Armut in allen Formen zu beenden ist das erklärte Ziel der Vereinten Nationen. Aber was ist Armut? Und wer ist arm? Ist Armut messbar? Wie lässt sich Armut bekämpfen? Philipp Lepenies führt kundig und kompetent in ein komplexes Thema ein, das die Welt bewegt. Sein Buch stellt die wichtigsten Epochen, Ereignisse, Reaktionen und Konzepte vor, die für das Verständnis der aktuellen Armutsdebatten notwendig sind.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2017Vom gelingenden
Leben
Philipp Lepenies plädiert für
eine andere Definition von Armut
„Armut ist ein gesellschaftliches Phänomen mit vielen Gesichtern. Es entzieht sich deshalb einer eindeutigen Messung.“ Auf diesem Standpunkt steht die Bundesregierung nicht erst seit dem zweiten Armutsbericht aus dem Jahr 2005. Auf einem völlig anderen Standpunkt stehen die Sozialverbände. Jedes Jahr ist die Aufregung groß, wenn etwa der Paritätische Wohlfahrtsverband seinen Armutsbericht vorlegt und – wie jüngst wieder – mantraartig davor warnt, mehr als 15 Prozent der Deutschen seien von Armut bedroht. Dann schlägt die Stunde der Statistiker, und es wird wild debattiert, mit welchen ökonomischen Parametern denn Einkommensarmut zu messen sei.
All diesen eifrigen Diskutanten sei der schmale Band des Ökonomen und Politologen Philipp Lepenies empfohlen. Vor seinem Quereinstieg in die Wissenschaft war Lepenies mehr als zehn Jahre lang bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau Senior Economist der Strategieabteilung mit dem Schwerpunkt Armut und Armutsmessung. Er weiß also, wovon er schreibt. Das Büchlein weitet den Blick. Es beschreibt den Umgang der Menschen mit Armut seit der Antike, schaut sich bei den Philosophen um, betrachtet die Sonderrolle Englands und befasst sich eingehend mit dem Versprechen der modernen Politik, Armut zu beseitigen – und sei es nur, sie aus der öffentlichen Wahrnehmung zu entfernen.
Lepenies plädiert für einen breiteren Begriff von Armut, der sich abhebt von der oft absurden Messbarkeitsdebatte. Er hält es mit dem indischen Ökonomen Amartya Kumar Sen, der nicht danach fragt, welche Güter ein Mensch besitzt, sondern welche Chancen er hat, sich zu verwirklichen. Hat er Chancen auf Bildung, auf Arbeit, auf ein gesundes Leben? Dieser „Verwirklichungschancen“-Ansatz wird nicht allen gefallen, denn er kostet mehr Anstrengung, aber er nähme die Politik stärker in die Verantwortung. Denn dann ginge es nicht mehr um den billigen Hinweis, Armut lasse sich nicht exakt messen, sondern um echte Chancengleichheit.
ROBERT PROBST
Philipp Lepenies: Armut. Ursachen, Formen, Auswege. Verlag C. H. Beck München 2017, 128 Seiten, 8,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Leben
Philipp Lepenies plädiert für
eine andere Definition von Armut
„Armut ist ein gesellschaftliches Phänomen mit vielen Gesichtern. Es entzieht sich deshalb einer eindeutigen Messung.“ Auf diesem Standpunkt steht die Bundesregierung nicht erst seit dem zweiten Armutsbericht aus dem Jahr 2005. Auf einem völlig anderen Standpunkt stehen die Sozialverbände. Jedes Jahr ist die Aufregung groß, wenn etwa der Paritätische Wohlfahrtsverband seinen Armutsbericht vorlegt und – wie jüngst wieder – mantraartig davor warnt, mehr als 15 Prozent der Deutschen seien von Armut bedroht. Dann schlägt die Stunde der Statistiker, und es wird wild debattiert, mit welchen ökonomischen Parametern denn Einkommensarmut zu messen sei.
All diesen eifrigen Diskutanten sei der schmale Band des Ökonomen und Politologen Philipp Lepenies empfohlen. Vor seinem Quereinstieg in die Wissenschaft war Lepenies mehr als zehn Jahre lang bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau Senior Economist der Strategieabteilung mit dem Schwerpunkt Armut und Armutsmessung. Er weiß also, wovon er schreibt. Das Büchlein weitet den Blick. Es beschreibt den Umgang der Menschen mit Armut seit der Antike, schaut sich bei den Philosophen um, betrachtet die Sonderrolle Englands und befasst sich eingehend mit dem Versprechen der modernen Politik, Armut zu beseitigen – und sei es nur, sie aus der öffentlichen Wahrnehmung zu entfernen.
Lepenies plädiert für einen breiteren Begriff von Armut, der sich abhebt von der oft absurden Messbarkeitsdebatte. Er hält es mit dem indischen Ökonomen Amartya Kumar Sen, der nicht danach fragt, welche Güter ein Mensch besitzt, sondern welche Chancen er hat, sich zu verwirklichen. Hat er Chancen auf Bildung, auf Arbeit, auf ein gesundes Leben? Dieser „Verwirklichungschancen“-Ansatz wird nicht allen gefallen, denn er kostet mehr Anstrengung, aber er nähme die Politik stärker in die Verantwortung. Denn dann ginge es nicht mehr um den billigen Hinweis, Armut lasse sich nicht exakt messen, sondern um echte Chancengleichheit.
ROBERT PROBST
Philipp Lepenies: Armut. Ursachen, Formen, Auswege. Verlag C. H. Beck München 2017, 128 Seiten, 8,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Philipp Lepenies gelingt es in diesem schmalen Band, sowohl eine kurze Geschichte der Armut, der Armutsverständnisse wie auch der für heute noch tragenden Armutsdefinition zu liefern."
Kai Sammet, Zeitschrift für Geisteswissenschaft, 10/2017
"Ein konstruktiver und gut fundierter Ansatz für einen notwendigen gesellschaftspolitischen Diskurs."
Gunther Hartwig, Schwäbische Post, 20. Juni 2017
"Allen (...) Diskutanten sei der schmale Band des Ökonomen und Politologen empfohlen (...) Das Büchlein weitet den Blick"
Robert Probst, Süddeutsche Zeitung, 20. März 2017
Kai Sammet, Zeitschrift für Geisteswissenschaft, 10/2017
"Ein konstruktiver und gut fundierter Ansatz für einen notwendigen gesellschaftspolitischen Diskurs."
Gunther Hartwig, Schwäbische Post, 20. Juni 2017
"Allen (...) Diskutanten sei der schmale Band des Ökonomen und Politologen empfohlen (...) Das Büchlein weitet den Blick"
Robert Probst, Süddeutsche Zeitung, 20. März 2017