»Ich kann mit dem besten Willen nicht begreifen, was ich getan habe, um so beliebt zu werden. Mir fällt nichts ein, wodurch ich das verdient hätte.«
Doch genau das ist sie, weltberühmt und von allen geliebt. Und das mit Recht: Astrid Lindgren. Sie ist ein Teil unseres Lebens. Generationen haben Freude und Kraft aus ihren Büchern geschöpft. Drei Jahrzehnte lang hat Margareta Strömstedt, Journalistin und Kinderbuchautorin, zahllose intensive Gespräche mit Astrid Lindgren geführt und Zugang bekommen zu den verborgenen Seiten dieser Persönlichkeit. In diesem Buch hat Margareta Strömstedt das Ergebnis ihrer Gespräche mit der großen Autorin zusammengetragen. Über Astrid Lindgrens Kindheit ist viel bekannt, aber was geschah, als sie erwachsen wurde? Astrid Lindgren als Meinungsmacherin, ihre internationale Bedeutung und ihr Ruhm, ihre Beziehung zur Sprache und die Macht ihrer Sprache - zusammen mit Zitaten aus Astrid Lindgrens Briefen, die sie in ihren ersten schweren Jahren aus Stockholm nach Hause schrieb, und Zitaten aus ihren Kriegstagebüchern entstand das Lebensbild eines einzigartigen Menschen und einer einzigartigen Dichterin.
Doch genau das ist sie, weltberühmt und von allen geliebt. Und das mit Recht: Astrid Lindgren. Sie ist ein Teil unseres Lebens. Generationen haben Freude und Kraft aus ihren Büchern geschöpft. Drei Jahrzehnte lang hat Margareta Strömstedt, Journalistin und Kinderbuchautorin, zahllose intensive Gespräche mit Astrid Lindgren geführt und Zugang bekommen zu den verborgenen Seiten dieser Persönlichkeit. In diesem Buch hat Margareta Strömstedt das Ergebnis ihrer Gespräche mit der großen Autorin zusammengetragen. Über Astrid Lindgrens Kindheit ist viel bekannt, aber was geschah, als sie erwachsen wurde? Astrid Lindgren als Meinungsmacherin, ihre internationale Bedeutung und ihr Ruhm, ihre Beziehung zur Sprache und die Macht ihrer Sprache - zusammen mit Zitaten aus Astrid Lindgrens Briefen, die sie in ihren ersten schweren Jahren aus Stockholm nach Hause schrieb, und Zitaten aus ihren Kriegstagebüchern entstand das Lebensbild eines einzigartigen Menschen und einer einzigartigen Dichterin.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2001Genau wie Karlsson!
Margareta Strömstedts warmherzige Biographie Astrid Lindgrens
Nur in ihren jungen Jahren als Stockholmer Bürofräulein hat Astrid Lindgren unter Einsamkeit gelitten, später hat sie immer darum kämpfen müssen. "Und dann braucht man ja auch noch Zeit, um nur dazusitzen und vor sich hinzustarren", schrieb sie zu Silvester 1964 in ihr Tagebuch, in einer wahren Hymne auf die Einsamkeit. Da war sie längst eine weltberühmte Kinderbuchautorin, deren quirligste Zeit, in der sie alles unter einen Hut zu bringen versuchte - Schreiben, Kinder, Haushalt und noch dazu die Arbeit als Verlagslektorin -, bereits hinter ihr lag. Aber ihre Einsamkeitssucht wurde mit den Jahren immer stärker, auch wenn sie sie anfangs noch überwunden hat, weil sie sich der Verantwortung als wichtigste Dichterin der Kinder bewußt war. So gab sie erst im Alter von 75 Jahren ihre Gewohnheit auf, sämtliche Kinderpost selbst zu beantworten.
Auch heute, an ihrem Geburtstag, wird Astrid Lindgren sicherlich wieder grimmig um jede Minute Ruhe kämpfen und froh sein, wenn er vorbei ist, "dieser schreckliche, schreckliche Tag", wie sie den 14.November vor vier Jahren in ironischer Übertreibung nannte, als sie neunzig wurde. Es ist ihr zwar gelungen, sich ganz von der Außenwelt abzuschotten und dennoch eine öffentliche Person zu bleiben, aber die Geburtstage sind heikle Termine, an denen der sorgsam errichtete Wall dann doch leise erschüttert wird.
