Blick zurück auf die antike Polis. In diesem Buch wird erstmals im Zusammenhang untersucht, wie sich das politische Denken im 20. Jahrhundert im Rückgriff auf aristotelische Denkfiguren erneuert hat - von den frühen Vorlesungen Martin Heideggers über Eric Voegelin, Leo Strauss und Hannah Arendt, Hans-Georg Gadamer, Joachim Ritter und Dolf Sternberger bis zu Alasdair MacIntyre und Martha Nussbaum.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
"...Insgesamt liegt hier ein bedeutender Beitrag zur jüngsten Geschichte der politischen Ideen vor, weil es die erste Darstellung der aristotelischen Einflüsse auf das politische Denken der Nachkriegszeit ist..." (Zeitschrift für Politikwissenschaft)
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Warum Jürgen Busche dieses Buch eigentlich bespricht bleibt sein Geheimnis. Zuerst findet er schon einmal das Thema ganz ungeeignet für eine Dissertation, weil die Stofffülle wenig Raum lasse "für die Entwicklung von Thesen". Dann beurteilt er die "Eröffnung" als "klug", was fast ein wenig verächtlich klingt, und ärgert sich darüber, dass der Autor in den folgenden "acht Monografien" große Geister wie Voegelin, Strauss, Arendt, Gadamer, Ritter, Sternberger, MacIntyre und Nussbaum "benotet". Und am Schluss findet Busche, dies sei "ein schöner Anfang für die Exerzitien in einem Proseminar". Irgendwo in der Mitte der Besprechung ist dann der klarste und vielleicht vernichtendste Satz versteckt: "Von eigener belangvoller Philosophie ist da noch nicht zu reden."
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2002Aristotelisch geprägt
POLITIKWISSENSCHAFT. Unter den Zetteln, die Martin Heidegger seinem Vorlesungsmanuskript aus dem Sommersemester 1923 beigefügt hat, findet sich eine kleine Notiz: "Hermeneutik der Faktizität: jetzt radikale Faktizität mitnehmen im Zurück zu A." Mit "A." war Aristoteles gemeint. Das Programm, das in diesem einen Satz steckt, sollte die gesamte praktische und politische Philosophie des 20. Jahrhunderts verändern. Heidegger wandte sich der "Nikomachischen Ethik" des Griechen zu, um die Existenz des Menschen im 20. Jahrhundert zu erhellen - ein unerhörtes Unterfangen für die im Neukantianismus erzogene Akademikerwelt. Für seine Schüler aber wurde die Teilhabe an der radikalen De- und Rekonstruktion sowohl der neuzeitlichen als auch der griechischen Philosophie selbst zum existentiellen Erlebnis. Nach Krieg und Nationalsozialismus setzten sie den Denkweg des Lehrers auf ihre Weise fort. Was Heidegger auf die individuelle Existenz beschränkt hatte, wurde von Hannah Arendt, Leo Strauss und Hans-Georg Gadamer ins Politische gewendet. Seither sind einflußreiche Schulen der deutschen und amerikanischen Politikwissenschaft aristotelisch geprägt. Es ist dieser "aristotelische Diskurs", den Thomas Gutschker, Redakteur dieser Zeitung, untersucht hat. Erstmals wird sowohl historisch als auch systematisch herausgearbeitet, welche Spuren Aristoteles im philosophisch-politischen Denken des 20. Jahrhunderts hinterlassen hat. Der Verfasser behandelt neben Heideggers frühen Vorlesungen drei Diskurszusammenhänge: den der nach Amerika emigrierten deutschen Politikwissenschaftler (Arendt, Strauss und Eric Voegelin), die deutschen Ansätze zu einer Rehabilitierung der praktischen Philosophie in den sechziger Jahren (Gadamer, Joachim Ritter und Dolf Sternberger) und schließlich die zeitgenössische amerikanische Debatte zwischen Liberalen und Kommunitaristen (Alasdair MacIntyre, Martha Nussbaum). Die einzelnen Linien treffen sich in den zentralen Themen aller Aristoteles-Interpretationen, dem Glückstreben des Menschen, der Herkunft von Recht und Sitte, der Vermittlung von Handlungsregel und Einzelfall durch Urteilskraft, der Rolle des Staates in der Daseinsfürsorge und der politischen Balance von oligarchischen und demokratischen Ansprüchen. In der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Positionen zeichnet sich das normativ gehaltvolle Modell einer Bürgergesellschaft ab, die die Unterschiede zwischen den Menschen weder aufhebt noch übersteigert, sondern sie einem beschränkten politischen Ausgleich zuführt. (Thomas Gutschker: Aristotelische Diskurse. Aristoteles in der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2002. 532 Seiten, 49,90 Euro.)
