A powerfully argued work that combines reporting, sociology, economics, and urban studies to show how the migration of workers from villages to urban centers has become one of the most significant forces in the world today. For the first time in history, there are now more people in the world living in cities than in rural areas, and many of them are clustering on the urban outskirts. Arrival City argues that this incredible movement of peoples, unfolding before our eyes, will be one of the most important trends in the twenty-first century. From Istanbul to Los Angeles, from Warsaw to Shenzhen, China, Doug Saunders shows how the success or failure of the immense communities forming on the fringes of traditional cities is having a profound effect on local, national, and international development.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2011Eine Reise in unsere Zukunft
Ankunftsstädte sind keine Endstationen
Auf beeindruckende Art und Weise berichtet der kanadisch-britische Journalist Doug Saunders über die "Ankunftsstädte" dieser Welt. Hunderte Millionen Menschen ziehen vom Land in die Randgebiete, Außensiedlungen oder Banlieues. Hier haben in der Vergangenheit bedeutende Entwicklungen begonnen: die Französische Revolution, der Sturz des letzten Schahs, der Aufstieg von Recep Tayyip Erdogans Partei und der Erfolg eines Hugo Chávez. Und hier wird in Zukunft noch weit mehr geschehen. Diese Orte werden über unseren Wohlstand entscheiden - vor allem in Europa.
Saunders beschreibt nicht nur real "angekommene" Menschen mit ihren Situationen, Hoffnungen und Plänen - die er allesamt während einer dreijährigen Reise besucht hat -, er leitet daraus auch Forderungen ab. Einer seiner Schlüsse, "der wohl weder den Ideologen der sozialistischen Linken noch den rechten Marktradikalen gefallen wird", lautet: "Will man den armen Migranten vom Land soziale Mobilität und Zugang zur Mittelschicht ermöglichen, braucht man sowohl einen freien Markt mit breit gestreutem Privateigentum als auch eine starke und durchsetzungsfähige Regierung, die bereit ist, massiv in diesen Übergang zu investieren." Das gelte für alle "Ankunftsstädte" dieser Welt. Aber in den letzten Jahrzehnten wurden Fehler gemacht.
"Zonierung und Flächennutzungspläne sind den Stadtplanern bis heute sehr wichtig. Sie glauben häufig immer noch, dass Städte streng in Wohn-, Geschäfts- und Leichtindustriebereiche unterteilt werden sollten - mit geringen Überschneidungen. Aber die erfolgreichsten Stadtviertel der Welt sind Bezirke, die eine extrem hohe Nutzungsdichte mit einer stark gemischten Nutzung verbinden." In der Tat fallen dem Leser Beispiele ein: die Londoner Stadtteile Kensington und Chelsea oder das 6. und 7. Arrondissement von Paris. "Die erfolgreiche Ankunftsstadt muss Raum für Spontaneität bieten. Ein bestimmtes Stück Land muss in einer Gemeinschaft von neu eingetroffenen Migranten von Zeit zu Zeit vielleicht als Wohnung, Laden, kleine Fabrik, Versammlungsort, Kirche oder für irgendeine Verbindung dieser Nutzungsarten dienen können, und es muss sich verändern und entwickeln."
Saunders Werk wird als Meilenstein in das Genre der Sachbuchgeschichte eingehen. Es zeigt, wie lebendig und leidenschaftlich ein Werk geschrieben werden kann, das die Erlebnisse realer Menschen mit der Auswertung wissenschaftlicher Analysen und einer Formulierung politischer Forderungen verbindet. Saunders kommt zu ähnlichen Schlüssen wie Edward Glaeser von der Harvard Universität, der vor wenigen Monaten dargelegt hatte, dass uns Städte "reicher, intelligenter, grüner, gesünder und glücklicher" machen (F.A.Z. vom 6. Juni 2011). Beide Autoren profitierten vom Weltentwicklungsbericht 2009, der die Wirtschaftsgeographie wieder in das öffentliche Bewusstsein zurückgebracht hat. Zentral in dieser von der Weltbank publizierten Studie war die Schlussfolgerung, dass die Politik Marktwirkungen, die qualifizierte Arbeitskräfte zusammenführen, nicht bekämpfen sollte (F.A.Z. vom 12. Oktober 2009).
"Dies war das erste umfassende amtliche Eingeständnis, dass die Ankunftsstädte in der Zukunft der Welt eine zentrale Rolle spielen." Die Einstellung der Behörden sei jedoch vielerorts eine andere. Fast drei Viertel der Regierungen in Entwicklungsländern wollten die Abwanderung vom Land in die Stadt einschränken. Dabei sei der wirksamste Weg zur Verringerung von Armut wirtschaftliches Treiben in der Stadt. Dafür müssen die Migranten kleine Geschäfte öffnen, verbrieftes Grundeigentum erwerben und ihre Kinder auf sichere Schulen schicken können. Saunders zeigt: Ist all dies gegeben, entsteht eine Generation später eine prosperierende Mittelschicht. Und: Die Städter senden viel Geld in ihre Ursprungsdörfer zurück. Viele Daheimgebliebenen können nur noch deswegen überleben.
Saunders Schlussfolgerungen sind nachvollziehbar und manchmal unbequem. Er widerlegt Karl Marx, verwirft den sozialen Wohnungsbau in Europa und zeigt negative wirtschaftliche Auswirkungen des australisch-kanadischen "Punktesystems" für Einwanderungen auf. Sanders ist davon überzeugt, dass die Ankunftsstadt eine Maschine ist, die die Menschen verändert. "Außerdem ist sie, wenn man sie gedeihen lässt, das Instrument, das eine nachhaltig lebende und wirtschaftende Welt hervorbringen wird." Auf den Leser wartet ein außergewöhnliches, visionäres und faszinierendes Buch.
