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Alfred Estermann folgt den Spuren des Genies in seiner Zeit, in seinem Alltag. Die einzelnen Studien sind durch neue Dokumente ergänzt, einige Texte werden hier erstmals publiziert, andere in originalgetreuer Fassung wiedergegeben. Das Verhältnis zwischen Schopenhauer und Richard Wagner, wie auch umgekehrt die komplexe Beziehung Wagners zu Schopenhauer, wird revidierend betrachtet, die wiederentdeckte erste Fassung des bedeutenden Schopenhauer-Porträts Franz von Lenbachs vorgestellt. Eine Analyse der jahrzehntelangen Serie von Vorreden-Entwürfen zu seinem Zentralwerk »Die Welt als Wille und…mehr

Produktbeschreibung
Alfred Estermann folgt den Spuren des Genies in seiner Zeit, in seinem Alltag. Die einzelnen Studien sind durch neue Dokumente ergänzt, einige Texte werden hier erstmals publiziert, andere in originalgetreuer Fassung wiedergegeben. Das Verhältnis zwischen Schopenhauer und Richard Wagner, wie auch umgekehrt die komplexe Beziehung Wagners zu Schopenhauer, wird revidierend betrachtet, die wiederentdeckte erste Fassung des bedeutenden Schopenhauer-Porträts Franz von Lenbachs vorgestellt. Eine Analyse der jahrzehntelangen Serie von Vorreden-Entwürfen zu seinem Zentralwerk »Die Welt als Wille und Vorstellung« illustriert Schopenhauers unermüdliche Streitlust, führt ihn in seinem kampf um Anerkennung, in seiner Unversönlichkeit, in seinen Feindschaften vor. Zum privaten Bereich zählt die schwierige Korrespondenz mit einem Jugendfreund, zur philosophischen Arbeit sein neu aufgefundenes Handexemplar einer Schrift Immanuel Kants. Und geradezu testamentarischen Charakter mag Schopenhauers hier erstmals vollständig wiedergegebener, wenige Wochen vor seinem Tode geschriebener letzter Brief haben.
Autorenporträt
Estermann, AlfredAlfred Estermann, geboren 1938, gestorben am 23. März 2008, war Professor für Literatur- und Medienwissenschaft und über lange Jahre Leiter des Schopenhauer-Archivs der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main. Er lehrte am Institut für Buchwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2000

Das soll ich sein!
Nachruhm zu Lebzeiten: Schopenhauer weiß, was in einem gebildeten Haushalt nicht fehlen darf

Das Kraftwort, "welches Scheißvolk das deutsche Publikum sei", das Arthur Schopenhauer in einem Brief an Julius Frauenstädt vom 24. November 1855 geprägt hat, entfuhr nach der Anthropologie seines großen Lehrmeisters Kant nicht dem ebenso stürmischen wie flüchtigen Affekt des Zorns, sondern der auf Dauer gestellten, unablässig geübten Leidenschaft des Hasses: "Der Affekt wirkt auf die Gesundheit wie ein Schlagfluß; die Leidenschaft wie eine Schwindsucht, oder Abzehrung." Schopenhauer war unheilbar krank am Ausbleiben erst der zweiten, dann der dritten Auflage seines "Hauptwerks" - so Schopenhauer über "Die Welt als Wille und Vorstellung". Am Haß wollte er genesen.

Den Schmerz der Echolosigkeit betäubte er, indem er mit Verbalinjurien auf eine nicht enden dürfende Reihe von imaginären Gegnern einprügelte, allen voran auf die Philosophieprofessoren, in denen er ein "Tribunal aus lauter bestochenen Richtern" witterte, die sich zu "Recensentenbanden" zusammengeschlossen hätten, um ihn durch "das Schweigen, das Ignoriren, das Sekretiren" nicht aufkommen zu lassen. Schopenhauer bezeichnete sie als "Schufte, Schurken, elende Wichte", "Barbiergesellen, Pillendrechsler und Klystiersetzer", und den Tod von zwei Göttinger Gelehrten im August 1828 feierte er als "ein wahres Viehsterben".

Dem kräftezehrenden Moment dieses unablässigen Schimpfens, durch das sich der in den eigenen Ohren zu Lebzeiten Totgeschwiegene immer wieder selbst ins Leben zurückrief, begegnete Schopenhauer mit Monotonie: Er verdichtete die Einflüsterungen seines Hasses zu einem kleinen Schatz gedankenlos wiederholbarer Formeln, um darauf keinen Einfallsreichtum mehr verschwenden zu müssen. Mit dem täglich abgeworfenen Zins unterhielt er die Litanei seiner vergeblichen Ruhmredigkeit, in deren Schutz er an seiner Vollendung des Kantschen Projekts weiterarbeitete, "dem Willen in uns den Rang eines Dings an sich" zu vindizieren. Der unermeßliche Geiz, der aus der Anekdote spricht, daß er seinem Jugendfreund Anthime Grégoire de Blésimaire achtzehn Monate lang einen Antwortbrief schuldig blieb, weil er die Portokosten scheute, regierte auch den Gedankenhaushalt seines vorgeschobenen Nachlasses zu Lebzeiten, der sich über weite Strecken aus Entwürfen zu Vorreden für die zweite und dritte Auflage der "Welt als Wille und Vorstellung" zusammensetzt, die erst 26 beziehungsweise 41 Jahre nach der Erstauflage vom Dezember 1818 erschienen sind.

