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Am 14. November 1889, zwei Jahre nach ihrem spektakulären Enthüllungsbericht über die Missstände in einer psychiatrischen Anstalt New Yorks, bricht die Star-Journalistin Nellie Bly zur Weltumrundung in Rekordzeit auf. Ausgerüstet ist die 25-Jährige dabei lediglich mit einem maßgeschneiderten Reisekleid, einem Mantel und einer Handtasche. Ein einziges Mal weicht Nellie Bly von ihrer Route ab, um im französischen Amiens den Romancier Jules Verne zu treffen, dessen fiktiven Rekord sie noch um acht Tage unterbieten wird.Blys Reise um die Erde in 72 Tagen wird zum journalistischen Coup des Jahres…mehr

Produktbeschreibung
Am 14. November 1889, zwei Jahre nach ihrem spektakulären Enthüllungsbericht über die Missstände in einer psychiatrischen Anstalt New Yorks, bricht die Star-Journalistin Nellie Bly zur Weltumrundung in Rekordzeit auf. Ausgerüstet ist die 25-Jährige dabei lediglich mit einem maßgeschneiderten Reisekleid, einem Mantel und einer Handtasche. Ein einziges Mal weicht Nellie Bly von ihrer Route ab, um im französischen Amiens den Romancier Jules Verne zu treffen, dessen fiktiven Rekord sie noch um acht Tage unterbieten wird.Blys Reise um die Erde in 72 Tagen wird zum journalistischen Coup des Jahres und zum Höhepunkt ihrer Karriere. Spätestens bei ihrer Rückkehr ist sie eine "nationale Persönlichkeit" (New York Times). Blys unterhaltsamer und unprätentiöser Bericht, der 1890 in New York erschien, gewährt einen seltenen Einblick in die Frühgeschichte des globalisierten Tourismus und der technischen Erschließung der Welt, ist jedoch zugleich auch ein Zeugnis kolonialen Größenwahns.
Autorenporträt
?Nellie Bly wird am 5. Mai 1864 als Elizabeth Jane Cochran in Cochran's Mills, Pennsylvania, geboren. Mit einem Leserbrief an den "Pittsburg Dispatch" gelingt ihr 1885 der Einstieg in den Journalismus. Für Joseph Pulitzers Zeitung "New York World" lässt sie sich 1887 in eine New Yorker Frauenpsychiatrie einliefern und verfasst daraufhin die investigative Reportage "Zehn Tage im Irrenhaus". 1895 heiratet Bly den 70-jährigen Industriellen Robert Seaman, dessen Unternehmen sie nach seinem Tod 1904 leitet. Nach dessen Bankrott kehrt sie zum Journalismus zurück und wird 1914 Kriegskorrespondentin in Österreich. Am 27. Januar 1922 stirbt Nellie Bly an einer Lungenentzündung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.07.2013

NEUES REISEBUCH

Für die Tasche Als die Journalistin Nellie Bly 1888 vorschlug, in weniger als 80 Tagen um die Welt zu fahren und damit Phileas Fogg, den Helden aus Jules Vernes "In 80 Tagen um die Welt" zu schlagen, winkte der Chefredakteur der New Yorker Zeitung "The World" entschieden ab. Erstens, schlimm: Sie spreche nur Englisch. Zweitens, schlimmer: Sie sei eine Frau. Und drittens, am schlimmsten: Sie würde sowieso zu viel Gepäck mitnehmen.

