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'Der Autor arbeitete ein Jahr undercover in unterschiedlichen Jobs. In seiner Rolle als ungelernter Hilfsarbeiter musste er alle von der Arbeitsagentur vermittelten Tätigkeiten annehmen. Aus dieser Expedition ist ein aufrüttelnder Report über das Leben am Existenzlimit entstanden.
'Markus Breitscheidel berichtet, wie er als arbeitsloser Hartz-IV-Empfänger und Leiharbeiter stigmatisiert, gemobbt und als Mensch zweiter Klasse behandelt wurde. Trotz Vollzeitarbeit reichte sein Lohn nicht zum Leben. Er war auf zusätzliche staatliche Unterstützung und karitative Einrichtungen wie Speisetafeln…mehr

Produktbeschreibung
'Der Autor arbeitete ein Jahr undercover in unterschiedlichen Jobs. In seiner Rolle als ungelernter Hilfsarbeiter musste er alle von der Arbeitsagentur vermittelten Tätigkeiten annehmen. Aus dieser Expedition ist ein aufrüttelnder Report über das Leben am Existenzlimit entstanden.
'Markus Breitscheidel berichtet, wie er als arbeitsloser Hartz-IV-Empfänger und Leiharbeiter stigmatisiert, gemobbt und als Mensch zweiter Klasse behandelt wurde. Trotz Vollzeitarbeit reichte sein Lohn nicht zum Leben. Er war auf zusätzliche staatliche Unterstützung und karitative Einrichtungen wie Speisetafeln und Kleiderkammern angewiesen. In seinem erschütternden Bericht analysiert er die persönlichen und ökonomischen Auswirkungen der Billiglohnpolitik: Die Arbeiter und ihre Familien verlieren den Kampf gegen den sozialen Abstieg, während die Unternehmen immer größere Gewinne einfahren.
Autorenporträt
Markus Breitscheidel studierte Wirtschaftswissenschaften und war Marketingleiter einer Werkzeugfirma. Über ein Jahr lang arbeitete er undercover als Hilfskraft in verschiedenen Pflege- und Altersheimen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.11.2008

Als Leiharbeiter auf Deutschlandtour
Es ist Markus Breitscheidel hoch anzurechnen, dass er einen Selbstversuch gewagt hat. Hätte der Wissenschaftler Betroffene befragt und nur Antworten dokumentiert, wäre er leicht in den Ruf geraten, Klischees zu verbreiten. So aber ist Breitscheidel selbst losgezogen. Er diente sich als ungelernter Hilfsarbeiter an, war als Leiharbeiter unterwegs und kam als Hartz-IV-Empfänger über die Runden. Wie es ihm dabei ging, wie er sich fühlte und was er erlebte, hat Breitscheidel im Buch „Arm durch Arbeit” aufgeschrieben. Es ist ein Erfahrungsbericht von einem, der sich in eine neue Arbeitswelt aufmacht und anklagend feststellt, dass, wer Arbeit sucht, flexibel und anspruchslos sein muss.
Breitscheidel ist Wirtschaftswissenschaftler und hat als Marketingchef in einer Werkzeugfirma gearbeitet. Schon früh suchte er den Kontakt zu Günther Wallraff – und ließ sich von ihm beraten. Verglichen mit vielen Kollegen, die er in der Zeit des Selbstversuchs traf, ist er privilegiert. Denn Breitscheidel übernahm freiwillig die Rollen, die einer zunehmenden Zahl von Menschen zufallen. Sieben Millionen Menschen arbeiten nach Schätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hierzulande im Niedriglohnbereich. Jeder achte Zeitarbeitnehmer muss laut DGB zusätzlich Hartz IV beantragen, um sein Gehalt aufzustocken.
Anderthalb Jahre hat sich Breitscheidel in die Abhängigkeit von Sozialleistungen begeben. Als Hartz-IV-Empfänger stieß er schnell an finanziellen Grenzen, weil ihm die 345 Euro im Monat zum Leben nicht ausreichten. „Beim Durchstöbern der Regale wird mir schnell bewusst, dass ich als ernährungsbewusster Mensch in der nächsten Zukunft auf den Luxus, mich mit vollwertiger Biokost zu ernähren, verzichten muss”, schreibt er. Er sammelte Pfandflaschen und löste sie ein, verpfändete sein Mobiltelefon und besuchte Mittagstafeln und Kleiderkammern, um sich über Wasser zu halten.
Als ungelernter Hilfsarbeiter musste er alle Tätigkeiten annehmen, die ihm die Arbeitsagentur vermittelte. Als Leiharbeiter arbeitete er bei namhaften Konzernen, so etwa beim Autohersteller Opel und bei Bayer/Schering. Bei Opel konnte er sich das Essen in der Kantine nicht leisten, weil er dafür doppelt so viel hätte bezahlen müssen wie die Festangestellten – und das bei einem deutlich niedrigeren Stundenlohn.
Er wurde von den festen Kollegen gemobbt, weil er aus deren Sicht das Lohngefüge gefährdete. „Für 7 Euro wäre hier noch vor ein paar Jahren keiner bereit gewesen zu arbeiten. Das ist erst durch euch möglich und seither müssen wir uns noch für unsere Tarife rechtfertigen”, zitiert Breitscheidel aus einem Gespräch mit Kollegen. Trotz Vollzeitarbeit im Schichtbetrieb reichte sein Lohn nicht zum Leben aus und er musste zusätzliche staatliche Unterstützung beantragen.
Bei seinen Recherchen lernte Breitscheidel gut ausgebildete Arbeitssuchende und Familien aus dem Mittelstand kennen, die ohne eigenes Verschulden Hartz-IV-Empfänger geworden waren. Sein Buch ist ein Bericht über das Leben am finanziellen Existenzlimit. Dabei dokumentiert der Autor die Zustände, die er vorfindet, und er er analysiert die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Gesellschaft.
„Nach knapp eineinhalb Jahren intensiver Recherche kehre ich zurück nach Hause an die Mosel. Dabei bleibt mir die Erkenntnis, dass die Agenda 2010 mit den Änderungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung und vor allem dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz die Armut in unserem Land deutlich ansteigen ließ”, schreibt Breitscheidel. Sein Buch ist ein lesenswerter Beitrag zur Debatte über die Grenzen der Zeitarbeit und Hartz IV. Gemeinsam mit Experten liefert er Lösungsansätze. Sibylle Haas
Markus Breitscheidel:
Arm durch Arbeit.
Ein Undercover-Bericht.
Econ-Verlag, Berlin 2008,
219 Seiten, 18,00 Euro.
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