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Die USA sind das reichste Land der Welt - und doch gibt es hier mehr Armut als in jeder anderen fortgeschrittenen Demokratie: Würden die Betroffenen einen eigenen Staat gründen, hätte dieser eine größere Bevölkerung als Australien oder Venezuela. Warum klaffen gerade hier, wo doch alle Mittel vorhanden sein sollten, Reich und Arm, Anspruch und Realität so drastisch auseinander?
Der Soziologe und Pulitzer-Preisträger Matthew Desmond zeigt eine bittere Wahrheit, die weit über die USA hinausweist und ins Innerste der kapitalistischen Gesellschaften zielt: Dass Millionen von Menschen in Armut
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Produktbeschreibung
Die USA sind das reichste Land der Welt - und doch gibt es hier mehr Armut als in jeder anderen fortgeschrittenen Demokratie: Würden die Betroffenen einen eigenen Staat gründen, hätte dieser eine größere Bevölkerung als Australien oder Venezuela. Warum klaffen gerade hier, wo doch alle Mittel vorhanden sein sollten, Reich und Arm, Anspruch und Realität so drastisch auseinander?

Der Soziologe und Pulitzer-Preisträger Matthew Desmond zeigt eine bittere Wahrheit, die weit über die USA hinausweist und ins Innerste der kapitalistischen Gesellschaften zielt: Dass Millionen von Menschen in Armut leben, ist nicht etwa eine strukturelle Zwangsläufigkeit oder das Ergebnis je individuellen Fehlverhaltens - Armut existiert und besteht fort, weil es Menschen gibt, die davon profitieren. Doch nicht nur Konzerne und Kapitalgesellschaften, sämtliche Wohlhabenden tragen, wissend oder unwissend, zur Aufrechterhaltung der Missstände bei. Was politische Mythen, Profitinteressen, aber auchtägliche Konsumentscheidungen damit zu tun haben - das wurde selten so schonungslos aufgezeigt. Eine wütende Anklage und ein entschiedenes Plädoyer: Die Armut, dieses himmelschreiende Unrecht, muss nichts weniger als endlich abgeschafft werden.
Autorenporträt
Matthew Desmond, geboren 1979, ist Professor für Soziologie an der Universität Princeton. Selbst in prekären Verhältnissen aufgewachsen, hat Desmond später zu Forschungszwecken über Jahre hinweg von Armut betroffene Familien begleitet. Ihre Geschichten gingen ein in das Buch 'Evicted', für das er 2017 den Pulitzer-Preis erhielt. Der lange erwartete Nachfolger 'Armut', der ein noch größeres Bild zeichnet, stand auf Platz 1 der 'New York Times'-Bestsellerliste, das Presseecho war enorm: 'Dringlich und packend - eine moralische Kraft wie ein Schlag in den Magen.' (The New Yorker)
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Lektüre dieses Buches lohnt sich, findet Rezensent Harald Eggebrecht, allerdings tut sie das nur für Leser, die sich Zeit nehmen. Denn Waubgeshig Rice beschreibt und erzählt äußerst präzise und geduldig, Schritt für Schritt begleitet der Roman, erfahren wir, eine Gruppe indigener Anishinaabe, die in ein ehemaliges Reservat in Ontario zurückkehren, das sie nach einem katastrophalen Stromausfall Jahre zuvor verlassen hatten. Sie sollen herausfinden, ob die Gegend wieder besiedelt werden kann. Weniger die Erzählung, als die Sprache steht hier im Zentrum, meint Eggebrecht, der Schreibfluss passt sich der behutsamen Geschwindigkeit er Reisegruppe an. Die Genauigkeit, mit der Rice operiert, erinnert Eggebrecht an James Fenimore Cooper oder Adalbert Stifter, und wie bei diesen geht es letztlich darum, aus der Beschreibung Erkenntnis zu gewinnen. Wer sich eben darauf einlässt, der kann, glaubt der Rezensent, mit dem Buch ein erstaunliches Abenteuer nachvollziehen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2024

