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Nichts spiegelt den unentschiedenen Zustand der deutschen Sicherheitspolitik so stark wider wie der desolate Zustand der Bundeswehr. Nichts passt hier richtig zusammen. Dient sie der Landesverteidigung oder soll sie internationale Interventionsarmee sein? Ist sie im Ausland für humanitäre Hilfe und militärische Ausbildung zuständig oder soll sie auch militärische Kampfeinsätze außerhalb der NATO ausführen? Welche langfristige politische Strategie liegt ihr eigentlich zugrunde und gibt es diese überhaupt?
Es ist ja nicht so, dass all diese Fragen nicht schon von vielen erkannt worden wären.
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Produktbeschreibung
Nichts spiegelt den unentschiedenen Zustand der deutschen Sicherheitspolitik so stark wider wie der desolate Zustand der Bundeswehr. Nichts passt hier richtig zusammen. Dient sie der Landesverteidigung oder soll sie internationale Interventionsarmee sein? Ist sie im Ausland für humanitäre Hilfe und militärische Ausbildung zuständig oder soll sie auch militärische Kampfeinsätze außerhalb der NATO ausführen? Welche langfristige politische Strategie liegt ihr eigentlich zugrunde und gibt es diese überhaupt?

Es ist ja nicht so, dass all diese Fragen nicht schon von vielen erkannt worden wären. Dass sich etwas ändern müsse, gehört schon fast zum Mainstream-Meinung. Aber sobald es konkret wird, stagniert alles.

Von Bredows Buch ist die nachdenkliche Analyse einer zunehmend überholten Sicherheitspolitik, die nicht länger darauf hoffen darf, nur auf Sicht und im Vertrauen auf andere Nationen im Hintergrund agieren zu können. Deutschland wird nicht umhinkommen, seine Rolle und Position in der Sicherheitspolitik Europas bedenken und gegebenenfalls neu definieren zu müssen.
Autorenporträt
Wilfried von BredowProf. Wilfried von Bredow ist Politologe. Nach Forschungsaufenthalten unter anderem in Oxford, Toronto und Taiwan lehrte er zuletzt an der Philipps-Universität Marburg. Seit 2011 ist er Mitglied der »Geneva Graduate School of Governance« in Genf.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Lorenz Hemicker empfiehlt Wilfried von Bredows Buch über die Mängel der Bundeswehr und die Mängel deutscher und europäischer Sicherheitspolitik vor allem einem breiteren Publikum. Dieses kann bei Bredow bereits Gesagtes zur Orientierung lesen, lobt Hemicker. Wie der Politikwissenschaftler und Kenner deutscher Sicherheitspolitik durch die weltpolitische Lage führt, Versäumnisse der NATO und der EU benennt und zeigt, wie Deutschland sicherheitspolitisch immer noch in den Kategorien des Kalten Krieges denkt, findet Hemicker lesenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.01.2021

Mal zurückhaltend, mal knallhart
Sicherheitspolitik und Bundeswehr - was zusammengehört und in der Praxis nicht zusammenpasst

Die Bundeswehr hat gewaltige Probleme. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht über den Morast berichtet wird, in dem die deutschen Streitkräfte feststecken. Meldungen über die desaströse Materiallage sind Legion. Hinzu kommen politische Keilereien wie zuletzt um die Kampfdrohnen, über deren Beschaffung seit Jahren diskutiert wird. Und ist es an diesen beiden Fronten einmal ruhig, gibt es ja noch die Amerikaner, die den Deutschen wegen zu geringer Verteidigungsausgaben auf den Füßen stehen - oder Nachrichten über extremistische Umtriebe aus der Truppe. Das KSK lässt grüßen.

Für die Feststellung, dass es in der Bundeswehr und in der deutschen Sicherheitspolitik im Allgemeinen gehörig knarzt, bedürfte es keines Buches. Um den gordischen Knoten, in dem sich Streitkräfte und Politik verstrickt haben, gedanklich zu durchdringen - von durchschlagen soll gar nicht die Rede sein - , kann es jedoch eine große Hilfe sein. Auf "Armee ohne Auftrag" trifft das zweifellos zu.

Wilfried von Bredow, Politikwissenschaftler, Emeritus der Philipps-Universität Marburg und jahrzehntelanger Beobachter deutscher Sicherheitspolitik, führt durch sämtliche Ebenen des Dilemmas, warum, so seine These, die deutsche Sicherheitspolitik mit der Bundeswehr nicht mehr recht etwas anzufangen weiß. Und, das darf man anfügen, viele Soldaten umgekehrt auch nicht mehr mit der deutschen Sicherheitspolitik.

Bredows Parforceritt durch die weltpolitischen Probleme der Gegenwart lädt zur Frage ein, warum über sie trotz Pandemie und Klimawandel nicht ständig diskutiert wird. Die Demokratie ist weltweit auf dem Rückzug. Visionen von Weltordnungen auf westlicher Wertebasis haben sich erledigt. Amerika und Europa driften auseinander. Trotzdem sind die Mahnungen deutscher Sicherheitspolitiker im Angesicht dieses Sturms selten, überzeugende Antworten existieren nicht.

