Kasper König ist einer der international profiliertesten zeitgenössichen Ausstellungsmacher und Role Model ganzer Generationen junger KuratorInnen Dieses Buch verfolgt das Ziel, seine kuratorischen Denkwege vorzustellen. Es beschreibt die politischen, kulturellen und kuratorischen Kontexte und Konstellationen, präsentiert alle wichtigen Ausstellungen, wie Westkunst, von hier aus, Skulptur Projekte Münster, sowie seine Arbeitsstationen, A37 90 89, Städelschule/Portikus, Museum Ludwig, und gibt Einblicke in deren Rezeption und Wirkung. Der Ausstellungsmacher wird nicht mehr durch seine Bindung an ein spezifisches Medium definiert, sondern er verfügt über ein Repertoire von Verfahrensweisen, die sich in unterschiedlichen Medien realisieren lassen. König hat die Basis für intermediale Arbeitsformen geschaffen, die nicht an den spezifischen Eigenschaften eines Mediums, sondern an übergreifenden Prinzipien interessiert ist.
Eine Dokumentation aller Publikationen und Ausstellungen sowie ein ausführliches Interview mit dem Verfasser finden sich im Anhang der Publikation.
Eine Dokumentation aller Publikationen und Ausstellungen sowie ein ausführliches Interview mit dem Verfasser finden sich im Anhang der Publikation.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Allzu viel Neues über Kasper König erfährt Georg Imdahl in dem von Florian Waldvogel herausgegebenen Band nicht. Denn vieles, was der Kurator hier in Gesprächen mit seinem früheren Assistenten offenbart, kennt der Kritiker bereits aus verschiedenen Interviews, auch wenn ihn Königs "schnoddriger Humor" und sein Selbstbewusstsein immer wieder aufs Neue faszinieren. Leider muss der Rezensent auch gestehen, dass ihm Waldvogel nicht sonderlich viel Interessantes bei seinem chronologischen Rundgang durch die Ausstellungen der Ära Königs vermitteln kann: Zitate aus dem "üblichen" Katalogmaterial mit Einführungen und Selbsterläuterungen entdeckt Imdahl hier mehr als genug, fachkritische Rezensionen vermisst er in dieser Studie hingegen. Darüber hinaus hätte der Kritiker gern etwas über Königs Wirkung auf Künstler erfahren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.09.2016Kunst kommt von Ausstellung
Er will dem Publikum helfen, die richtigen Fragen zu stellen: Zwei Bände ergründen den Kurator Kasper König
Sein Erweckungserlebnis schildert er in einem schmalen, kurzweiligen Band, der ihn allein im O-Ton zu Wort kommen lässt: "Das Leben von Kasper König in fünfzehn Ausstellungen". Als Pennäler stand der 1943 in Mettingen geborene Westfale mit der Klasse im Museum Folkwang in Essen und blickte auf ein Plakat der Galerie Rudolf Zwirner - darauf eine Zeichnung des Amerikaners Cy Twombly. Die "Kritzeleien" erinnerten den Halbwüchsigen an "Schmierereien auf öffentlichen Toiletten", er erkannte darin Dinge wie "Penis und Vagina-Formen, aber zugleich immer wieder Schrift und relativ viele weiße Flecken, fast Sperma-mäßig". Der Junge war "total von den Socken". Nicht aber wegen besagter Formen und Flecken. Sondern weil da jemand behaupten konnte, das sei Kunst - und "dann ist es Kunst". Genau so, das hatte der Schüler ganz richtig erfasst, funktioniert Gegenwartskunst ja. Jedenfalls eine ganze Menge davon.
Der Heranwachsende besuchte umgehend die Twombly-Ausstellung und heuerte als Volontär in der Galerie an, um alsbald vollends in die Kunstwelt einzutauchen und sich zu einem der einflussreichsten Anstoßer und Vermittler der zeitgenössischen Kunst zu entwickeln. Für Player wie ihn wurde die Vokabel "Ausstellungsmacher" ins Spiel gebracht.