Wer von der Ausbeutung
der Armen profitiert
Der Soziologe Matthew Desmond zeigt fulminant,
dass es dem Sozialstaat in den USA nicht an Geld fehlt.
Matthew Desmond verliert keine Zeit. „Warum gibt es in den Vereinigten Staaten so viel Armut?“, fragt er im ersten Satz und gibt eine umfassende Antwort auf 200 Seiten. Nicht nur im Umfang unterscheidet sich „Armut. Eine amerikanische Katastrophe“ von seinem Vorgänger „Zwangsgeräumt“, das 2017 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Desmond beschrieb darin den täglichen Überlebenskampf mehrerer armer Familien aus Milwaukee.
„Zwangsgeräumt“ las sich so packend (hier die SZ-Rezension), weil Desmond Monate mit diesen Menschen verbrachte – sowohl mit den Schwarzen in der North Side als auch mit den als „White Trash“ verachteten Bewohnern eines Wohnwagenparks. „Ich habe ihre Kinder gehütet, von ihren Tellern gegessen und neben ihnen geschlafen“, schrieb Desmond. Diese Erfahrungen spürt man auch bei „Armut“, das mehr wütendes Manifest als nüchternes Sachbuch ist. Zu Recht bescheinigt der New Yorker dem Werk „eine moralische Kraft wie ein Schlag in den Magen“.
Desmond, nun Professor an der Elite-Uni Princeton und Autor des New York Times Magazine, findet es anstößig, dass trotz des enormen Wohlstands der USA Dutzende Millionen in Armut leben müssen. Und er kündigt im Prolog an aufzuzeigen, dass auch „wir, die Abgesicherten, die Versicherten, die Behausten, die Studierten, die Behüteten, die Glückskinder, etwas mit dem sinnlosen Leid zu tun“ haben.
Dabei gibt die US-Regierung entgegen aller Vorurteile sehr viel Geld für Soziales aus. Es kommt nur zu wenig bei den Bedürftigen an. „Wenn man alles zusammenzählt, haben die USA – gemessen am Staatshaushalt – nach Frankreich den zweitgrößten Sozialetat der Welt“, schreibt er und ergänzt: „Allerdings nur, wenn man die staatlichen Zuschüsse zu Betriebsrenten, Studienkredite, Kinderfreibeträge und Eigenheimzulagen mitrechnet – alles Mittel, die in erster Linie Bürgern oberhalb der Armutsgrenze zugutekommen.“
Desmond schildert den Alltag armer Amerikaner sehr plastisch. Er zitiert Studien, wonach Armut „die kognitiven Fähigkeiten stärker beeinträchtigt als eine schlaflose Nacht“ und krank macht. Es gilt weiter, was der Autor James Baldwin 1961 schrieb: „Armsein ist eine teure Sache.“ So machen Vermieter die besten Gewinne nicht etwa in Mittelschichtgegenden: „Arme Menschen – vor allem arme schwarze Familien – haben bei der Wohnungssuche kaum eine Wahl. Daher können Hauseigentümer überteuerte Mieten von ihnen verlangen, und das tun sie auch.“
Auch Banken sind kaum an Arbeitern interessiert: Ein Darlehen über eine Million Dollar ist lukrativer als zehn über 100 000 Dollar. Eines mögen US-Banken jedoch: Strafgebühren, wenn ein Konto überzogen wird. 2020 wurden dafür durchschnittlich 33,58 Dollar berechnet – und zwar mehrmals am Tag. Kein Wunder also, dass ein separates Bankwesen entstanden ist, mit Läden, die gegen hohe Gebühren die in den USA weiter gebräuchlichen Gehaltsschecks einlösen oder gegen Wucherzinsen kurzfristige Kredite vergeben.
Weil US-Gewerkschaften nur noch „für Feuerwehrleute, Pflegekräfte, Polizisten und andere Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes“ etwas bewegen können, bleibt der bundesweite Mindestlohn bei 7,25 Dollar pro Stunde. Regelmäßige Anpassungen sind nicht vorgesehen, stattdessen helfen Firmen wie Walmart, die jedes Jahr Hunderte Milliarden Dollar Umsatz machen, ihren Angestellten, Lohnsubventionen zu beantragen. Zwar profitierten 2021 25 Millionen Arbeitnehmer davon, doch für Desmond ist es „ein großzügiges Geschenk des Staates an die Wirtschaft“.
Dabei ist seit 2020 bekannt, was wirklich helfen würde, denn während der Corona-Pandemie wurde einiges getestet. Vier Monate lang erhielten Arbeitslose 600 Dollar pro Woche mehr, später waren es noch 300 Dollar zusätzlich – „ein seltenes Eingeständnis der Unzulänglichkeit dieser Hilfen“. Mittlerweile sind die Sätze wieder reduziert, doch damals führte die Maßnahme dazu, dass es 2021 etwa 16 Millionen weniger Arme als 2018 gab. Laut Desmond verhinderte die Regierung „nicht nur eine wirtschaftliche Katastrophe, sondern sie sorgte dafür, dass sich die Kinderarmut mehr als halbierte“.
Den Bedürftigen hilft es also, Bargeld zu erhalten. Doch das wird seit Langem reduziert – auch wegen der Demokraten, die wie die Republikaner fürchten, dass Arme damit Alkohol oder Drogen kaufen. Und es sind beide Parteien, die der Bevölkerung einimpfen, dass Sozialhilfe faul mache. So führte Bill Clinton 1996 ein Programm für befristete Beihilfen für bedürftige Familien namens TANF ein, das Bundesstaaten viel Spielraum bei der Vergabe der Mittel gab. Die Folge: Von jedem Dollar kommen nur 22 Cent direkt bei den Bedürftigen an. Stattdessen werden mit TANF-Mitteln christliche Ferienzeltlager (Maine) oder kostenlose Eheberatung (Oklahoma) finanziert. Es brauche also nur politischen Willen, andere Prioritäten zu setzen – um etwa die Eigenheimzulage zu kürzen oder den Spitzensteuersatz zu erhöhen, um im Gegenzug Kinderbetreuung zu bezuschussen oder Elterngeld zu zahlen.
Von „Umverteilung“ möchte der Soziologe nicht sprechen, sondern nur das aktuelle System der Ausbeutung beenden. Denn für ihn steht fest: „Die Armut des einen ist der Profit des anderen.“ Gerade in einem Wahljahr hilft sein Buch, die US-Gesellschaft besser zu verstehen. Und auch wenn gerade die Republikaner keine solche Umverteilung unterstützen dürften, so macht es zumindest etwas Hoffnung, dass ein solches Manifest 2023 die Bestsellerliste anführte.
MATTHIAS KOLB
„Armsein ist
eine teure Sache“, wusste
schon James Baldwin
Matthew Desmond:
Armut. Eine amerikanische Katastrophe. Aus dem Amerikanischen von Jürgen Neubauer. Rowohlt-Verlag, Hamburg 2024.
304 Seiten. 20 Euro.
E-Book: 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Augenöffnend, informativ, klug und sachlich, mit einer Fülle an Daten und Fakten ... Eine wahnsinnig wichtige Lektüre auch hier in Deutschland. Deutschlandfunk Kultur "Lesart" 20240514