Bredow vermeidet es, im Gegensatz zu anderen Autoren, alle Schuld für die desolate Lage in Berlin abzuladen. Kenntnisreich beschreibt er, wie es in der Nato, der EU und vor allem zwischen beiden bei sicherheitspolitischen Fragen ganz gehörig ruckelt. Zugleich legt er überzeugend dar, warum dennoch mit beiden, und zwar nur mit beiden, langfristig eine wirksame europäische Verteidigung gesichert werden kann. Vorstellungen über eine rasche europäische Autonomie verbannt er dabei ebenso ins Reich der Hirngespinste wie die Hoffnung, dass sich Amerika auf ewig im gewohnten Maße für die Verteidigung Europas starkmachen werde.

Das deutsche Verhalten in sicherheitspolitischen Fragen entschuldigen die in den multilateralen Organisationen zu verortenden Erschwernisse aus Bredows Sicht aber nicht. Anhand vieler Beispiele illustriert der Autor, wie Deutschland bis heute immer wieder versucht, die Schablonen aus der Zeit des Kalten Krieges zur Lösung aktueller Herausforderungen heranzuziehen. Dabei, so von Bredow, pendle das Land zwischen der liebgewonnenen "Kultur der Zurückhaltung" und des "Zähnezeigens" hin und her. So findet sich in der Entscheidungshistorie das Vorpreschen bei der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens neben abgelehnten UN-Einsätzen wie im Irak (beide 1991) ebenso wie ohne UN-Mandat durchgeführte Militäreinsätze (1999), Enthaltungen wie in Libyen (2011) - welche die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung viel Reputation bei den Verbündeten kostete und am Ende doch nicht verhinderte, dass Berlin indirekt half. Die Liste ließe sich fortsetzen. Was das Land will, mehr noch, wie es seine Ziele zu erreichen sucht, bleibe dabei zumeist unklar und mache Deutschland unkalkulierbar "mal zurückhaltend, mal knallhart".

Dass die Bundeswehr bei alldem in den vergangenen dreißig Jahren quasi zwangsläufig unter die Räder gekommen ist, leitet Bredow aus den Erfahrungen des Kalten Krieges ab. Schließlich lebte es sich in (West-)Deutschland gut mit einer Armee, der unilaterale Interessen tabu und jegliche Art von Einsatzszenarien für die Bundeswehr schon allein aufgrund des Ost-West-Konflikts und der nationalsozialistischen Vergangenheit undenkbar waren. Auch in der Gesellschaft gab und gibt es kaum Ambitionen, das zu ändern. Die Bundeswehr wird geschätzt als eine Art bewaffnetes technisches Hilfswerk. Sobald aber Szenarien (Nato-Ostflanke) oder Einsätze (Afghanistan, Mali) Gefahr laufen, Tod und Verwundung zu fordern, sacken die Zustimmungsraten ab.

Im Ergebnis zeigt Bredow, wie die Bundesregierung mehr getrieben als gewollt die Einsätze der Bundeswehr behutsam immer weiter ausweitete und dabei die Streitkräfte zwischen Modernisierungsinitiativen und Etatkürzungen verschliss.

Dass sich die Situation auch im Angesicht der Haushaltssteigerungen in den vergangenen Jahren nicht wirklich zum Besseren gewendet hat, ist nicht von der Hand zu weisen und wird auch von Bredow geschildert. Zwischen dem von Regierungsmitgliedern gerne formulierten deutschen Anspruch, mehr sicherheitspolitische Verantwortung zu übernehmen, und den Möglichkeiten der Truppe liegen Welten. Zum weiterhin knappen Geld gesellen sich in Bredows Augen massive Planungsfehler im Verteidigungsministerium sowie - und das ist das Verheerendste - bis heute ein fehlendes stimmiges strategisches Grundkonzept, aus denen sich die Prioritäten ableiten. Dass die Bundeswehr den gegenwärtig geltenden Anspruch, die (komplexer gewordene) Verteidigung der Nato-Ostflanke zu gewährleisten und parallel dazu noch ein nicht unerhebliches Set an Auslandseinsätzen zu bewältigen, nicht einlösen kann, erklärt sich dabei fast von selbst. Daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern.

Dass die Corona-Pandemie sämtliche bis dato noch offiziell verfolgten Modernisierungspläne der Bundeswehr angesichts der massiven Neuverschuldung in den kommenden Jahren über den Haufen werfen könnte, auch das schreibt Bredow, verheißt dabei nichts Gutes.

Für die überschaubare sicherheitspolitische Community in Deutschland bietet Bredows Buch zwar wenig Neues. Fast alles, was er aufschreibt, wurde bereits gesagt, geschrieben und getwittert. Das ficht den Autor aber nicht an. Für ein breites Publikum ist es lesenswerter Kompass.

LORENZ HEMICKER

Wilfried von Bredow: "Armee ohne Auftrag: Die Bundeswehr und die deutsche Sicherheitspolitik". Orell Füssli Verlag, Zürich 2020.

199 S., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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