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Diese Monographie unternimmt den Versuch, die kompositorische Handschrift Aribert Reimanns zu erläutern und bemüht sich - neben einem einführenden Kapitel, das die Lebensumstände seiner künstlerischen Entwicklung skizziert - vor allem um die strukturelle Analyse seiner Kompositionen, um die reiche Individualität seines kompositorischen Denkens erkennbar zu machen. Als Resultat zahlreicher Gespräche, die der Autor mit Reimann führte, finden sich in diesem Buch darüber hinaus auch differenzierte Erläuterungen seiner künstlerischen Entscheidungen während der Arbeitsprozesse.Photos, Notenbeispiele…mehr

Produktbeschreibung
Diese Monographie unternimmt den Versuch, die kompositorische Handschrift Aribert Reimanns zu erläutern und bemüht sich - neben einem einführenden Kapitel, das die Lebensumstände seiner künstlerischen Entwicklung skizziert - vor allem um die strukturelle Analyse seiner Kompositionen, um die reiche Individualität seines kompositorischen Denkens erkennbar zu machen. Als Resultat zahlreicher Gespräche, die der Autor mit Reimann führte, finden sich in diesem Buch darüber hinaus auch differenzierte Erläuterungen seiner künstlerischen Entscheidungen während der Arbeitsprozesse.Photos, Notenbeispiele und ein lückenloses Verzeichnis aller veröffentlichten Werke Aribert Reimanns vervollständigen die umfassenden Informationen zu Leben und Werk eines der bedeutendsten Komponisten unserer Zeit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2005

Und wenn er etwas nicht leiden kann, dann sind es bewährte Rezepte
Zwischen atonaler Tonsprache und einer Griffigkeit, die sich nicht anbiedert: Wolfgang Burde über den Komponisten, Pianisten und Hochschullehrer Aribert Reimann

"Ich arbeite sehr nach dem Prinzip der Variationen", erläutert der 1936 in eine Berliner Musikerfamilie hineingeborene Komponist, Pianist und Hochschullehrer Aribert Reimann seine Arbeitsweise. "Wenn etwas wiederkommt, muß es anders wiederkommen, der Begriff der Metamorphose spielt in meinem Komponieren eine große Rolle." Diese Technik der variierenden Entwicklung musikalischer Zustände und Bewegungen aus Keimzellen - einem Klang, einem Intervall, einem Akkord oder einer Tonfolge - erinnert an die entwickelnde Variation, die Arnold Schönberg an Brahms, "dem Fortschrittlichen", entdeckte. Bewußt gliedert sich Reimann so in die Traditionskette ein - freilich ohne sich von ihr fesseln, seiner eigenen Musiksprache berauben zu lassen.

Selten sind bei einem Komponisten die frühen Prägungen trotz aller Metamorphosen so verfolgbar geblieben wie bei Reimann. Als Sohn zweier Musikprofessoren mit vor allem vokaler Fachrichtung wuchs er familienklimatisch ganz selbstverständlich zum Liederkomponisten heran, seit 1958 besonders angeregt durch die jahrzehntelange, fruchtbare Zusammenarbeit mit Dietrich Fischer-Dieskau, den er - wie andere berühmte Liedersänger - als international gefragter Klavierpartner begleitete. Doch Reimanns dramatisches Ausdrucksbedürfnis und seine Neigung zu großen Themen und berühmten Texten drängten zur Oper. Von den bislang sieben Gattungsbeiträgen könnten sich vor allem die 1971 in Schwetzingen uraufgeführte "Melusine" nach Yvan Goll und die sieben Jahre später in München herausgebrachte Shakespeare-Oper "Lear" im Repertoire halten - ein seltener Fall in der meist eintagsfliegenhaften zeitgenössischen Opernproduktion. Diese Überlebenskraft ist auch Reimanns Gratwanderung zwischen einer hochkomplexen, atonalen und farbreichen Tonsprache und einer nie sich anbiedernden Griffigkeit zu verdanken.

In seiner Monographie versucht Wolfgang Burde, die Metamorphose von Reimanns Lebensweg und künstlerischer Handschrift zu entziffern. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Arbeitsprozesse und der wichtigsten Werke. Dabei kann sich der Autor auf eingehende Gespräche mit dem beredten Komponisten stützen. Ergänzend, kommentierend und vertiefend gelingt es Burde, die Individualität jeder einzelnen Komposition im Kontext von Reimanns stetiger, wiedererkennbarer "Handschrift" aufzudecken. Die eigentlichen "analytischen Notizen" zu den Instrumentalkonzerten und Orchesterwerken, den Liederzyklen mit Klavier oder Ensembles und zu allen sieben Opern bis zu dem vor fünf Jahren vollendeten Lorca-Dreiakter "Bernarda Albas Haus" setzen freilich trotz Burdes gewandter Sprache einen professionell vorgebildeten Leser voraus. Dennoch findet auch der Musikliebhaber, der sich auf die Wiedergabe eines Reimann-Werks vorbereiten möchte, genug hilfreiche Informationen, und mitunter gelingt es dem Verfasser sogar, auch dem Laien komplizierte Klang- und Formläufe einsichtig zu machen. Jedenfalls ist aus dem Werkpuzzle eine Entwicklungslinie in Reimanns Schaffen erschließbar.

