Vorsicht, freundliche Monster! Temporeiches, witziges und spannendes Abenteuer 200 hinreißende Schwarz-weiß-Illustrationen Kurze Kapitel: auch für ungeübte Leser geeignet Verfilmung in Vorbereitung - Regisseur: Henry Selick (The Nightmare Before Christmas, James und der Riesenpfirsich) Willkommen in der beschaulichen Kleinstadt Rattingen! Hier beobachtet Arthur eines Tages etwas Ungeheuerliches: Hilflose Käse laufen auf ihren zwei Beinen um ihr Leben, gefolgt von Männern auf seltsamen Pferden. Dabei sind Käsejagden verboten! Ein Glück, dass Arthur bald eine ganze Truppe hilfsbereiter Rattinger Monster zur Seite steht: freundliche Schachteltrolle, ein schüchterner Kohlkopf, ehemalige (Wäsche waschende) Piraten und sprechende Ratten raufen sich zusammen, um den Bösewichtern Paroli zu bieten ... Alan Snow entführt in eine fabelhafte Welt voller liebenswerter Gemüseköpfe, charmanter Trolle und eigenwilliger anderer Fabelwesen. Mit vielen witzigen Illustrationen, amüsanten, fantasievoll verdrehten Einfällen und herrlichen Szenen, mit Spaß und überbordender Fantasie erzählt!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2010Es werde skurril!
Alan Snow zeigt nicht, wie Monster wirklich funktionieren: "Arthur und die Käsediebe"
Arthur steigt nachts heimlich aus einem Gully, um Gemüse und Obst für sich und seinen Adoptiv-Großvater zu besorgen. Da gerät er, Besitzer eines Funkgeräts und zweier Flügel, mit deren Hilfe er umherreist, in eine Jagd auf Wildkäse, die in Sümpfen leben, wird von einem Greifer und seinen Käsejagdhunden gestellt, verliert seine Flügel, kann nicht wieder in den Gully zurück, entkommt aber und findet sich in Kapitel fünf dieses Buches in der Dunkelheit wieder, bei einem Anwalt, einem scheuen Kohlkopf und drei Schachteltrollen.
Danach machen wir noch die Bekanntschaft einer Süßwasser-Seekuh, die durch die Kanalisation der Stadt schwimmt, eines Handelsvertreters für Zwergvieh und von Trabdachsen, um nur zu nennen, was wir uns haben merken können. Der Autor Alan Snow leidet offenbar an akutem Figurenerfindungszwang. Von Beruf ist er Illustrator - ein ziemlich guter, Bilderbücher wie "How Dogs Really Work" (Wie Hunde wirklich funktionieren) gehören zu seinen Werken -, und dieser Beruf mag seine Deformation erklären. Alle paar Seiten springt ein neues Monster und Personen wie die "Vertreter für erfolglose Patentanmeldungen" oder die Matrosen der Rattinger Nautischen Wäscherei durch seine Geschichte. Das Buch bietet Zeichnungen von ihnen allen, und es sind sehr hübsche Zeichnungen. Und weil es auch sehr viele sind, hält man die Geschichte beinahe aus.
Denn genauer formuliert, springen die Figuren gar nicht durch eine Geschichte, denn die Geschichte besteht aus gar nichts anderem als diesem Herumspringen. Hier hat jemand die Kontrolle über seine Schöpferkraft entweder verloren oder gar nicht angestrebt. Man könnte auch sagen: Das kommt heraus bei Schöpfung ohne Evolution, ein sinnloses Kreaturengewimmel. Nach zweihundert Seiten hat man immer noch nicht die geringste Ahnung, worum es überhaupt geht. Das gibt dem Ganzen die Züge eines verrückten Traums, in dem man nie weiß, woran man sich halten soll, welche Episoden wichtig sind und welche Gestalten. Und der auch in einer ganz anderen Reihenfolge seiner Motive hätte ablaufen können.
