Artus de Caldicot - inzwischen 16 Jahre alt - glaubt sich am Ziel seiner Träume: In Venedig wird er zum Ritter geschlagen und kann den Aufbruch nach Jerusalem kaum abwarten. Doch die Umstände des vierten Kreuzzuges erweisen sich als schwierig, und so verzögert sich der Aufbruch in die Heilige Stadt immer wieder . . . Gleichzeitig muss Artus sehen, wie in der Welt seines Namensvetters, des sagenhaften König Artus, ebenfalls der Kampf um die Macht die ideale Welt zu zerstören droht. Noch immer sucht er nach der Erklärung, auf welche Weise sein eigenes Leben mit dem der Ritter der Tafelrunde verbunden ist. Eine letzte große Begegnung mit dem Zauberer Merlin bringt ihn zu einer erstaunlichen Erkenntnis!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2000Es gibt einen Ort, wo Artus im Schlaf liegt
Kulturgeschichte der Tafelrunde: Kevin Crossley-Holland erzählt vom König, der war und sein wird
Die Geschichten, die sich im Lauf der Jahrhunderte so reich um Artus und seine Tafelrunde gerankt haben, als der "historische" Britenkönig schon in den Schatten des Vergessens zurückgetreten war, sind westeuropäisches Gemeingut geworden. Englische, französische und deutsche Dichter haben am unsterblichen Mythos eines christlichen Königs mitgestrickt. Denn wie Barbarossa im Kyffhäuser ist Artus nicht tot: Er ist der ideale Herrscher, der einst von der Insel Avalon wiederkehren wird. Auf ihn haben sich immer wieder englische Könige berufen. Als Kennedy Präsident war, Anfang der sechziger Jahre, erschien das Weiße Haus als zweites Camelot. Die Tafelrunde: Das war der Beraterkreis des jungen Herrschers, aber auch das "Peace Corps", der amerikanische Entwicklungsdienst, der damals entstand.
Am Beginn standen die keltischen Überlieferungen vom Märchen-König, die im zehnten Jahrhundert erzählt wurden: Sechs Kriegsgenossen waren Artus zugesellt. Sigilt Leichtfuß, der die weitesten Strecken in Nullkommanichts zurücklegt, oder "Lippe", der, wenn er unglücklich ist, seine Oberlippe wie einen Helm über den Kopf legen kann, "Ohr", der die Ameisen bei der Arbeit belauscht. Es ist das vielfach variierte Märchenmotiv "Sechse kommen um die Welt", das sich auch bei den Brüdern Grimm findet. Die erste Version, in der man Andeutungen des heutigen Fantasy-Artus wiedererkennt, den nie ausdeutbaren Zauberer Merlin also und die Nebelinsel Avalon, erzählte der Waliser Geoffrey von Monmouth - keltische Dichtung tat sich von jeher leichter mit dem Drüben. Aber über die keltische Schicht legte sich die christliche: Die Tafelrunde war ein neues Abendmahl, an den hohen Festtagen der Christenheit kommen die Ritter zusammen.
Der rote und der weiße Drache, deren Kampf von Merlin in eine politische Prophetie über Kelten und Angelsachsen gewendet wird, erinnern an die visionär-politischen Tiere der Apokalypse. Und schließlich ist nicht nur der Gral unmittelbar auf die Kreuzigung bezogen, sondern der erzählerische Kern des Artus-Mythos - die Romantik von Liebe und Herz, von Wunden und Heilungen ist nichts anderes als Christentum, in Literatur verwandelt.
Aber noch eine weitere Schicht trat hinzu, um den Leser zu fesseln: Artus und seine Ritter bewegen sich von Anfang an in einer Welt der Täuschungen und Irrungen. Einem Ehebruch, durch magische Verwandlung bewerkstelligt, verdankt der König sein Leben; Mordred, sein verräterischer Sohn, aus einem ähnlich zwielichtigen Verhältnis hervorgegangen, bringt den Ruin des Reiches hervor. Marie de France trug ein Melusinen-Märchen bei und ließ beiläufig erkennen, dass der Rahmen auch für weibliche Leser immer schon weit genug war: Von der tiefsten Liebe bis zum äußerlichsten, raffiniert in den Erzählfluss eingebauten Mode- und Schmuckbedürfnis konnte man in den Artus-Büchern lesen.
Kevin Crossley-Holland und seinem Illustrator Peter Malone ist ein erstaunlich schönes Buch gelungen. Es klärt über den Stoff auf, ohne ihn zu entwerten, behutsam wird das Bleibende vom Beiwerk getrennt. Malones Bilder leuchten, die Typographie erscheint leicht, aber niemals aufdringlich keltisierend. Allerdings ersetzt diese Kulturgeschichte nicht die Erzählungen. Aber die Kinder, die sie gelesen haben, werden um so mehr nach den neueren Bearbeitungen von Käthe Recheis oder Rosemary Suttcliff verlangen.