F.A.Z.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
POLITIKWISSENSCHAFT. Unter den Zetteln, die Martin Heidegger seinem Vorlesungsmanuskript aus dem Sommersemester 1923 beigefügt hat, findet sich eine kleine Notiz: "Hermeneutik der Faktizität: jetzt radikale Faktizität mitnehmen im Zurück zu A." Mit "A." war Aristoteles gemeint. Das Programm, das in diesem einen Satz steckt, sollte die gesamte praktische und politische Philosophie des 20. Jahrhunderts verändern. Heidegger wandte sich der "Nikomachischen Ethik" des Griechen zu, um die Existenz des Menschen im 20. Jahrhundert zu erhellen - ein unerhörtes Unterfangen für die im Neukantianismus erzogene Akademikerwelt. Für seine Schüler aber wurde die Teilhabe an der radikalen De- und Rekonstruktion sowohl der neuzeitlichen als auch der griechischen Philosophie selbst zum existentiellen Erlebnis. Nach Krieg und Nationalsozialismus setzten sie den Denkweg des Lehrers auf ihre Weise fort. Was Heidegger auf die individuelle Existenz beschränkt hatte, wurde von Hannah Arendt, Leo Strauss und Hans-Georg Gadamer ins Politische gewendet. Seither sind einflußreiche Schulen der deutschen und amerikanischen Politikwissenschaft aristotelisch geprägt. Es ist dieser "aristotelische Diskurs", den Thomas Gutschker, Redakteur dieser Zeitung, untersucht hat. Erstmals wird sowohl historisch als auch systematisch herausgearbeitet, welche Spuren Aristoteles im philosophisch-politischen Denken des 20. Jahrhunderts hinterlassen hat. Der Verfasser behandelt neben Heideggers frühen Vorlesungen drei Diskurszusammenhänge: den der nach Amerika emigrierten deutschen Politikwissenschaftler (Arendt, Strauss und Eric Voegelin), die deutschen Ansätze zu einer Rehabilitierung der praktischen Philosophie in den sechziger Jahren (Gadamer, Joachim Ritter und Dolf Sternberger) und schließlich die zeitgenössische amerikanische Debatte zwischen Liberalen und Kommunitaristen (Alasdair MacIntyre, Martha Nussbaum). Die einzelnen Linien treffen sich in den zentralen Themen aller Aristoteles-Interpretationen, dem Glückstreben des Menschen, der Herkunft von Recht und Sitte, der Vermittlung von Handlungsregel und Einzelfall durch Urteilskraft, der Rolle des Staates in der Daseinsfürsorge und der politischen Balance von oligarchischen und demokratischen Ansprüchen. In der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Positionen zeichnet sich das normativ gehaltvolle Modell einer Bürgergesellschaft ab, die die Unterschiede zwischen den Menschen weder aufhebt noch übersteigert, sondern sie einem beschränkten politischen Ausgleich zuführt. (Thomas Gutschker: Aristotelische Diskurse. Aristoteles in der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2002. 532 Seiten, 49,90 Euro.)
F.A.Z.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main