JOCHEN ZENTHÖFER.
Doug Saunders: Arrival City.
Blessing Verlag, München 2011, 576 Seiten, 22,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ankunftsstädte sind keine Endstationen
Auf beeindruckende Art und Weise berichtet der kanadisch-britische Journalist Doug Saunders über die "Ankunftsstädte" dieser Welt. Hunderte Millionen Menschen ziehen vom Land in die Randgebiete, Außensiedlungen oder Banlieues. Hier haben in der Vergangenheit bedeutende Entwicklungen begonnen: die Französische Revolution, der Sturz des letzten Schahs, der Aufstieg von Recep Tayyip Erdogans Partei und der Erfolg eines Hugo Chávez. Und hier wird in Zukunft noch weit mehr geschehen. Diese Orte werden über unseren Wohlstand entscheiden - vor allem in Europa.
Saunders beschreibt nicht nur real "angekommene" Menschen mit ihren Situationen, Hoffnungen und Plänen - die er allesamt während einer dreijährigen Reise besucht hat -, er leitet daraus auch Forderungen ab. Einer seiner Schlüsse, "der wohl weder den Ideologen der sozialistischen Linken noch den rechten Marktradikalen gefallen wird", lautet: "Will man den armen Migranten vom Land soziale Mobilität und Zugang zur Mittelschicht ermöglichen, braucht man sowohl einen freien Markt mit breit gestreutem Privateigentum als auch eine starke und durchsetzungsfähige Regierung, die bereit ist, massiv in diesen Übergang zu investieren." Das gelte für alle "Ankunftsstädte" dieser Welt. Aber in den letzten Jahrzehnten wurden Fehler gemacht.
"Zonierung und Flächennutzungspläne sind den Stadtplanern bis heute sehr wichtig. Sie glauben häufig immer noch, dass Städte streng in Wohn-, Geschäfts- und Leichtindustriebereiche unterteilt werden sollten - mit geringen Überschneidungen. Aber die erfolgreichsten Stadtviertel der Welt sind Bezirke, die eine extrem hohe Nutzungsdichte mit einer stark gemischten Nutzung verbinden." In der Tat fallen dem Leser Beispiele ein: die Londoner Stadtteile Kensington und Chelsea oder das 6. und 7. Arrondissement von Paris. "Die erfolgreiche Ankunftsstadt muss Raum für Spontaneität bieten. Ein bestimmtes Stück Land muss in einer Gemeinschaft von neu eingetroffenen Migranten von Zeit zu Zeit vielleicht als Wohnung, Laden, kleine Fabrik, Versammlungsort, Kirche oder für irgendeine Verbindung dieser Nutzungsarten dienen können, und es muss sich verändern und entwickeln."
Saunders Werk wird als Meilenstein in das Genre der Sachbuchgeschichte eingehen. Es zeigt, wie lebendig und leidenschaftlich ein Werk geschrieben werden kann, das die Erlebnisse realer Menschen mit der Auswertung wissenschaftlicher Analysen und einer Formulierung politischer Forderungen verbindet. Saunders kommt zu ähnlichen Schlüssen wie Edward Glaeser von der Harvard Universität, der vor wenigen Monaten dargelegt hatte, dass uns Städte "reicher, intelligenter, grüner, gesünder und glücklicher" machen (F.A.Z. vom 6. Juni 2011). Beide Autoren profitierten vom Weltentwicklungsbericht 2009, der die Wirtschaftsgeographie wieder in das öffentliche Bewusstsein zurückgebracht hat. Zentral in dieser von der Weltbank publizierten Studie war die Schlussfolgerung, dass die Politik Marktwirkungen, die qualifizierte Arbeitskräfte zusammenführen, nicht bekämpfen sollte (F.A.Z. vom 12. Oktober 2009).
"Dies war das erste umfassende amtliche Eingeständnis, dass die Ankunftsstädte in der Zukunft der Welt eine zentrale Rolle spielen." Die Einstellung der Behörden sei jedoch vielerorts eine andere. Fast drei Viertel der Regierungen in Entwicklungsländern wollten die Abwanderung vom Land in die Stadt einschränken. Dabei sei der wirksamste Weg zur Verringerung von Armut wirtschaftliches Treiben in der Stadt. Dafür müssen die Migranten kleine Geschäfte öffnen, verbrieftes Grundeigentum erwerben und ihre Kinder auf sichere Schulen schicken können. Saunders zeigt: Ist all dies gegeben, entsteht eine Generation später eine prosperierende Mittelschicht. Und: Die Städter senden viel Geld in ihre Ursprungsdörfer zurück. Viele Daheimgebliebenen können nur noch deswegen überleben.
Saunders Schlussfolgerungen sind nachvollziehbar und manchmal unbequem. Er widerlegt Karl Marx, verwirft den sozialen Wohnungsbau in Europa und zeigt negative wirtschaftliche Auswirkungen des australisch-kanadischen "Punktesystems" für Einwanderungen auf. Sanders ist davon überzeugt, dass die Ankunftsstadt eine Maschine ist, die die Menschen verändert. "Außerdem ist sie, wenn man sie gedeihen lässt, das Instrument, das eine nachhaltig lebende und wirtschaftende Welt hervorbringen wird." Auf den Leser wartet ein außergewöhnliches, visionäres und faszinierendes Buch.
JOCHEN ZENTHÖFER.
Doug Saunders: Arrival City.
Blessing Verlag, München 2011, 576 Seiten, 22,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main