Ist es zu fassen, daß bis dato als seriös geltende Historiker, Philologen und Übersetzer öffentlich zugeben, daß sie Asterix und seinen leicht untersetzten Kumpel Obelix gut finden ... (toc, toc, toc?)? Kann man denn durch unterhaltsame Comics einen ersten Zugang in die Welt der bockshörnigen Piraten, der Zaubertrank brauenden Druiden, der olympischen Athleten, ja sogar in die Welt von Caesar und Kleopatra finden - und nicht durch antike Quellen? Sind die Grundprinzipien der antiken Rhetorik auch anhand einer Asterix-Rede erlernbar und zu verstehen? Sollte es möglich sein, mit Asterix Vorstudien zu den Anfängen der Volksherrschaft zu treiben - und nicht Aristoteles zu Rate zu ziehen? Und ist es schließlich denkbar, daß Asterix sogar noch dafür taugt, Grundzüge der antiken Religion zu vermitteln?
Nein?
Doch, doch. Es ist mit diesem Band bewiesen! Auf so unterhaltsame Weise, daß man die antiken Quellen (ausnahmsweise) gar nicht vermißt.
Nein?
Doch, doch. Es ist mit diesem Band bewiesen! Auf so unterhaltsame Weise, daß man die antiken Quellen (ausnahmsweise) gar nicht vermißt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.2001Aleschia? Wasch wollt ihr mit Aleschia?
Sternzeichen Asterix: Neue Einsichten von Althistorikern in das weite Feld des großen Galliers
Ein kleiner Gallier hat den Weg in die hohen Lehranstalten geschafft, und das nicht nur dank eines Zaubertranks. Eineinhalb Generationen machen sich inzwischen ein buntes Bild der klassischen Antike nach der Vorlage seiner Abenteuer. Gymnasiasten begleitet er auf ihrem holprigen Weg durch die lateinische Sprache, an Universitäten kommt er in Vorlesungen über die Verarbeitung antiker Stoffe in modernen Medien zu Ehren.
Albert Uderzo und der 1977 verstorbene René Goscinny, die geistigen Väter des kleinwüchsigen Kriegers, wollten angeblich "nur das Publikum unterhalten". Sollte das wirklich ihr einziges Ziel gewesen sein, so haben sie dies eine Zeitlang formidabel erreicht. Doch schon der Name des Helden der nunmehr 31 Bände umfassenden Bildgeschichtenreihe, im Original Astérix, weist auf weitaus mehr hin: Der astérisque, das kleine Sternchen, kennzeichnet in wissenschaftlichen Texten Anmerkungen und Erläuterungen, gibt also eine (mehr oder minder) schlaue Erklärung. So ist auch Asterix, der Listenreiche, zu interpretieren, der seit seiner Reise nach Lutetia - es galt, für den Druiden Miraculix eine zauberkräftige Sichel zu besorgen - nicht mehr ohne seinen besten Freund Obelix denkbar ist.
Zäher als die Zähsten, schlauer als die Schlausten mußte er sein und ein ehrlicher Mann dabei bleiben, um dem römischen Eindringling weiterhin Widerstand leisten zu können. Konnte er das wirklich? Wir wissen, wie die Geschichte ausgegangen ist: Seit der Schlacht von Alesia, von dem die Gallier nicht so gerne wissen wollen, wo es sich befindet, gab es keine nennenswerten keltischen Aufstandsversuche mehr auf dem Festland, die keltischen Gallier fügten sich ziemlich gut ins römische Imperium ein, wie immer man das auch deuten mag.
Einige Erklärungen dafür werden in dem Sammelband "Asterix und seine Zeit" angeboten. Nach "Asterix. Die ganze Wahrheit" (F.A.Z. vom 28. Juli 1998) ist dies ein weiterer Versuch von Althistorikern und Archäologen, dem schönen Spaß ein seriöses Fundament zu geben, wie deutsche Gründlichkeit und Cervisiaernst es zu gebieten scheinen. Rechtzeitig zum jüngsten Abenteuerband "Asterix und Latraviata", über den wir hier lieber den Mantel des Schweigens breiten wollen, will die von Kai Brodersen, Ordinarius für Alte Geschichte in Mannheim, herausgegebene Anthologie dem historisch Interessierten die wahren Verhältnisse der damals bekannten Welt vor Augen führen.