Über Astrid Lindgrens Geschick, sich der Öffentlichkeit als private Person zu entziehen, ohne sie zu brüskieren, ist schon viel gerätselt worden. Vor allem die Biographen hatten damit Probleme. Für Margareta Strömstedt, die Autorin des neuesten Buches über Astrid Lindgren, war es ein wenig leichter, weil sie eine inzwischen dreißig Jahre währende Freundschaft mit dem Gegenstand ihres Buches verbindet. Bereits 1977 erschien von ihr eine erste biographische Arbeit über Astrid Lindgren. Umfassend überarbeitet und um die letzten Jahrzehnte maßgeblich erweitert, ist das Buch nun erstmals auch in Deutschland auf dem Markt.
Man merkt, daß der Band in seinen Grundzügen zu einer Zeit entstanden ist, in der man unbefangener darin war, Autoren und ihre Werke miteinander verwoben zu sehen. Auch gab es weniger Hemmungen, die eigene Person in solche Betrachtungen mit hineinzumischen. Margareta Strömstedt jedenfalls führt den Leser durch Astrid Lindgrens Kindheit, indem sie immer auch die Szenarien und das Personal ihrer Kinderbücher daneben in Erinnerung ruft. "Genau wie Karlsson!", "Genau wie Mio!" ruft sie begeistert aus, wenn sie ihre Parallelen zieht und durch Zitate veranschaulicht. Es gibt zwar auch Fotografien aus Astrid Lindgrens Leben in diesem Band, darunter einige, die man bisher noch nicht kannte. Aber die Verweise auf die altbekannten Kinderbuchfiguren sind stärker; sie rufen beim Leser sofort Bilder hervor, die, obwohl sie gar nicht abgedruckt sind, die eigentlichen Illustrationen der Biographie abgeben.
Astrid Lindgren hat oft betont, daß sie in manchen ihrer Bücher tatsächlich nur weitergibt, was sie selbst in ihrer Kindheit erfahren hat. Das vielzitierte Wortpaar "Geborgenheit und Freiheit" wird auch hier bemüht. Doch so amüsant es ist, sich vorzustellen, daß sie hier wie "Madita" vom Scheunendach sprang oder dort wie "Pippi" in den Bäumen herumkraxelte - die Stärken des Teils, der sich mit der Kindheit beschäftigt, liegen eher in der Beschreibung des bäuerlichen Lebens im Schweden der zehner Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Margareta Strömstedt zeichnet anhand der Familie Ericsson ein genaues Bild des småländischen Alltagslebens zu jener Zeit, auch mit seinen Zwängen. Die pure Bullerbü-Idylle war es nicht; aber es war nahe dran. Jedenfalls müssen die vier Ericsson-Kinder, von denen Astrid die Älteste war, mit ihren Freunden zeitweise eine richtige Spaßgesellschaft abgegeben haben.
Margareta Strömstedt räumt der Kindheit Astrid Lindgrens den größten Teil ihrer Lebensbeschreibung ein, knapp die Hälfte des Buches. Das liegt nicht nur an den vielen Bezügen, die sie zu den Kinderbüchern herstellt und die später naturgemäß seltener werden. Für die Autorin liegt der Schlüssel zu Astrid Lindgrens Dichtkunst unter anderem in diesen intensiv erlebten, glücklichen frühen Jahren und in der Fähigkeit, das Kind in sich lebendig zu erhalten. In diesem Fall so lebendig, daß es stärker und interessanter ist als die erwachsene Astrid Lindgren, auch für diese selbst. Ihre Kindheit ist die Vorzeigezeit ihres Lebens und ihr liebstes Thema - wenn sie schon von sich selbst reden soll.
Auch wenn Margareta Strömstedt ihr in dieser Gewichtung folgt, ist der Mittelteil ihres Buches der aufschlußreichste. Wir erleben Astrid Lindgren in den zwanziger Jahren als Stockholmer Bürofräulein mit einem anfangs verheimlichten unehelichen Kind, in den dreißiger Jahren als Hausfrau und Mutter, und wir erhalten Einblick in ihre "Kriegstagebücher", in denen sie seit 1939 aufschrieb und sammelte, was sie politisch bewegte. Es war eine sorgenvolle, unsichere und sehr arbeitsreiche Zeit, in der sie mit dem Schreiben begann. Strömstedt vermutet darin eine Art Flucht in eine freundlichere Welt, wenn neben den Kriegstagebüchern und neben der Tätigkeit für die schwedische Briefzensurbehörde auch die erste Fassung der "Pippi" und andere Kinderbuchmanuskripte entstanden. Margareta Strömstedt nimmt dabei ganz die Perspektive der damaligen Astrid Lindgren ein, die viel zu beschäftigt war, um den Ruhm, der nach dem "Pippi"-Paukenschlag von 1945 über sie hereinbrach, überhaupt zu registrieren. Selbst die erbitterte Gegenkampagne der schwedischen Kinderbuchkritiker wird in den Tagebüchern dieser Zeit kaum erwähnt.