Eine Konstante ist die familiär vorgeprägte Neigung zur Vokalmusik, auf der Basis von doppelbödiger, oft hermetisch verschlüsselter, abgründiger Weltliteratur. Der ohnehin nicht mehr so heißumstrittene Problemkreis der Literaturoper wird indessen nicht grundlos nur gestreift. Denn Reimann möchte mit seiner Musik die Texte nicht vordergründig illustrieren, sondern Charaktere und ihre Motivationen ergründen. Ihm geht es auch um das immer wieder neu zu entdeckende Spannungsverhältnis zwischen Wort und Ton, die sich gegenseitig deuten. Reimann sucht also für jedes Werk die in ihm schlummernden Lösungen und Verfahrensweisen, statt auf bewährte Konzepte und Rezepte zurückzugreifen. Dadurch erhält jedes neue Werk seinen eigenen Wuchs im Fluß des persönlichen Gestaltungswandels.

Das Prinzip der Metamorphose prägt Reimanns Arbeitsweise, bei der musikalische Anfangsimpulse lange vor der ersten Niederschrift im Kopf rotieren und dann oft sehr eigene Wege gehen, aber auch das eigenartig Gezeitenhafte seines Kompositionsrhythmus: Auf Musik mit großem Klangraum, etwa Opern, folgen stets kleinere Kammermusik- oder Orchesterformen, die den Kopf wieder reinigen für die nächste Großform. In diese Jahresringfolgen fühlt sich Burde im biographischen Teil ebenso gewissenhaft ein wie in die einzelnen Werke. Dabei fallen immer wieder schmerzhafte Prozesse von Ablösung und Verwandlung auf - im Abschied vom persönlichkeitsfremden Zwang der "Darmstädter" Dodekaphonie, in spannungsvoller Selbstfindung gemeinsam mit seinem Kompositionslehrer Boris Blacher, in der Abnabelung von den wegweisenden, in ihrer überragenden Professionalität aber auch beengenden Eltern. Daß Reimann sich in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts allmählich aus Klavierspielen und Lehren hinausschlich, gab ihm nicht nur mehr Zeit für die Hauptprofession des Komponierens, sondern bedeutete auch einen späten Abschied von der Mutter, deren Gesangsschüler er schon im vierzehnten Lebensjahr am Flügel zu begleiten begann.

Kleine Unstimmigkeiten im Drucktext verraten, daß Burdes Buch eigentlich schon vor fünf Jahren erscheinen sollte. Doch der Kapitelüberschrift "1987-2000" in der Chronik der künstlerischen Entwicklung und dem Enddatum der Zeittafel zu Leben und Werk zum Trotz hat Burde das Buch bis zum Jahr 2004 aktualisiert. Das jüngste besprochene Werk ist nun also der Zyklus "Tarde" (Abend) für Sopran und Orchester nach dem gleichnamigen Gedicht von Juan Ramón Jiménez, der 2003 vollendet und im Februar 2004 in Las Palmas auf Gran Canaria uraufgeführt wurde. Mehrere Register, darunter auch ein Verzeichnis der veröffentlichten Kompositionen, ergänzen den bisher umfassendsten, eindringlichsten Beitrag zu Aribert Reimanns Leben und Werk zum Nachschlagekompendium.

ELLEN KOHLHAAS.

Wolfgang Burde: "Aribert Reimann". Leben und Werk. Schott Verlag, Mainz 2005. 413 S., zahlr. Abb., Notenbeispiele, geb., 29,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kaum etwas zu wünschen übrig ließ Wolfgang Burdes Biografie des Kompnisten Aribert Reimann bei Rezensentin Ellen Koohlhaas. Dessen gewandte Sprache setze einen "professionell vorgebildeten Leser" voraus, doch den hat Burdes offensichtlich in der Rezensentin gefunden. In den höchsten Tönen schwärmt sie von den Werken und der Arbeitsweise des Berliner Komponisten und scheint sich mit den immer wieder innovativen und erfinderischen Ansätzen, mit denen Reimann sich einer neuen Komposition nähert, auch gut auszukennen. Ebenso viel Lob hat sie aber auch für Burde übrig, dem es von Zeit zu Zeit sogar gelinge, Laien die Komplexität Reimanns Werkes nahe zu bringen. Erfreut zeigt Koohlhaas sich auch über die "gewissenhafte" Einfühlsamkeit, die Burde beim Besprechen der Werke zu Tage legt. Kleinere "Unstimmigkeiten" verrieten der Rezensentin allerdings, dass das Buch ursprünglich bereits vor fünf Jahren erscheinen sollte. Nichtsdestotrotz resümiert Koohlhaas beglückt: "Das bisher umfassendste und eindringlichste Nachschlagekompendium."

© Perlentaucher Medien GmbH