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.07.2024

Ein System, sie zu knechten
In seinem neuen Buch zeigt Matthew Desmond, wie Reichtum und Armut in den USA einander bedingen

Die Vereinigten Staaten gehören zu den Ländern, in denen es sich als reicher Mensch ausgesprochen angenehm leben lässt. Für arme Menschen gilt das Gegenteil. Das liegt einerseits daran, dass im Land des Überflusses arm sein besonders schmerzhaft ist. Aber auch - das ist zumindest die These des jüngst erschienenen Buches "Armut. Eine amerikanische Katastrophe" von Matthew Desmond -, weil Nicht-Arme davon profitieren, dass Millionen andere in Armut leben.

Matthew Desmond ist Soziologe, Pulitzerpreisträger und Aktivist. Er ist selbst in prekären Verhältnissen aufgewachsen und forscht seit Jahren zu Armut in den Vereinigten Staaten. In seinem Buch gehe es nicht nur um die Armen, schreibt er zu Beginn. "Es geht vielmehr darum, wie die andere 'andere Hälfte' lebt, und darum, wie einige Menschen kleingehalten werden, damit sich andere entfalten können." Desmonds Buch ist ein Sachbuch, ja. Aber vor allem ist es Anklage und Plädoyer. Desmond klagt die "unverständliche und unverschämte Ungleichheit" in den Vereinigten Staaten an und fordert, dass "jeder von uns zum Armutsbekämpfer wird". Sein Buch lässt er mit den Worten enden: "Es reicht nicht aus, wenn wir dieses Problem [die Armut, Anm. d. Red.] nur verstehen. Wir müssen es beseitigen."