Das zermürbende Warten, dem er Nebenwerke wie "Parerga und Paralipomena" (1851) abtrotzt, ist der "Vorrede zur dritten Auflage" nur noch am selbstgespendeten Trost des Petrarca-Wortes "Si quis tota die currens pervenit ad vesperam, satis est" (Wenn einer, der den ganzen Tag gelaufen, am Abend ankommt, so ist's genug) abzulesen: "Bin ich zuletzt doch auch angelangt und habe die Befriedigung, am Ende meiner Laufbahn den Anfang meiner Wirksamkeit zu sehn, unter der Hoffnung, daß sie einer alten Regel gemäß in dem Verhältnis lange dauern wird, als sie spät angefangen hat." Doch wer die sich im blinden Haß überbietenden Dokumente ihrer Entstehungsgeschichte studiert, die von der leidenschaftlichen Bitterkeit des Frühvollendeten zeugen, der auf seinen Nachruhm harrt, könnte leicht in den Trübsinn geführt werden.

Dagegen hat Alfred Estermann das denkbar heilsamste Gegengift aufgeboten, die Liebe zum Wort in ihrem geläutertsten Sinn: die Philologie. Ein berückender Schadenabwehrzauber geht von der Sammlung der sechs Studien aus, die in der Zeit seiner Tätigkeit als Leiter des Schopenhauer-Archivs der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main entstanden sind. Die längste und aufschlußreichste ist Schopenhauers Entwürfen zu den Vorreden gewidmet und eröffnet im Stil der critique génétique einen Einblick in Schopenhauers Schreibwerkstatt und die Beweggründe seines Philosophierens. Die übrigen "Szenen aus der Umgebung der Philosophie" gruppieren sich um drei Entdeckungen: Ein unbekanntes Gemälde Franz von Lenbachs nimmt Estermann zum Anlaß für eine kleine Geschichte der Schopenhauer-Ikonographie, die Ergänzung der Privatkorrespondenz um den bislang verschollenen Brief an Anthime Grégoire de Blésimaire vom 2. Mai 1845 zum Anlaß, das Altern dieser Jugendfreundschaft zu dokumentieren. Schließlich dokumentiert Estermann akribisch die Anstreichungen und Glossen Schopenhauers in seinem Exemplar von Kants Streitschrift gegen Johann August Eberhard, "Ueber eine Entdeckung, nach der alle neue Critik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll" (1790), das 1995 aus dem Antiquariats-Buchhandel für das Schopenhauer-Archiv erworben werden konnte, und eröffnet so auch einen Einblick in Schopenhauers Lesewerkstatt.

Die Sammlung wird abgerundet durch eine Betrachtung des Verhältnisses zwischen Arthur Schopenhauer und Richard Wagner und die Geschichte des letzten Schopenhauer-Briefes, der ihn noch drei Wochen vor seinem Tod am 21. September 1860 in Erwartung seines Nachruhms zeigt. An zwei junge Verehrer, die ihn um die Auflösung eines Widerspruchs in seiner Philosophie bitten, schreibt er: "Vielleicht intreßirt es Sie, daß in diesen Tagen die 2te vermehrte Auflage meiner Ethik bei Brockhaus erscheint; imgleichen daß meine Büste, von der Bildhauerin Ney (Großnichte des Marschalls) in Berlin, verfertigt u. von Allen einstimmig sprechend ähnlich befunden, jetzt durch Abgüße vervielfältigt, auch auf der Ausstellung in Wien zu sehn seyn wird." Estermann hat Schopenhauer mit dieser Sammlung von Studien und neuentdeckten Dokumenten ein bleibenderes Denkmal gesetzt.

MARTIN STINGELIN

Alfred Estermann: "Arthur Schopenhauer". Szenen aus der Umgebung der Philosophie. Insel Verlag, Frankfurt am Main, Leipzig 2000. 324 S., Abb., geb., 56,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ziemlich enttäuscht ist Edo Reents von dem Buch, das sechs Aufsätze des ehemaligen Leiters des Frankfurter Schopenhauer-Archivs enthält und von dessen Untertitel er sich mehr und Unterhaltsameres versprochen hat. In seiner kurzen Kritik ärgert er sich über die Kleinkariertheit des Autors, der sich bei "Nebensächlichem" wie Fragen der Datierung aufhält und dafür über "Grundsätzliches" allzu geschwind hinweggeht. Zudem findet der Rezensent, dass zu viel bereits Bekanntes in den Texten wiedergekäut wird und abschließend nennt er den Autor schlicht einen "Erbsenzähler", der auch noch zu "Affektiertheiten" neigt.

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