Wir begeben uns also auf eine Zeitreise und schreiben das Jahr 50 vor Christus. Hat Rom damals wirklich so ausgesehen, wie das der Band "Die Lorbeeren des Caesar" suggeriert? Nein, hat es nicht! (Latürnich nicht!) Denn Rom war selbst in der ausgehenden Republik, der Lebenszeit Caesars, noch hauptsächlich aus Holz gezimmert. Auch das Amphitheatrum Flavi(nian)um, das Kolosseum also, wurde erst im Jahre 73 nach Christus erbaut. Es wird in vielen Asterixbänden aber als Circus maximus, die Pferderennbahn der Spiele für Jupiter, bezeichnet. Während zwar im Circus maximus auch Gladiatorenkämpfe stattfanden, wurden umgekehrt im Kolosseum niemals Pferderennen abgehalten (vergleiche dazu den dritten Band, "Asterix als Gladiator").
Es dreht sich in den meisten Beiträgen des Bandes jedoch weniger um solche Detailfragen. Im Zentrum stehen dagegen allgemeinere Vorstellungen von der Antike. Caesar und Kleopatra werden kritisch mit ihrer Darstellung im Comic verglichen, die Lebenswelt der Kelten - besonders Kult, Barden und Druiden - dem Leben im kleinen gallischen Dorf in Aremorica gegenübergestellt und so weiter. Ausflüge nach Olympia stehen genauso auf dem Programm wie Kreuzfahrten über das Mittelmeer. Der Leser wird eingeladen, als Großzügiges Meerschweinchen den Großen Organisatoren zu vertrauen, selbst wenn schiffbruchgefährdete Seeräuber das mare mediterraneum (oder mare nostrum, wie der Römer vermessen zu sagen pflegte) unsicher machen. Fluctuat, nec mergitur.*.
Wenn auch nicht alles neu ist (bei einer Aufsatzsammlung der Alten Geschichte ist dies fast schon ein Kalauer), so wird doch mit einigen überraschenden, bisweilen provozierenden Thesen aufgewartet. René van Royen und Sunnyva van der Vegt lassen in "Asterix und die Belgier oder: Eine frühe westeuropäische Demokratie" anhand einer Lesung gegen den Strich von Caesars "Gallischem Krieg" mit der Annahme aufhorchen, der römische Beamte Gaius Julius Caesar habe mit seinem Einfall in das damals noch freie Gallien und besonders mit seinem Vorgehen gegen die Völker der Belgica auch eine - Rom wohl unangenehme - demokratischere Verfassung jenes Gebietes zerstört und durch eine dem Senat und Volk von Rom hörige monarchische oder oligarchische Struktur ersetzt.
Anhand weiterer antiker Autoren (vor allem Livius) wird die angeblich seit rund zwanzig Jahren in der deutschen Forschung grassierende Vorstellung einer Gallierfurcht der Römer von Veit Rosenberger als moderne Erfindung entlarvt und in gewisser Weise auch mit der Verbreitung der Gallierheftchen in den Kreisen der deutschsprachigen Althistoriker in Verbindung gebracht.
Etwas enttäuschend fällt dann das abschließende Kapitel über die Übertragung vom Französischen ins Deutsche aus. Gudrun Penndorf, langjährige Übersetzerin im ehapa-Verlag, kommt dabei leider über Allgemeinplätze, bereichert lediglich um einige wirklich sehr gelungene Beispiele, nicht hinaus. Zum Überdruß des Asterixlesers wählt sie oft zur Illustration ausgerechnet Passagen aus den letzten, im allgemeinen als wenig geglückte Abenteuer verschrieenen Bänden. Schade, hier wäre Gelegenheit gewesen, aus der Schule zu plaudern!
Daß der Bezug zu den gezeichneten Helden in den Beiträgen sich oft nur schwer herstellen läßt, stört nicht weiter. Wer Asterix lesen will, kann sich ja die entsprechenden Alben besorgen; wer eine kurze, oft humorige Einführung in das klassische Altertum ohne allzuviel wissenschaftlichen Apparat sucht, findet sich mit diesem Buch recht gut beraten.
MARTIN LHOTZKY.
* Geschüttelt von den Wogen, wird sie doch nicht untergehen. (Inschrift des Stadtwappens von Paris).