Doch wie ließe sich Armut beseitigen? Desmond meint: Indem wir - er spricht immer von "wir", wenn er vom begüterteren Teil der amerikanischen Bevölkerung spricht - die Axt an jenes System anlegen, das die Armen arm hält und jene, die nicht arm sind, zum "unbewussten Feind der Armen" macht. So verweist Desmond auf die Ausbeutung auf dem Arbeits-, dem Wohnungs- und dem Geldmarkt. Er erwähnt Hausbesitzer, die ein Vermögen damit verdienen, verwahrloste Wohnungen an arme Familien zu vermieten. Banken, die mit Überziehungsgebühren einen "steten Strom an Einnahmen" generierten. Und Unternehmen, die dank des technisches Fortschritts ihre Mitarbeiter zu mehr Effizienz zwingen könnten, während sie immer mehr Verantwortung auf sie abwälzten. Beispiel Uber: Die Fahrer stellen ihr eigenes Auto zur Verfügung, tanken auf eigene Kosten und müssen sich selbst versichern.

"Sozialer Aufstieg gehört nicht mehr zum amerikanischen Alltag, heute sehen viel zu viele junge Menschen einer ungewissen Zukunft entgegen", klagt Desmond. Für ihn sind die Vereinigten Staaten ein "Sozialstaat für die Reichen". Dieser sei wichtiger als die Bekämpfung von Armut. "Die Vereinigten Staaten könnten die Armut morgen beenden, und zwar ohne neue Schulden zu machen, wenn sie konsequent gegen Steuervermeidung vorgehen und die so eingenommenen Summen an die weiterleiten würden, die sie am dringendsten benötigen." Desmond zitiert eine Schätzung des Finanzamtes, der zufolge dem amerikanischen Staat rund eine Billion Dollar pro Jahr aufgrund Steuervermeidung durch die Lappen geht.

An dieser Stelle wäre es leicht für den Leser, die Schuld bei skrupellosen Unternehmen, gewissenlosen Politikern oder bösen Vermieter zu suchen. Es ist das Verdienst des Buches, diese Ausrede nicht gelten zu lassen. Immer wieder betont Desmond: Alle sind "Nutznießer der Ausbeutung". Ein Beispiel: "Per Handy bestellen wir Taxis, Lebensmittel, Pizza oder Handwerker, alles zu Kampfpreisen. Wir sind die Herren dieser neuen Bedienstetenwirtschaft mit ihren anonymen und unterbezahlten Knechten, die rund um die Uhr für uns bereitstehen."

Doch wenn alle von der Armut profitieren, wieso sollten sie dann für deren Abschaffung eintreten? Oder anders gefragt: Sind Desmonds Theorien im Kern zwar nachvollziehbar, aber eben doch auch sehr naiv - insbesondere in dem so tief gespaltenen Amerika? Nicht unbedingt, findet er. "Ein Amerika ohne Armut wäre weder eine Utopie noch ein Land der grauen Uniformität", schreibt er. Vielmehr würden alle von der Abschaffung der Armut profitieren. "Das Ende der Armut würde den breiten Wohlstand mehren." Und ohne Armut, so seine Argumentation, wären die Vereinigten Staaten freier. "Eine Nation, die sich zu einer Beseitigung der Armut bekennt, ist eine Nation, die sich wahrhaft zur Freiheit bekennt."

Desmond setzt auf den Druck von Bewegungen. Das "Washington", das die Rassendiskriminierung abgeschafft und Gesetze zum Ausbau von Krankenversicherung, Sozialstaat und Bildung ausgebaut habe, sei genauso dysfunktional gewesen wie das "Washington" heute. "Trotzdem fanden gewöhnliche Bürger Möglichkeiten, ihre Vorstellungen durchzusetzen."

Dass das auch heute gelingen könnte, daran hat zumindest Desmond keinen Zweifel. Er teilt eine Beobachtung: Im November 2020 demonstrierte eine Gruppe vorwiegend Schwarzer und Latinos in Albany, der Hauptstadt des Bundesstaates New York, für einen Mindestlohn von 15 Dollar in der Gastronomie. Auf einmal tauchte eine Gruppe von Weißen mit "Make America Great Again"-Kappen auf. Sie wollten gegen den Wahlsieg Joe Bidens demonstrieren. Als sie hörten, dass die Arbeiter für höhere Löhne demonstrierten, schüttelten sie ihnen die Hände. Und schlossen sich den Protesten an. TATJANA HEID

Matthew Desmond: Armut. Eine amerikanische Katastrophe.

Rowohlt Polaris Verlag, Hamburg 2024. 304 S., 20,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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