Der Traum spielt in der Hafenstadt Rattingen, wo Arthur unter der Erde lebt, wovon wir den Grund auf Seite 105, aber auch nur in Andeutungen erfahren, während oben eine verbotene Käsegilde seltsamen Ritualen rund um eine Fondue-Grube nachgeht. Soll man annehmen, dass der Autor eine Allegorie auf die Grundunterscheidung der englischen Küche von überbacken/Wildbret ausgemalt hat, indem er Käsejagden verbieten lässt? Oder will er uns mitteilen, dass man die englische Gesellschaft so wenig verstehen kann wie Arthur die von Rattingen, die er nun erstmals bei Tag erlebt?
Wir wissen es nicht und befürchten, ohne Band zwei und drei dieses Romans zu kennen, der im Original "Here be Monsters!" heißt, dass es der Autor im ersten Band auch noch nicht wusste. Überhaupt ist es ein bisschen frech, dem Publikum ein Buch zu verkaufen, das dazu zwingt, seine Fortsetzung gleich mitzulesen, weil hier jedenfalls kein einziger Handlungsstrang abgeschlossen wird. Auf der letzten Seite werden plötzlich Kohlköpfe entführt, und dann wird behauptet, es sei unheimlich spannend, ob Arthur die entführten Unterweltlinge zu retten und Greifers üble Pläne zu durchkreuzen vermag.
Doch da ganz unklar bleibt, was das überhaupt für Pläne sind, hält sich die Aufregung darüber naturgemäß in Grenzen. Etwas Spannendes schreibt man ja nicht, indem man dauernd sagt "Jetzt wird's gleich spannend", und etwas Rätselhaftes entsteht nicht dadurch, dass jemand Einfälle aufeinandertürmt. Da der Verlag die Stirn hat, aus einer Kritik zu zitieren, die behauptet, J. K. Rowling habe in Herrn Snow einen Konkurrenten gefunden, sei ausdrücklich die Überprüfung des Geisteszustands jenes Rezensenten empfohlen. Dieses Buch hat kein Geheimnis und kommt aus keiner Erfahrung, es tut nur so. Was Harry Potter durchlebt, kann niemanden kaltlassen. Die Abenteuer Arthurs gehen uns irgendwie nichts an.
JÜRGEN KAUBE
Alan Snow: "Arthur und die Käsediebe". Die Monster von Rattingen. Aus dem Englischen von Ann Lecker-Chewiwi. Boje Verlag, Köln 2009. 206 S., geb., 14,95 [Euro]. Ab 9 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alan Snow zeigt nicht, wie Monster wirklich funktionieren: "Arthur und die Käsediebe"
Arthur steigt nachts heimlich aus einem Gully, um Gemüse und Obst für sich und seinen Adoptiv-Großvater zu besorgen. Da gerät er, Besitzer eines Funkgeräts und zweier Flügel, mit deren Hilfe er umherreist, in eine Jagd auf Wildkäse, die in Sümpfen leben, wird von einem Greifer und seinen Käsejagdhunden gestellt, verliert seine Flügel, kann nicht wieder in den Gully zurück, entkommt aber und findet sich in Kapitel fünf dieses Buches in der Dunkelheit wieder, bei einem Anwalt, einem scheuen Kohlkopf und drei Schachteltrollen.
Danach machen wir noch die Bekanntschaft einer Süßwasser-Seekuh, die durch die Kanalisation der Stadt schwimmt, eines Handelsvertreters für Zwergvieh und von Trabdachsen, um nur zu nennen, was wir uns haben merken können. Der Autor Alan Snow leidet offenbar an akutem Figurenerfindungszwang. Von Beruf ist er Illustrator - ein ziemlich guter, Bilderbücher wie "How Dogs Really Work" (Wie Hunde wirklich funktionieren) gehören zu seinen Werken -, und dieser Beruf mag seine Deformation erklären. Alle paar Seiten springt ein neues Monster und Personen wie die "Vertreter für erfolglose Patentanmeldungen" oder die Matrosen der Rattinger Nautischen Wäscherei durch seine Geschichte. Das Buch bietet Zeichnungen von ihnen allen, und es sind sehr hübsche Zeichnungen. Und weil es auch sehr viele sind, hält man die Geschichte beinahe aus.