Kai Brodersen (Hrsg.): "Asterix und seine Zeit". Die große Welt des kleinen Galliers. Verlag C.H.Beck, München 2001. 241 S., Abb., br., 19,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sternzeichen Asterix: Neue Einsichten von Althistorikern in das weite Feld des großen Galliers
Ein kleiner Gallier hat den Weg in die hohen Lehranstalten geschafft, und das nicht nur dank eines Zaubertranks. Eineinhalb Generationen machen sich inzwischen ein buntes Bild der klassischen Antike nach der Vorlage seiner Abenteuer. Gymnasiasten begleitet er auf ihrem holprigen Weg durch die lateinische Sprache, an Universitäten kommt er in Vorlesungen über die Verarbeitung antiker Stoffe in modernen Medien zu Ehren.
Albert Uderzo und der 1977 verstorbene René Goscinny, die geistigen Väter des kleinwüchsigen Kriegers, wollten angeblich "nur das Publikum unterhalten". Sollte das wirklich ihr einziges Ziel gewesen sein, so haben sie dies eine Zeitlang formidabel erreicht. Doch schon der Name des Helden der nunmehr 31 Bände umfassenden Bildgeschichtenreihe, im Original Astérix, weist auf weitaus mehr hin: Der astérisque, das kleine Sternchen, kennzeichnet in wissenschaftlichen Texten Anmerkungen und Erläuterungen, gibt also eine (mehr oder minder) schlaue Erklärung. So ist auch Asterix, der Listenreiche, zu interpretieren, der seit seiner Reise nach Lutetia - es galt, für den Druiden Miraculix eine zauberkräftige Sichel zu besorgen - nicht mehr ohne seinen besten Freund Obelix denkbar ist.
Zäher als die Zähsten, schlauer als die Schlausten mußte er sein und ein ehrlicher Mann dabei bleiben, um dem römischen Eindringling weiterhin Widerstand leisten zu können. Konnte er das wirklich? Wir wissen, wie die Geschichte ausgegangen ist: Seit der Schlacht von Alesia, von dem die Gallier nicht so gerne wissen wollen, wo es sich befindet, gab es keine nennenswerten keltischen Aufstandsversuche mehr auf dem Festland, die keltischen Gallier fügten sich ziemlich gut ins römische Imperium ein, wie immer man das auch deuten mag.
Einige Erklärungen dafür werden in dem Sammelband "Asterix und seine Zeit" angeboten. Nach "Asterix. Die ganze Wahrheit" (F.A.Z. vom 28. Juli 1998) ist dies ein weiterer Versuch von Althistorikern und Archäologen, dem schönen Spaß ein seriöses Fundament zu geben, wie deutsche Gründlichkeit und Cervisiaernst es zu gebieten scheinen. Rechtzeitig zum jüngsten Abenteuerband "Asterix und Latraviata", über den wir hier lieber den Mantel des Schweigens breiten wollen, will die von Kai Brodersen, Ordinarius für Alte Geschichte in Mannheim, herausgegebene Anthologie dem historisch Interessierten die wahren Verhältnisse der damals bekannten Welt vor Augen führen.
Wir begeben uns also auf eine Zeitreise und schreiben das Jahr 50 vor Christus. Hat Rom damals wirklich so ausgesehen, wie das der Band "Die Lorbeeren des Caesar" suggeriert? Nein, hat es nicht! (Latürnich nicht!) Denn Rom war selbst in der ausgehenden Republik, der Lebenszeit Caesars, noch hauptsächlich aus Holz gezimmert. Auch das Amphitheatrum Flavi(nian)um, das Kolosseum also, wurde erst im Jahre 73 nach Christus erbaut. Es wird in vielen Asterixbänden aber als Circus maximus, die Pferderennbahn der Spiele für Jupiter, bezeichnet. Während zwar im Circus maximus auch Gladiatorenkämpfe stattfanden, wurden umgekehrt im Kolosseum niemals Pferderennen abgehalten (vergleiche dazu den dritten Band, "Asterix als Gladiator").
Es dreht sich in den meisten Beiträgen des Bandes jedoch weniger um solche Detailfragen. Im Zentrum stehen dagegen allgemeinere Vorstellungen von der Antike. Caesar und Kleopatra werden kritisch mit ihrer Darstellung im Comic verglichen, die Lebenswelt der Kelten - besonders Kult, Barden und Druiden - dem Leben im kleinen gallischen Dorf in Aremorica gegenübergestellt und so weiter. Ausflüge nach Olympia stehen genauso auf dem Programm wie Kreuzfahrten über das Mittelmeer. Der Leser wird eingeladen, als Großzügiges Meerschweinchen den Großen Organisatoren zu vertrauen, selbst wenn schiffbruchgefährdete Seeräuber das mare mediterraneum (oder mare nostrum, wie der Römer vermessen zu sagen pflegte) unsicher machen. Fluctuat, nec mergitur.*.