Königs Selbstbewusstsein äußert sich in einem schnodderigen Humor. Er erzählt Kunst in Anekdoten, Theoriebildung ist nicht seine Sache. So liegt es nahe, den Mann, der den geschriebenen Text bis auf das Vorwort meidet, im Sinne einer oral history erzählen zu lassen wie Florian Waldvogel in seiner Studie über "Aspekte des Kuratorischen am Beispiel der Praxis von Kasper König". Der Autor, selbst als Kurator unterwegs, war in den neunziger Jahren Assistent Königs während dessen Rektorat an der Frankfurter Städelschule und kompiliert im Anhang seiner Dissertation drei längere Gespräche aus den letzten dreizehn Jahren, in denen König die maßgeblichen Stationen und Ausstellungen seiner Karriere darlegt: wie er mit Klaus Bußmann 1977 in Münster die - seitdem alle zehn Jahre stattfindenden - "Skulptur Projekte" begründete und damit Pionierarbeit für Kunst im öffentlichen Raum in Deutschland leistete; wie er mit der "Westkunst" von 1981 in Köln (mit Laszlo Glozer) und der Schau "von hier aus" in Düsseldorf 1984 unterschiedliche Standortbestimmungen der Gegenwart vorlegte. Zur Sprache kommen auch die verpassten Chancen, mit der Leitung der Documenta betraut zu werden. Bei einer Bewerbung kam es nicht gut an, dass König sie vor der - internationalen - Kommission in Englisch vortrug; ein anderes Mal lehnte er es ab, sich den Chefposten mit dem Belgier Jan Hoet zu teilen.
Vieles, was König in den Gesprächen mit Waldvogel kundtut, ist freilich aus den diversen Interviews bekannt, die in den letzten Jahren, namentlich jenem mit dem Münchner Kunsthistoriker Walter Grasskamp, erschienen sind. Manche Sätze immerhin, die Waldvogel seinem Gegenüber entlocken konnte, bleiben hängen: "Eigentlich ist es eine Katastrophe, dass ich nicht schreibe", bedauert der Ausstellungsmacher an einer Stelle, und nach Selbstironie klingt dies durchaus nicht.
Aber was ist das eigentlich - ein Ausstellungsmacher? Die Figur tritt in den späteren sechziger Jahren auf den Plan, als die Autorität von Autor und Künstler bröckelte und die Ausstellung Kunstwerke nicht nur mehr sinnvoll versammeln sollte, sondern selbst Anlass und gelegentlich sogar Ort der Produktion wurde, wie Waldvogel im Analyseteil seiner Studie feststellt: Der Ausstellungsmacher übernahm "die Rolle des Co-Produzenten". Exempel par excellence war die Gruppenschau "When Attitudes Become Form" des Schweizers Harald Szeemann in Bern 1969.
Dem Publikum dazu verhelfen, seine eigenen Fragen an die Kunst zu richten, lautet Königs Credo: Dazu braucht es Ausstellungen. Waldvogel geht sie chronologisch durch und untersucht auch die langjährige Ära Königs am Kölner Museum Ludwig. Sonderlich interessant sind die Quellen, aus denen er schöpft, indes nicht: Es handelt sich um Material wie die üblichen Kataloge mit Einführungen und Selbsterklärungen, aus denen Waldvogel ausführlich zitiert, während Rezensionen der Fachkritik keine Rolle spielen. Wie wirkt König auf Künstler und ihre Ideen ein, die er einlädt? Welche Vorschläge lässt er zurückgehen? Gibt sein persönliches Archiv mit Korrespondenzen und Aufzeichnungen diesbezüglich etwas her, von denen ein Teil bereits im "Zadik" - dem Zentralarchiv des deutschen und internationalen Kunsthandels mit Sitz in Köln - aufbereitet worden ist? All das bleibt offen. Obwohl Waldvogel einige Ausstellungen wie die beiden jüngsten Ausgaben der Münsteraner Skulptur-Projekte zu Recht kritisiert, überhöht er König in seinem Fazit zum "ersten relationalen Ausstellungsmacher", ja zu einer "transzendentalen Figur".