Mit der zunehmenden Etablierung Astrid Lindgrens als Kinderbuchautorin gerät ihre Biographin ein wenig ins Schleudern. Die bisherige Vorgehensweise - Lebensstationen mit den Geschichten abzugleichen - greift nun nicht mehr. Es kommen nicht sehr viele schreibende, um Arbeitszeit ringende, immer berühmter werdende Erwachsene in Astrid Lindgrens Büchern vor. Und schon von Anfang an zeigte Astrid Lindgren der Öffentlichkeit nur ihr fröhliches Gesicht, erzählte von ihrer glücklichen Kindheit, gab schlagfertige, offene Antworten auf die unmöglichsten Fragen und trat bereitwillig bei festlichen Anlässen auf. Daneben aber führte sie in aller Ruhe ein Privatleben, an dem nur die engsten Vertrauten und Verwandten Anteil hatten - alle Schotten waren dicht und sind es immer noch.
Margareta Strömstedt bewältigt diese Schwierigkeit, indem sie sie thematisiert und sich ansonsten an die Bücher und ihre Wirkungen hält. Das letzte Drittel ihres Buches liest sich wie eine Reihe von klugen Monographien zu Einzelthemen rund um Astrid Lindgrens Werke - etwa zum Feminismus in ihren Büchern, zu den Verfilmungen, zum Thema Tod und über Astrid Lindgrens sehr eigenwillige Art, sich politisch zu engagieren. Immer wieder kommt sie auf die Frage zurück, die alle Lindgren-Kenner beschäftigt: Woher kommt der dunkle, tiefe Ton der Schwermut in ihren Geschichten, und wie gelingt es ihr, den glücklichen, frechen Klang ihrer Texte mit diesem Unterton zu grundieren? Eine endgültige Antwort gibt auch Margareta Strömstedt nicht, aber einige bedenkenswerte Ansätze sind da. Die große Vertrautheit der Autorin mit allem, was Astrid Lindgren betrifft, und auch die persönliche Freundschaft zwischen den beiden Frauen sorgen für ein warmes, solides Unterfutter dieser Kapitel.
Gegen Ende lesen wir ein neueres Gedicht von Astrid Lindgren, das in seiner rückhaltlos naiven, radikalen Trauer über den Zustand der Welt befremdend wirkt. Dieses Gedicht läßt ein wenig von den so oft umrätselten dunklen Seiten in Astrid Lindgrens Seele ahnen, und von der Verstörung, die sie erlebt, wenn sie etwas über heutige Kinderschicksale erfährt. Margareta Strömstedt kann sich am Schluß einer gewissen Abschiedswehmut nicht erwehren. Aber das ist in einem Buch, das sehr zu Recht mit "ein Lebensbild" untertitelt ist, ganz passend.
MONIKA OSBERGHAUS
Margareta Strömstedt: "Astrid Lindgren. Ein Lebensbild". Aus dem Schwedischen übersetzt von Birgitta Kicherer. Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 2001. 382 S., geb., 48,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Margareta Strömstedts warmherzige Biographie Astrid Lindgrens
Nur in ihren jungen Jahren als Stockholmer Bürofräulein hat Astrid Lindgren unter Einsamkeit gelitten, später hat sie immer darum kämpfen müssen. "Und dann braucht man ja auch noch Zeit, um nur dazusitzen und vor sich hinzustarren", schrieb sie zu Silvester 1964 in ihr Tagebuch, in einer wahren Hymne auf die Einsamkeit. Da war sie längst eine weltberühmte Kinderbuchautorin, deren quirligste Zeit, in der sie alles unter einen Hut zu bringen versuchte - Schreiben, Kinder, Haushalt und noch dazu die Arbeit als Verlagslektorin -, bereits hinter ihr lag. Aber ihre Einsamkeitssucht wurde mit den Jahren immer stärker, auch wenn sie sie anfangs noch überwunden hat, weil sie sich der Verantwortung als wichtigste Dichterin der Kinder bewußt war. So gab sie erst im Alter von 75 Jahren ihre Gewohnheit auf, sämtliche Kinderpost selbst zu beantworten.
Auch heute, an ihrem Geburtstag, wird Astrid Lindgren sicherlich wieder grimmig um jede Minute Ruhe kämpfen und froh sein, wenn er vorbei ist, "dieser schreckliche, schreckliche Tag", wie sie den 14.November vor vier Jahren in ironischer Übertreibung nannte, als sie neunzig wurde. Es ist ihr zwar gelungen, sich ganz von der Außenwelt abzuschotten und dennoch eine öffentliche Person zu bleiben, aber die Geburtstage sind heikle Termine, an denen der sorgsam errichtete Wall dann doch leise erschüttert wird.