Wenn auch nicht alles neu ist (bei einer Aufsatzsammlung der Alten Geschichte ist dies fast schon ein Kalauer), so wird doch mit einigen überraschenden, bisweilen provozierenden Thesen aufgewartet. René van Royen und Sunnyva van der Vegt lassen in "Asterix und die Belgier oder: Eine frühe westeuropäische Demokratie" anhand einer Lesung gegen den Strich von Caesars "Gallischem Krieg" mit der Annahme aufhorchen, der römische Beamte Gaius Julius Caesar habe mit seinem Einfall in das damals noch freie Gallien und besonders mit seinem Vorgehen gegen die Völker der Belgica auch eine - Rom wohl unangenehme - demokratischere Verfassung jenes Gebietes zerstört und durch eine dem Senat und Volk von Rom hörige monarchische oder oligarchische Struktur ersetzt.
Anhand weiterer antiker Autoren (vor allem Livius) wird die angeblich seit rund zwanzig Jahren in der deutschen Forschung grassierende Vorstellung einer Gallierfurcht der Römer von Veit Rosenberger als moderne Erfindung entlarvt und in gewisser Weise auch mit der Verbreitung der Gallierheftchen in den Kreisen der deutschsprachigen Althistoriker in Verbindung gebracht.
Etwas enttäuschend fällt dann das abschließende Kapitel über die Übertragung vom Französischen ins Deutsche aus. Gudrun Penndorf, langjährige Übersetzerin im ehapa-Verlag, kommt dabei leider über Allgemeinplätze, bereichert lediglich um einige wirklich sehr gelungene Beispiele, nicht hinaus. Zum Überdruß des Asterixlesers wählt sie oft zur Illustration ausgerechnet Passagen aus den letzten, im allgemeinen als wenig geglückte Abenteuer verschrieenen Bänden. Schade, hier wäre Gelegenheit gewesen, aus der Schule zu plaudern!
Daß der Bezug zu den gezeichneten Helden in den Beiträgen sich oft nur schwer herstellen läßt, stört nicht weiter. Wer Asterix lesen will, kann sich ja die entsprechenden Alben besorgen; wer eine kurze, oft humorige Einführung in das klassische Altertum ohne allzuviel wissenschaftlichen Apparat sucht, findet sich mit diesem Buch recht gut beraten.
MARTIN LHOTZKY.
* Geschüttelt von den Wogen, wird sie doch nicht untergehen. (Inschrift des Stadtwappens von Paris).
Kai Brodersen (Hrsg.): "Asterix und seine Zeit". Die große Welt des kleinen Galliers. Verlag C.H.Beck, München 2001. 241 S., Abb., br., 19,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Martin Lhotzky hat das Buch offenbar mit großem Gewinn gelesen und sich dabei auch noch köstlich amüsiert. Ihm gefällt, dass hier von renommierten Historikern und Archäologen der Versuch unternommen wird, die Welt von Asterix mit "deutscher Gründlichkeit" zu untersuchen. So werde etwa der Frage nachgegangen, ob Rom im Jahr 50 vor Christus tatsächlich so ausgesehen hat, wie in den Comics dargestellt wird (Nein!), wie das Leben der Kelten wirklich gewesen ist oder ob die Darstellungen von Caesar und Kleopatra oder der Olympiade weistestgehend zutreffend sind. Dabei hat Lohtzky durchaus einige "überraschende , bisweilen provozierende Thesen" in diesem Buch entdeckt, etwa wenn es um frühe Formen von Demokratien bei den Belgiern geht. Bedauerlich findet der Rezensent lediglich, dass der Beitrag der ehapa-Verlag-Übersetzerin Gudrun Penndorf kaum über "Allgemeinplätze" hinauskommt. Insgesamt jedoch hält der Rezensent dieses Buch für eine "kurze, oft humorige Einführung in das klassische Altertum ohne allzu viel wissenschaftlichen Apparat".
© Perlentaucher Medien GmbH
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