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Wilhelminische Justizpaläste, Siedlungen der 20er Jahre, Kulturhäuser der DDR - der handliche Führer listet nach Bundesländern geordnet rund 750 Bauwerke aus dem 20. Jahrhundert in Deutschland auf und beschreibt kurz ihre Charakteristika. Ein mit Adressen, Fotos und Grundrissen ausgestattetes Gebäudelexikon, dokumentiert gleichzeitig die vielfältigen Entwicklungen in der Architektur seit 1900. Auch jüngste Bauten, z.B. Peter Kulkas Sächsischer Landtag in Dresden, haben die Autoren berücksichtigt.

Produktbeschreibung
Wilhelminische Justizpaläste, Siedlungen der 20er Jahre, Kulturhäuser der DDR - der handliche Führer listet nach Bundesländern geordnet rund 750 Bauwerke aus dem 20. Jahrhundert in Deutschland auf und beschreibt kurz ihre Charakteristika. Ein mit Adressen, Fotos und Grundrissen ausgestattetes Gebäudelexikon, dokumentiert gleichzeitig die vielfältigen Entwicklungen in der Architektur seit 1900. Auch jüngste Bauten, z.B. Peter Kulkas Sächsischer Landtag in Dresden, haben die Autoren berücksichtigt.
Autorenporträt
Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Winfried Nerdinger, studierte Architektur, Promotion in Kunstgeschichte, 1980-81 Gastprofessor an der Havard Universität,seit 1986 Professor für Architekturgeschichte an der TU München, seit 1989 Direktor des Architekturmuseums der Technischen Universität München, seit 1995 Direktor des Architekturmuseums Schwaben in Augsburg, Leitung und Organisation von Ausstellungen, zahlreiche Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.1996

Ton, Steine, Knochen
Modernes Deutschland, Bau für Bau / Von Heinrich Wefing

Gottlob hat das zwanzigste Jahrhundert in Deutschland mehr sehenswerte Bauten hervorgebracht als nur jene siebenhundertfünfzig, die Winfried Nerdinger und Cornelius Tafel in ihrem Architekturführer vorstellen: Zweifellos wäre auch das Kaufhaus Schneider in Freiburg der Erwähnung wert gewesen, hätten die neuen Messebauten in Leipzig wenigstens im Modell vertreten sein müssen. Entwürfe wie Richard Rogers Berliner Hochhausprojekt "Zoofenster" oder Giorgio Grassis Bauvorhaben am Potsdamer Platz hätte man sich hingegen getrost für eine zweite Auflage sparen können, da ihre Fertigstellung frühestens in ein paar Jahren zu erwarten ist, sich Qualität und Bedeutung der Architektur also noch kaum abschätzen lassen. Hier scheinen die großen Namen die ansonsten so nüchtern sichtenden Autoren ein wenig geblendet zu haben.

Aber dergleichen Einwände im Einzelfall sind letzlich müßig, ist die Zusammenstellung doch exemplarisch, nicht enzyklopädisch aufgebaut. Nerdinger und Tafel suchen alle Epochen, Stile und Regionen anhand charakteristischer Beispiele vorzustellen: in spröden Worten und je einer Abbildung, gelegentlich auch einem briefmarkengroßen Grundriß, beschreiben sie die ausgewählten Bauten. Daten zur Geschichte sowie Literaturhinweise vervollständigen den Steckbrief. Ohne das Fleisch langer Texte, ohne das Fett der Zitate und die schimmernde Haut großformatiger Abbildungen bildet der Führer so gleichsam das Knochengerüst einer deutschen Architekturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, die noch zu schreiben ist: Jenseits individueller Vorlieben und modischer Tendenzen spiegelt sich in der Inventarisierung die langsame Ausbildung und Verfestigung eines Kanons bedeutender, ja "klassischer" Bauten. Zugleich aber zeigt der Vergleich mit älteren Katalogen, zuletzt etwa dem Architekturführer von Falk Jaeger, über weite Strecken einen neuen Blick, der nicht mehr von ideologischen Scheuklappen behindert wird.