LORENZ JÄGER.
Kevin Crossley-Holland: "Die Welt des König Artus". Illustriert von Peter malone. Aus dem Englischen von Sylvia Sokolowski. Urachhaus Verlag, Stuttgart 2000. 125 S., geb., 32,- DM. Ab 9 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kulturgeschichte der Tafelrunde: Kevin Crossley-Holland erzählt vom König, der war und sein wird
Die Geschichten, die sich im Lauf der Jahrhunderte so reich um Artus und seine Tafelrunde gerankt haben, als der "historische" Britenkönig schon in den Schatten des Vergessens zurückgetreten war, sind westeuropäisches Gemeingut geworden. Englische, französische und deutsche Dichter haben am unsterblichen Mythos eines christlichen Königs mitgestrickt. Denn wie Barbarossa im Kyffhäuser ist Artus nicht tot: Er ist der ideale Herrscher, der einst von der Insel Avalon wiederkehren wird. Auf ihn haben sich immer wieder englische Könige berufen. Als Kennedy Präsident war, Anfang der sechziger Jahre, erschien das Weiße Haus als zweites Camelot. Die Tafelrunde: Das war der Beraterkreis des jungen Herrschers, aber auch das "Peace Corps", der amerikanische Entwicklungsdienst, der damals entstand.
Am Beginn standen die keltischen Überlieferungen vom Märchen-König, die im zehnten Jahrhundert erzählt wurden: Sechs Kriegsgenossen waren Artus zugesellt. Sigilt Leichtfuß, der die weitesten Strecken in Nullkommanichts zurücklegt, oder "Lippe", der, wenn er unglücklich ist, seine Oberlippe wie einen Helm über den Kopf legen kann, "Ohr", der die Ameisen bei der Arbeit belauscht. Es ist das vielfach variierte Märchenmotiv "Sechse kommen um die Welt", das sich auch bei den Brüdern Grimm findet. Die erste Version, in der man Andeutungen des heutigen Fantasy-Artus wiedererkennt, den nie ausdeutbaren Zauberer Merlin also und die Nebelinsel Avalon, erzählte der Waliser Geoffrey von Monmouth - keltische Dichtung tat sich von jeher leichter mit dem Drüben. Aber über die keltische Schicht legte sich die christliche: Die Tafelrunde war ein neues Abendmahl, an den hohen Festtagen der Christenheit kommen die Ritter zusammen.
Der rote und der weiße Drache, deren Kampf von Merlin in eine politische Prophetie über Kelten und Angelsachsen gewendet wird, erinnern an die visionär-politischen Tiere der Apokalypse. Und schließlich ist nicht nur der Gral unmittelbar auf die Kreuzigung bezogen, sondern der erzählerische Kern des Artus-Mythos - die Romantik von Liebe und Herz, von Wunden und Heilungen ist nichts anderes als Christentum, in Literatur verwandelt.
Aber noch eine weitere Schicht trat hinzu, um den Leser zu fesseln: Artus und seine Ritter bewegen sich von Anfang an in einer Welt der Täuschungen und Irrungen. Einem Ehebruch, durch magische Verwandlung bewerkstelligt, verdankt der König sein Leben; Mordred, sein verräterischer Sohn, aus einem ähnlich zwielichtigen Verhältnis hervorgegangen, bringt den Ruin des Reiches hervor. Marie de France trug ein Melusinen-Märchen bei und ließ beiläufig erkennen, dass der Rahmen auch für weibliche Leser immer schon weit genug war: Von der tiefsten Liebe bis zum äußerlichsten, raffiniert in den Erzählfluss eingebauten Mode- und Schmuckbedürfnis konnte man in den Artus-Büchern lesen.
Kevin Crossley-Holland und seinem Illustrator Peter Malone ist ein erstaunlich schönes Buch gelungen. Es klärt über den Stoff auf, ohne ihn zu entwerten, behutsam wird das Bleibende vom Beiwerk getrennt. Malones Bilder leuchten, die Typographie erscheint leicht, aber niemals aufdringlich keltisierend. Allerdings ersetzt diese Kulturgeschichte nicht die Erzählungen. Aber die Kinder, die sie gelesen haben, werden um so mehr nach den neueren Bearbeitungen von Käthe Recheis oder Rosemary Suttcliff verlangen.
LORENZ JÄGER.
Kevin Crossley-Holland: "Die Welt des König Artus". Illustriert von Peter malone. Aus dem Englischen von Sylvia Sokolowski. Urachhaus Verlag, Stuttgart 2000. 125 S., geb., 32,- DM. Ab 9 J.
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