Ein Jahr später durfte Nellie Bly, damals 25 Jahre alt, dennoch aufbrechen. Eine Fremdsprache sprach sie immer noch nicht, am Geschlecht ließ sich nichts drehen - doch die Gepäckfrage nahm sie entschlossen in die Hand: "Ich kaufte eine Handtasche und nahm mir vor, mein Gepäck auf ihren Umfang zu beschränken." Auf dem Foto (rechts), das aus ihrem jetzt erstmals auf Deutsch veröffentlichten Reisebericht "Around the World in 72 Days. Die schnellste Frau des 19. Jahrhunderts" stammt, kann man das Minimalgepäck bewundern: Nellie Bly - in ihrem maßgeschneiderten Reisekostüm und mit der ledernen Tasche -, die eher so aussieht, als sei sie zum Tee und nicht mit der ganzen Welt verabredet. In dieses wundersame Gepäckstück presste sie alles hinein, was ihr wichtig erschien, unter anderem drei Schleier, ein Tintenfass, ein Paar Pantoffeln, eine Tasse, Unterwäsche, einen großzügigen Vorrat an Taschentüchern und einen sperrigen Tiegel Cold Cream. "Wie wir sehen werden, vereinfacht sich für jemanden, der nur um des Reisens willen reist und nicht, um seine Mitreisenden zu beeindrucken, die Gepäckfrage enorm", kommentierte sie pragmatisch. So ausgerüstet, machte sie sich auf die Spuren von Phileas Fogg: von New York nach London, Calais, Brindisi, Port Said, Ismailia, den Suezkanal entlang nach Ceylon, über Malaysia, Singapur, Hongkong und Japan zurück in die Vereinigten Staaten. Das Medienspektakel war enorm, Wetten wurden abgeschlossen, ein Brettspiel und Nellie-Bly-Globen verkauft, ihr Reisebericht war sofort ein Bestseller.

"Around the World in 72 Days" liest sich sehr amüsant, jedoch weit weniger abenteuerlich als erwartet. Denn Bly reist bereits auf den ersten ausgetretenen Pfaden des globalisierten Tourismus, stets in der ersten Klasse, mit Fußwärmern und abendlichem Menü. Weltreisen gibt es zu dieser Zeit schon zum Pauschalpreis, und der Ozeandampfer "Augusta Victoria", auf dem Bly nach Europa übersetzt, bietet ein ähnlich herrliches Horrorprogramm wie heutige Kreuzfahrtschiffe, vom Kapitänsdinner bis zum Abendkonzert. Die Urteile der Journalistin sind dabei scharf und pointiert - auch Einheimischen gegenüber. Aus heutiger Sicht stolpert man über ihre politisch unkorrekten Beobachtungen. Die chinesischen Kulis, von denen sie sich in Hongkong tragen lässt, "grunzen wie die Schweine", und das chinesische Volk sei überhaupt "das dreckigste der ganzen Welt". Zum Glück hat der Herausgeber des Buches, der Germanist und Historiker Martin Wagner, dieses Dilemma ausführlich im Vorwort aufgefangen und Nellie Blys naive Weltsicht in eine vom Imperialismus geprägte Zeit eingeordnet. Der Tourist auf Weltreise, schreibt Wagner, sei das schwache Abbild des einmarschierenden Imperialisten und Nellie Blys Chinesenhass das Ergebnis einer antichinesischen Stimmung in den Vereinigten Staaten des späten 19. Jahrhunderts. So gewappnet, kann man den Bericht versöhnter lesen - und sich herrlich amüsieren über ihre Beschreibungen von Seekrankheit, Kricketspielern, Schlangenbeschwörern und dem dauernden Zeitdruck, Phileas Foggs 80 Tage zu unterbieten. Nur einmal wich die Journalistin von ihrer Route ab, in Amiens besuchte sie Monsieur und Madame Verne. "Ihre Kenntnis der englischen Sprache bestand aus ,No' und mein französisches Vokabular aus ,Oui', daher beschränkte sich unsere Konversation auf den Austausch entschuldigender Blicke", schreibt Bly. Zum Glück war ein Übersetzer dabei, und so konnte Bly darum bitten, Jules Vernes Arbeitszimmer zu besichtigen, eine "dürftige Umgebung", urteilte sie, "selbst mein Kämmerchen zuhause war genauso groß". Das jedoch behielt sie für sich, und als sie die Reise beendet hatte, schrieb ihr Jules Verne persönlich ein Willkommenstelegramm.

Am 25. Januar 1890 war Nellie Bly zurück in den Vereinigten Staaten, nach 72 Tagen, sechs Stunden und elf Minuten, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 36,16 Stundenkilometern, 34 987 zurückgelegten Kilometern - und der Erkenntnis, dass man die Welt mit einem einzigen Kleid und mit einer kleinen Handtasche umrunden kann.

akro

Nellie Bly: "Around the World in 72 Days". Aviva-Verlag 2013, 319 Seiten, 19,90 Euro

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