Es fehlt allerdings eine Besprechung der wohl heikelsten Mission Königs, nämlich der europäischen Wanderbiennale Manifesta, die König 2014 in der Eremitage in Sankt Petersburg verantwortete und die angesichts der Ereignisse in der Ukraine und wegen eines mitten in der Vorbereitung erlassenen "idiotischen Gesetzes gegen ,schwule Propaganda'" (König) zum Politikum wurde.
GEORG IMDAHL.
Jörg Streichert und Carmen Strzelecki (Hg.): "Best Kunst". Das Leben von Kasper König in 15 Ausstellungen.
Strzelecki Books, Frankfurt 2016. 65 S., Abb., br., 9,80 [Euro].
Florian Waldvogel: "Aspekte des Kuratorischen am Beispiel der Praxis von Kasper König".
Verlag Silke Schreiber, München 2016. 414 S., Abb., br., 28,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Er will dem Publikum helfen, die richtigen Fragen zu stellen: Zwei Bände ergründen den Kurator Kasper König
Sein Erweckungserlebnis schildert er in einem schmalen, kurzweiligen Band, der ihn allein im O-Ton zu Wort kommen lässt: "Das Leben von Kasper König in fünfzehn Ausstellungen". Als Pennäler stand der 1943 in Mettingen geborene Westfale mit der Klasse im Museum Folkwang in Essen und blickte auf ein Plakat der Galerie Rudolf Zwirner - darauf eine Zeichnung des Amerikaners Cy Twombly. Die "Kritzeleien" erinnerten den Halbwüchsigen an "Schmierereien auf öffentlichen Toiletten", er erkannte darin Dinge wie "Penis und Vagina-Formen, aber zugleich immer wieder Schrift und relativ viele weiße Flecken, fast Sperma-mäßig". Der Junge war "total von den Socken". Nicht aber wegen besagter Formen und Flecken. Sondern weil da jemand behaupten konnte, das sei Kunst - und "dann ist es Kunst". Genau so, das hatte der Schüler ganz richtig erfasst, funktioniert Gegenwartskunst ja. Jedenfalls eine ganze Menge davon.
Der Heranwachsende besuchte umgehend die Twombly-Ausstellung und heuerte als Volontär in der Galerie an, um alsbald vollends in die Kunstwelt einzutauchen und sich zu einem der einflussreichsten Anstoßer und Vermittler der zeitgenössischen Kunst zu entwickeln. Für Player wie ihn wurde die Vokabel "Ausstellungsmacher" ins Spiel gebracht.
Königs Selbstbewusstsein äußert sich in einem schnodderigen Humor. Er erzählt Kunst in Anekdoten, Theoriebildung ist nicht seine Sache. So liegt es nahe, den Mann, der den geschriebenen Text bis auf das Vorwort meidet, im Sinne einer oral history erzählen zu lassen wie Florian Waldvogel in seiner Studie über "Aspekte des Kuratorischen am Beispiel der Praxis von Kasper König". Der Autor, selbst als Kurator unterwegs, war in den neunziger Jahren Assistent Königs während dessen Rektorat an der Frankfurter Städelschule und kompiliert im Anhang seiner Dissertation drei längere Gespräche aus den letzten dreizehn Jahren, in denen König die maßgeblichen Stationen und Ausstellungen seiner Karriere darlegt: wie er mit Klaus Bußmann 1977 in Münster die - seitdem alle zehn Jahre stattfindenden - "Skulptur Projekte" begründete und damit Pionierarbeit für Kunst im öffentlichen Raum in Deutschland leistete; wie er mit der "Westkunst" von 1981 in Köln (mit Laszlo Glozer) und der Schau "von hier aus" in Düsseldorf 1984 unterschiedliche Standortbestimmungen der Gegenwart vorlegte. Zur Sprache kommen auch die verpassten Chancen, mit der Leitung der Documenta betraut zu werden. Bei einer Bewerbung kam es nicht gut an, dass König sie vor der - internationalen - Kommission in Englisch vortrug; ein anderes Mal lehnte er es ab, sich den Chefposten mit dem Belgier Jan Hoet zu teilen.