Erstmals berücksichtigen Nerdinger und Tafel in größerem Umfang die Bauten der NS-Zeit, soweit sie noch erhalten sind. Vor allem aber sorgen sie sieben Jahre nach dem Fall der Mauer für eine Wiedervereinigung der deutschen Architektur zwischen zwei Buchdeckeln. Weithin dominieren in den Kapiteln über die neuen Länder zwar die Vorkriegsbauten, aber auch der Palast der Republik und die neoklassizistische Dreiflügelanlage der einst sowjetischen, jetzt russischen Botschaft Unter den Linden fanden Aufnahme, ebenso der realisierte Idealstadtentwurf für Eisenhüttenstadt und das Kulturhaus in Rüdersdorf. Erwähnt werden auch die ebenso merkwürdigen wie bemerkenswerten Versuche der frühen DDR-Archiktektur, mit der Bebauung am Dresdner Altmarkt, der Breiten Straße in Rostock oder der Berliner Stalinallee an längst verschüttete Traditionslinien anknüpfend einen synthetischen "Nationalstil" zu schaffen. Daneben stehen die wichtigsten Beispiele jener gebauten "Bilder", die die DDR einige Zeit lang errichtete: das an ein geöffnetes Buch erinnernde Hochhaus der Universität in Leipzig etwa. Über die Architektur der Nachwendezeit hingegen fällen die Autoren implizit ein vernichtendes Urteil: Obwohl sich in den fünf neuen Ländern unaufhörlich die Kräne drehen, verzeichnen sie nur einen einzigen Neubau, Peter Kulkas höchst eleganten Sächsischen Landtag in Dresden.

Bewußt wirken Nerdinger und Tafel auch der überholten Fixierung auf die "Großmeister" der Moderne entgegen. In ihrem Versuch, sich den Spätfolgen der aggressiven Propaganda des Neuen Bauens zu entziehen und die Perspektive zu weiten, schlagen sich die Erkenntnisse der jüngeren Forschung nieder. In den vergangenen Jahren fanden jene Baumeister mehr Beachtung, die eine traditionsverbundene, an regionalen Besonderheiten orientierte Architektur schufen. Auch hier bietet der Blick in die neuen Länder Gelegenheit, manch vergessenen Bau wiederzuentdecken: Schloß Peseckendorf bei Magdeburg von Paul Schultze-Naumburg etwa oder die Siedlung der Mitteldeutschen Reichswerke in Piesteritz bei Wittenberg von Otto Rudolf Salvisberg.

Mit seinem handlichen Format, dem wetterfesten Schutzumschlag und den genauen Anschriften der vorgestellten Bauwerke lädt der Führer zu solchen Entdeckungen geradezu ein. Es ist ein Buch für Flaneure, die Architektur auf Boulevards, in Villenvororten und Gewerbegebieten erwandern wollen.

Der Führer versteht sich jedoch nicht als Handreichung für Genießer. Er bietet kein Bouquet von edlen Blüten. Unter den vorgestellten Bauten findet sich auch Stacheliges und Verwachsenes wie der Albtraum des Aachener Klinikums oder die trostlose Großform der Bochumer Universität. Dem selbstgestellten Anspruch, nicht nur Schönes, sondern auch Schwieriges zu zeigen, wird der Band aber ausgerechnet dort nicht gerecht, wo es um jene Architektur geht, die den Osten Deutschlands nachhaltig prägt: Die industriell vorgefertigten Plattenbausiedlungen tauchen in dem Führer überhaupt nicht auf. Das Märkische Viertel wird erwähnt, Marzahn hingegen nicht. Hier muß wohl erst ein größerer Abstand wachsen, um auch diesem Phänomen den Platz einzuräumen, der ihm - leider - in der deutschen Architekturgeschichte gebührt.

Winfried Nerdinger/Cornelius Tafel: "Architekturführer Deutschland - 20. Jahrhundert". Birkhäuser Verlag, Basel, Berlin, Boston 1996. 518 S., 1000 S./W-Abb., geb., 68,- DM.

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