Denn genauer formuliert, springen die Figuren gar nicht durch eine Geschichte, denn die Geschichte besteht aus gar nichts anderem als diesem Herumspringen. Hier hat jemand die Kontrolle über seine Schöpferkraft entweder verloren oder gar nicht angestrebt. Man könnte auch sagen: Das kommt heraus bei Schöpfung ohne Evolution, ein sinnloses Kreaturengewimmel. Nach zweihundert Seiten hat man immer noch nicht die geringste Ahnung, worum es überhaupt geht. Das gibt dem Ganzen die Züge eines verrückten Traums, in dem man nie weiß, woran man sich halten soll, welche Episoden wichtig sind und welche Gestalten. Und der auch in einer ganz anderen Reihenfolge seiner Motive hätte ablaufen können.
Der Traum spielt in der Hafenstadt Rattingen, wo Arthur unter der Erde lebt, wovon wir den Grund auf Seite 105, aber auch nur in Andeutungen erfahren, während oben eine verbotene Käsegilde seltsamen Ritualen rund um eine Fondue-Grube nachgeht. Soll man annehmen, dass der Autor eine Allegorie auf die Grundunterscheidung der englischen Küche von überbacken/Wildbret ausgemalt hat, indem er Käsejagden verbieten lässt? Oder will er uns mitteilen, dass man die englische Gesellschaft so wenig verstehen kann wie Arthur die von Rattingen, die er nun erstmals bei Tag erlebt?
Wir wissen es nicht und befürchten, ohne Band zwei und drei dieses Romans zu kennen, der im Original "Here be Monsters!" heißt, dass es der Autor im ersten Band auch noch nicht wusste. Überhaupt ist es ein bisschen frech, dem Publikum ein Buch zu verkaufen, das dazu zwingt, seine Fortsetzung gleich mitzulesen, weil hier jedenfalls kein einziger Handlungsstrang abgeschlossen wird. Auf der letzten Seite werden plötzlich Kohlköpfe entführt, und dann wird behauptet, es sei unheimlich spannend, ob Arthur die entführten Unterweltlinge zu retten und Greifers üble Pläne zu durchkreuzen vermag.
Doch da ganz unklar bleibt, was das überhaupt für Pläne sind, hält sich die Aufregung darüber naturgemäß in Grenzen. Etwas Spannendes schreibt man ja nicht, indem man dauernd sagt "Jetzt wird's gleich spannend", und etwas Rätselhaftes entsteht nicht dadurch, dass jemand Einfälle aufeinandertürmt. Da der Verlag die Stirn hat, aus einer Kritik zu zitieren, die behauptet, J. K. Rowling habe in Herrn Snow einen Konkurrenten gefunden, sei ausdrücklich die Überprüfung des Geisteszustands jenes Rezensenten empfohlen. Dieses Buch hat kein Geheimnis und kommt aus keiner Erfahrung, es tut nur so. Was Harry Potter durchlebt, kann niemanden kaltlassen. Die Abenteuer Arthurs gehen uns irgendwie nichts an.
JÜRGEN KAUBE
Alan Snow: "Arthur und die Käsediebe". Die Monster von Rattingen. Aus dem Englischen von Ann Lecker-Chewiwi. Boje Verlag, Köln 2009. 206 S., geb., 14,95 [Euro]. Ab 9 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der auf dem Rückumschlag zitierte Rezensent, der die Bücher von Alan Snow allen Ernstes mit "Harry Potter" vergleiche, ist nicht bei Verstand - findet Jürgen Kaube, der an diesem ersten Band einer auf drei Romane angelegten Käsedieb-Saga nur sehr bedingt Spaß hatte. Was vor allem daran liegt, dass er buchstäblich nicht versteht, was hier eigentlich Sache ist. Zu viele, viel zu viele (teils schon ganz interessante) Figuren habe sich der Autor und Illustrator Snow ausgedacht, die nun eine Geschichte überbevölkern, die eben darum so recht keine sei. Beliebig scheint Kaube die Reihenfolge der Episoden und unklar ihr Zusammenhang. Eine offensichtlich eher frustrierende Leseerfahrung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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