Vieles, was König in den Gesprächen mit Waldvogel kundtut, ist freilich aus den diversen Interviews bekannt, die in den letzten Jahren, namentlich jenem mit dem Münchner Kunsthistoriker Walter Grasskamp, erschienen sind. Manche Sätze immerhin, die Waldvogel seinem Gegenüber entlocken konnte, bleiben hängen: "Eigentlich ist es eine Katastrophe, dass ich nicht schreibe", bedauert der Ausstellungsmacher an einer Stelle, und nach Selbstironie klingt dies durchaus nicht.
Aber was ist das eigentlich - ein Ausstellungsmacher? Die Figur tritt in den späteren sechziger Jahren auf den Plan, als die Autorität von Autor und Künstler bröckelte und die Ausstellung Kunstwerke nicht nur mehr sinnvoll versammeln sollte, sondern selbst Anlass und gelegentlich sogar Ort der Produktion wurde, wie Waldvogel im Analyseteil seiner Studie feststellt: Der Ausstellungsmacher übernahm "die Rolle des Co-Produzenten". Exempel par excellence war die Gruppenschau "When Attitudes Become Form" des Schweizers Harald Szeemann in Bern 1969.
Dem Publikum dazu verhelfen, seine eigenen Fragen an die Kunst zu richten, lautet Königs Credo: Dazu braucht es Ausstellungen. Waldvogel geht sie chronologisch durch und untersucht auch die langjährige Ära Königs am Kölner Museum Ludwig. Sonderlich interessant sind die Quellen, aus denen er schöpft, indes nicht: Es handelt sich um Material wie die üblichen Kataloge mit Einführungen und Selbsterklärungen, aus denen Waldvogel ausführlich zitiert, während Rezensionen der Fachkritik keine Rolle spielen. Wie wirkt König auf Künstler und ihre Ideen ein, die er einlädt? Welche Vorschläge lässt er zurückgehen? Gibt sein persönliches Archiv mit Korrespondenzen und Aufzeichnungen diesbezüglich etwas her, von denen ein Teil bereits im "Zadik" - dem Zentralarchiv des deutschen und internationalen Kunsthandels mit Sitz in Köln - aufbereitet worden ist? All das bleibt offen. Obwohl Waldvogel einige Ausstellungen wie die beiden jüngsten Ausgaben der Münsteraner Skulptur-Projekte zu Recht kritisiert, überhöht er König in seinem Fazit zum "ersten relationalen Ausstellungsmacher", ja zu einer "transzendentalen Figur".
Es fehlt allerdings eine Besprechung der wohl heikelsten Mission Königs, nämlich der europäischen Wanderbiennale Manifesta, die König 2014 in der Eremitage in Sankt Petersburg verantwortete und die angesichts der Ereignisse in der Ukraine und wegen eines mitten in der Vorbereitung erlassenen "idiotischen Gesetzes gegen ,schwule Propaganda'" (König) zum Politikum wurde.
GEORG IMDAHL.
Jörg Streichert und Carmen Strzelecki (Hg.): "Best Kunst". Das Leben von Kasper König in 15 Ausstellungen.
Strzelecki Books, Frankfurt 2016. 65 S., Abb., br., 9,80 [Euro].
Florian Waldvogel: "Aspekte des Kuratorischen am Beispiel der Praxis von Kasper König".
Verlag Silke Schreiber, München 2016. 414 S., Abb., br., 28,- [Euro].
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