Über Astrid Lindgrens Geschick, sich der Öffentlichkeit als private Person zu entziehen, ohne sie zu brüskieren, ist schon viel gerätselt worden. Vor allem die Biographen hatten damit Probleme. Für Margareta Strömstedt, die Autorin des neuesten Buches über Astrid Lindgren, war es ein wenig leichter, weil sie eine inzwischen dreißig Jahre währende Freundschaft mit dem Gegenstand ihres Buches verbindet. Bereits 1977 erschien von ihr eine erste biographische Arbeit über Astrid Lindgren. Umfassend überarbeitet und um die letzten Jahrzehnte maßgeblich erweitert, ist das Buch nun erstmals auch in Deutschland auf dem Markt.
Man merkt, daß der Band in seinen Grundzügen zu einer Zeit entstanden ist, in der man unbefangener darin war, Autoren und ihre Werke miteinander verwoben zu sehen. Auch gab es weniger Hemmungen, die eigene Person in solche Betrachtungen mit hineinzumischen. Margareta Strömstedt jedenfalls führt den Leser durch Astrid Lindgrens Kindheit, indem sie immer auch die Szenarien und das Personal ihrer Kinderbücher daneben in Erinnerung ruft. "Genau wie Karlsson!", "Genau wie Mio!" ruft sie begeistert aus, wenn sie ihre Parallelen zieht und durch Zitate veranschaulicht. Es gibt zwar auch Fotografien aus Astrid Lindgrens Leben in diesem Band, darunter einige, die man bisher noch nicht kannte. Aber die Verweise auf die altbekannten Kinderbuchfiguren sind stärker; sie rufen beim Leser sofort Bilder hervor, die, obwohl sie gar nicht abgedruckt sind, die eigentlichen Illustrationen der Biographie abgeben.
Astrid Lindgren hat oft betont, daß sie in manchen ihrer Bücher tatsächlich nur weitergibt, was sie selbst in ihrer Kindheit erfahren hat. Das vielzitierte Wortpaar "Geborgenheit und Freiheit" wird auch hier bemüht. Doch so amüsant es ist, sich vorzustellen, daß sie hier wie "Madita" vom Scheunendach sprang oder dort wie "Pippi" in den Bäumen herumkraxelte - die Stärken des Teils, der sich mit der Kindheit beschäftigt, liegen eher in der Beschreibung des bäuerlichen Lebens im Schweden der zehner Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Margareta Strömstedt zeichnet anhand der Familie Ericsson ein genaues Bild des småländischen Alltagslebens zu jener Zeit, auch mit seinen Zwängen. Die pure Bullerbü-Idylle war es nicht; aber es war nahe dran. Jedenfalls müssen die vier Ericsson-Kinder, von denen Astrid die Älteste war, mit ihren Freunden zeitweise eine richtige Spaßgesellschaft abgegeben haben.
Margareta Strömstedt räumt der Kindheit Astrid Lindgrens den größten Teil ihrer Lebensbeschreibung ein, knapp die Hälfte des Buches. Das liegt nicht nur an den vielen Bezügen, die sie zu den Kinderbüchern herstellt und die später naturgemäß seltener werden. Für die Autorin liegt der Schlüssel zu Astrid Lindgrens Dichtkunst unter anderem in diesen intensiv erlebten, glücklichen frühen Jahren und in der Fähigkeit, das Kind in sich lebendig zu erhalten. In diesem Fall so lebendig, daß es stärker und interessanter ist als die erwachsene Astrid Lindgren, auch für diese selbst. Ihre Kindheit ist die Vorzeigezeit ihres Lebens und ihr liebstes Thema - wenn sie schon von sich selbst reden soll.
Auch wenn Margareta Strömstedt ihr in dieser Gewichtung folgt, ist der Mittelteil ihres Buches der aufschlußreichste. Wir erleben Astrid Lindgren in den zwanziger Jahren als Stockholmer Bürofräulein mit einem anfangs verheimlichten unehelichen Kind, in den dreißiger Jahren als Hausfrau und Mutter, und wir erhalten Einblick in ihre "Kriegstagebücher", in denen sie seit 1939 aufschrieb und sammelte, was sie politisch bewegte. Es war eine sorgenvolle, unsichere und sehr arbeitsreiche Zeit, in der sie mit dem Schreiben begann. Strömstedt vermutet darin eine Art Flucht in eine freundlichere Welt, wenn neben den Kriegstagebüchern und neben der Tätigkeit für die schwedische Briefzensurbehörde auch die erste Fassung der "Pippi" und andere Kinderbuchmanuskripte entstanden. Margareta Strömstedt nimmt dabei ganz die Perspektive der damaligen Astrid Lindgren ein, die viel zu beschäftigt war, um den Ruhm, der nach dem "Pippi"-Paukenschlag von 1945 über sie hereinbrach, überhaupt zu registrieren. Selbst die erbitterte Gegenkampagne der schwedischen Kinderbuchkritiker wird in den Tagebüchern dieser Zeit kaum erwähnt.
