und Ausführung" folgen zwölf Abschnitte, die die wichtigsten Dekorteile der Renaissancebaukunst in Venedig vorstellen, ausgenommen Fenster und Portale. In jedem Abschnitt wird aufs neue die Rolle von Renaissancetraktaten für Architekten, Bildhauer und Auftraggeber erkundet oder nach Vorbildern für Schmuckformen in der älteren Bautradition gesucht. Mehrmals hebt die Argumentation hervor, daß sich Venedig im Gegensatz zu Rom oder Florenz weniger von den strengen Regeln des Vitruvianismus bevormunden ließ - eine Einsicht, die freilich nicht neu ist. Die zahlreichen Beispiele werden meistens knapp beschrieben und durch hervorragende Aufnahmen dokumentiert. Wolters versagt sich den Blick des Ästheten, der deutet und urteilt, der Freude oder Mißfallen zeigt, sondern verbündet sich mit den Denkmalpflegern, die alles achtenswert finden, was noch von der Renaissance überliefert ist.

Die Kirche S. Maria dei Miracoli verkörpert den ausgesprochenen Sinn der Venezianer für den Bauschmuck wie kaum ein anderes Gebäude. Ein konstruktiv schlichtes Gotteshaus wird durch das Dekor gleichsam zu einem Schatzkästchen. Kein Architekt, sondern bezeichnenderweise der Bildhauer Pietro Lombardo erhielt 1481 den Auftrag, die Kirche zu errichten. Außen wie innen gibt es kaum einen Quadratzentimeter, der nicht mit edlem Material verkleidet ist. An der Fassade sind die Flächen zwischen dem architektonischen Blendgerüst aus istrischem Kalkstein und Marmorplatten und Streifen aus andersfarbigen Steinen ausgefüllt. Auch wenn es solche Verkleidungen aus Marmor in Venedig schon vor der Renaissance gab, so erreicht die Gliederung der Platten hier eine vorher nicht gekannte Systematik und Ausgewogenheit. Die Fassade vermittelt Noblesse und Lebensfreude. Nicht nur in dem Kapitel "Wandverkleidung", sondern auch in den Abschnitten "Baluster, Transennen und Eisengitter", "Kapitelle, Pilaster, Friese und Trophäen", "Fußböden" und "Plastische Deckendekorationen" erscheint S. Maria dei Miracoli beispielgebend für die Güte des venezianischen Bauschmucks.

Die beiden letztgenannten Kapitel sind die gelungensten. Wenngleich Wolters auf die übliche Einteilung des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts in Früh- und Hochrenaissance, Manierismus und Frühbarock verzichtet und immer wieder betont, wie schwer es sei, Entwicklungen im venezianischen Bauschmuck zu erkennen, so wird doch deutlich, wie Fußböden und Decken innerhalb von ein paar Jahrzehnten an Finesse gewinnen. An der Schönheit und Kostbarkeit des Materials wurde nicht gespart. Für Fußböden schnitt man Steinplatten von intensiver Farbigkeit zu. Die einfachen Rapportmuster aus Quadrat, Dreieck und Raute, die auch das venezianische Mittelalter kannte, wurden zunehmend variiert oder abgelöst von verschlungenen Bändern mit tropfenförmigen Einlagen, von Kombinationen aus Kreisen, radialen Streifen, Prismen, Ovalen, Faltsternen, geöffneten Würfeln und Mäandern. Auch die Deckendekoration spielte mit vielen geometrischen Formen. Der Einfallsreichtum wirkt erfrischend. Die Kunstwissenschaft wird diese Studie begrüßen, und einen Beitrag zur Rehabilitierung des Ornaments leistet das Buch allemal.

ERWIN SEITZ

Wolfgang Wolters: "Architektur und Ornament - Venezianischer Bauschmuck der Renaissance". Verlag C. H. Beck, München 2000. 320 S., 259 Farb- und Schwarzweißabb., geb., 138,- DM.

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