Die Weiße Stadt in Tel Aviv beherbergt mehr als 4.000 Gebäude im Stil der klassischen Moderne, die vom Bauhaus beeinflusst wurden. Sie ist heute ein weltweit bekanntes UNESCO-Kulturerbe. Dieser Architekturführer bietet den Schlüssel zur Erkundung dieser wichtigsten architektonischen Sehenswürdigkeiten in Tel Aviv. Die Gebäude in der Weißen Stadt zeichnen sich durch eine ortsspezifische Architektursprache aus, die die europäische Moderne an die lokalen klimatischen und kulturellen Bedingungen anpasst. Nirgendwo sonst ist die Dichte der Bauten der Moderne so hoch wie in der israelischen Metropole an der Ostküste des Mittelmeers. Die Architektin und Autorin Sharon Golan Yaron hat für den Architekturführer vier Spaziergänge zusammengestellt, die an insgesamt 100 Bauten vorbeiführen. Darüber hinaus veranschaulicht diese 264-seitige Publikation die Einzigartigkeit des zeitgemäßen Denkmalschutzkonzepts von Tel Aviv, das historische Werte bewahrt und gleichzeitig das Wachstum der Stadt fördert - indem es privaten Eigentümern die Erweiterung ihres historischen Gebäudes ermöglicht.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2019Fassaden wie Schiffsbugs
"Bauhaus in Tel Aviv": Besonders im Jubiläumsjahr 2019 wird das Label medial bespielt. Die israelische Denkmalarchitektin Sharon Golan Yaron erinnert nun allerdings daran, dass es in ganz Tel Aviv "kein einzigartiges Meisterwerk der Bauhaus-Architektur" gibt, "das für sich allein den Stil der Stadt verkörpern könnte". Dennoch sei der Begriff Bauhaus in die Alltagssprache eingegangen, um Gebäude des Internationalen Stils zu beschreiben. Als griffiger Slogan - aber auch, um für entsprechende Häuser höhere Mieten verlangen zu können. Sharon Golan Yarons reichbebildertes Buch, nach Stadtvierteln geordnet und mit Karten versehen, ist dennoch keine desillusionierende Lektüre. Denn auch wenn es wahr ist, dass viele der von den Nazis ins damalige Palästina vertriebenen Architekten Ideen à la Dessau im Gepäck hatten: Was sie dann in Tel Aviv vorfanden an osmanisch oder britisch geprägtem Kolonialstil, wurde nicht verdrängt, sondern ergänzt. "Mit Hilfe europäischer Gebäudetechnologie brachte man etwa in den Balustraden mit ihren eisernen Geländern Motive der lokalen levantinischen Umgebung zusammen: orientalische Kuppeln, spitze Hufeisenbögen, hölzerne Erker und biblische Motive." Kein Klima für Puristen. Die Fotos des Bands zeugen von den becircenden Resultaten einer architektonischen Vermischung, die ein Spiegelbild der heterogenen Bevölkerungsstruktur von Tel Aviv ist. Die Nachkommen deutscher, russischer, usbekischer, argentinischer oder jemenitischer Juden leben nicht in einem sterilen Freilichtmuseum, sondern in einer vibrierenden Stadtlandlandschaft, die mit herkömmlichen Schönheitskategorien kaum zu beschreiben ist. Sharon Golan Yarons Buch ist auch ein Augenöffner für Details: Stützsäulen, Thermometerfenster, Glasfliesenfassaden oder die Schiffsbugs nachempfundenen gerundeten Häuserecken. Schade nur, dass die Autorin auf jene Hintergrund-Geschichten verzichtet, von denen Tel Aviv geradezu überquillt und die eine Ahnung davon hätten vermitteln können, wie hier Architektur und Jahrhundert-Biographien miteinander verknüpft sind.
mart
"Architekturführer Tel Aviv. Die Weiße Stadt und ihre Bauten der Moderne" von Sharon Golan Yaron. DOM Publishers, Berlin 2019. 264 Seiten, zahlreiche Fotos. Broschiert, 38 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Bauhaus in Tel Aviv": Besonders im Jubiläumsjahr 2019 wird das Label medial bespielt. Die israelische Denkmalarchitektin Sharon Golan Yaron erinnert nun allerdings daran, dass es in ganz Tel Aviv "kein einzigartiges Meisterwerk der Bauhaus-Architektur" gibt, "das für sich allein den Stil der Stadt verkörpern könnte". Dennoch sei der Begriff Bauhaus in die Alltagssprache eingegangen, um Gebäude des Internationalen Stils zu beschreiben. Als griffiger Slogan - aber auch, um für entsprechende Häuser höhere Mieten verlangen zu können. Sharon Golan Yarons reichbebildertes Buch, nach Stadtvierteln geordnet und mit Karten versehen, ist dennoch keine desillusionierende Lektüre. Denn auch wenn es wahr ist, dass viele der von den Nazis ins damalige Palästina vertriebenen Architekten Ideen à la Dessau im Gepäck hatten: Was sie dann in Tel Aviv vorfanden an osmanisch oder britisch geprägtem Kolonialstil, wurde nicht verdrängt, sondern ergänzt. "Mit Hilfe europäischer Gebäudetechnologie brachte man etwa in den Balustraden mit ihren eisernen Geländern Motive der lokalen levantinischen Umgebung zusammen: orientalische Kuppeln, spitze Hufeisenbögen, hölzerne Erker und biblische Motive." Kein Klima für Puristen. Die Fotos des Bands zeugen von den becircenden Resultaten einer architektonischen Vermischung, die ein Spiegelbild der heterogenen Bevölkerungsstruktur von Tel Aviv ist. Die Nachkommen deutscher, russischer, usbekischer, argentinischer oder jemenitischer Juden leben nicht in einem sterilen Freilichtmuseum, sondern in einer vibrierenden Stadtlandlandschaft, die mit herkömmlichen Schönheitskategorien kaum zu beschreiben ist. Sharon Golan Yarons Buch ist auch ein Augenöffner für Details: Stützsäulen, Thermometerfenster, Glasfliesenfassaden oder die Schiffsbugs nachempfundenen gerundeten Häuserecken. Schade nur, dass die Autorin auf jene Hintergrund-Geschichten verzichtet, von denen Tel Aviv geradezu überquillt und die eine Ahnung davon hätten vermitteln können, wie hier Architektur und Jahrhundert-Biographien miteinander verknüpft sind.
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"Architekturführer Tel Aviv. Die Weiße Stadt und ihre Bauten der Moderne" von Sharon Golan Yaron. DOM Publishers, Berlin 2019. 264 Seiten, zahlreiche Fotos. Broschiert, 38 Euro.
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