Mit der zunehmenden Etablierung Astrid Lindgrens als Kinderbuchautorin gerät ihre Biographin ein wenig ins Schleudern. Die bisherige Vorgehensweise - Lebensstationen mit den Geschichten abzugleichen - greift nun nicht mehr. Es kommen nicht sehr viele schreibende, um Arbeitszeit ringende, immer berühmter werdende Erwachsene in Astrid Lindgrens Büchern vor. Und schon von Anfang an zeigte Astrid Lindgren der Öffentlichkeit nur ihr fröhliches Gesicht, erzählte von ihrer glücklichen Kindheit, gab schlagfertige, offene Antworten auf die unmöglichsten Fragen und trat bereitwillig bei festlichen Anlässen auf. Daneben aber führte sie in aller Ruhe ein Privatleben, an dem nur die engsten Vertrauten und Verwandten Anteil hatten - alle Schotten waren dicht und sind es immer noch.
Margareta Strömstedt bewältigt diese Schwierigkeit, indem sie sie thematisiert und sich ansonsten an die Bücher und ihre Wirkungen hält. Das letzte Drittel ihres Buches liest sich wie eine Reihe von klugen Monographien zu Einzelthemen rund um Astrid Lindgrens Werke - etwa zum Feminismus in ihren Büchern, zu den Verfilmungen, zum Thema Tod und über Astrid Lindgrens sehr eigenwillige Art, sich politisch zu engagieren. Immer wieder kommt sie auf die Frage zurück, die alle Lindgren-Kenner beschäftigt: Woher kommt der dunkle, tiefe Ton der Schwermut in ihren Geschichten, und wie gelingt es ihr, den glücklichen, frechen Klang ihrer Texte mit diesem Unterton zu grundieren? Eine endgültige Antwort gibt auch Margareta Strömstedt nicht, aber einige bedenkenswerte Ansätze sind da. Die große Vertrautheit der Autorin mit allem, was Astrid Lindgren betrifft, und auch die persönliche Freundschaft zwischen den beiden Frauen sorgen für ein warmes, solides Unterfutter dieser Kapitel.
Gegen Ende lesen wir ein neueres Gedicht von Astrid Lindgren, das in seiner rückhaltlos naiven, radikalen Trauer über den Zustand der Welt befremdend wirkt. Dieses Gedicht läßt ein wenig von den so oft umrätselten dunklen Seiten in Astrid Lindgrens Seele ahnen, und von der Verstörung, die sie erlebt, wenn sie etwas über heutige Kinderschicksale erfährt. Margareta Strömstedt kann sich am Schluß einer gewissen Abschiedswehmut nicht erwehren. Aber das ist in einem Buch, das sehr zu Recht mit "ein Lebensbild" untertitelt ist, ganz passend.
MONIKA OSBERGHAUS
Margareta Strömstedt: "Astrid Lindgren. Ein Lebensbild". Aus dem Schwedischen übersetzt von Birgitta Kicherer. Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 2001. 382 S., geb., 48,- DM.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Biografen hätten so ihre Mühe mit Astrid Lindgren, schreibt Monika Osberghaus in ihrer Kritik über diese "warmherzige Biografie". Denn die "weltberühmte Kinderbuchautorin" lege großen Wert auf Einsamkeit und lebe von der Außenwelt abgeschottet. Margarete Strömstedt habe es jedoch leichter gehabt - sie sei gut mit Lindgren befreundet. Strömstedt vermische die Kindheit Lindgrens mit Erlebnissen des "Personals ihrer Kinderbücher". Die Rezensentin rechtfertigt dies denn auch: Lindgren selbst behaupte schließlich, sie gebe in ihren Büchern nur Dinge weiter, die sie selbst erfahren habe. Der Rezensentin gefällt diese Biografie - nur die Beschreibung der älteren Lindgren, der "etablierten Kinderbuchautorin" bereite der Autorin gewisse Probleme. Auf nach Bullerbü...
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