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The United States has never felt at home abroad. The reason for this unease, even after the terrorist attacks of September 11, 2001, is not frequent threats to American security. It is America's identity. The United States, its citizens believe, is...

Produktbeschreibung
The United States has never felt at home abroad. The reason for this unease, even after the terrorist attacks of September 11, 2001, is not frequent threats to American security. It is America's identity. The United States, its citizens believe, is...
Autorenporträt
Henry R. Nau
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.2002

Und die trägt er im Gesicht . . .
Washingtons Außenpolitik und das Plädoyer seiner Partner für eine Predigt an die Haifische

Henry R. Nau: At Home Abroad. Identity and Power in American Foreign Policy. Cornell University Press, Ithaca/London 2002. 314 Seiten, 29,95 Dollar.

Welchen Kurs wird Amerika steuern? In der Irak-Frage? Oder gegenüber den ängstlichen Ländern des kontinentalen Europa, wo die kulturellen Unterschiede zur amerikanischen Gesellschaft wieder einmal hervortreten? Natürlich kann das niemand genau beantworten, auch nicht Henry R. Nau von der Washingtoner Georgetown University. Wohl aber weiß er mit sicherem Urteilsvermögen die gegensätzlichen Strömungen im öffentlichen Diskurs der Vereinigten Staaten zu diskutieren.

Unbestrittenerweise sind die Vereinigten Staaten heute und noch auf absehbare Zeit in jeder Hinsicht die Nummer eins im Weltstaatensystem. Doch dieselben Politiker und Experten, die dies konstatieren, ziehen aus demselben Sachverhalt die unterschiedlichsten Schlüsse. In der Kakophonie des pluralistischen Diskurses, so lesen wir jetzt, seien seit langem vier altvertraute Leitmotive zu vernehmen: erstens das Leitmotiv eines unverfälschten amerikanischen Nationalismus, oft in Tateinheit mit Neo-Isolationismus, zweitens die Vorstellungen der auch hierzulande bestens bekannten Realpolitiker vom Typ Henry Kissinger oder George Kennan, drittens das besonders heutzutage sehr beliebte Konzept selbstbewußt-wohlwollender amerikanischer Führerschaft und viertens die Weltordnungsideen der idealistischen Internationalisten.

Dies sind gewiß keine umwerfend neuen Erkenntnisse. Doch hierzulande neigt man bekanntlich dazu, alle Aufmerksamkeit auf die jeweilige Administration zu fixieren, mit deren Auffassungen man sympathisiert oder die man verwirft. So ist es immer von Nutzen, an die wirre Vielfalt außenpolitischer Strömungen erinnert zu werden, die in der großen Republik auftreten und sich dort durchsetzen.

Amerikanische Nationalisten und Neo-Isolationisten möchten, so führt Nau recht plausibel aus, die zusehends chaotischer werdende Staatengesellschaft möglichst weitgehend wieder sich selbst überlassen. "Der Starke", so hieß es einstmals bei Schiller, "ist am mächtigsten allein." Demgegenüber plädieren die Realisten für globale Allianzen, für selektiven Einsatz von Militärmacht und für klassische Gleichgewichtspolitik gegen die jeweils aktuellen Unruhestifter. Vorgestern war das Deutschland, gestern die Sowjetunion, heute sind das die "Schurkenstaaten" Irak und Iran, morgen ist das vielleicht China. Universelle Demokratisierung oder universelle Friedenssicherung sind nach dieser Auffassung bloße Wunschträume, denen ein verkatertes Aufwachen folgt.

Eine weitere Denkschule, die der Verfechter weltpolitischer Führerschaft der Vereinigten Staaten, ist von den Realisten nicht allzu weit entfernt. Da die amerikanische Demokratie und die freie Unternehmerwirtschaft so offensichtliche Vorzüge beinhalten, scheint es ihnen legitim, diese Ordnungsformen weltweit zu verteidigen und auszubreiten. Erfreulicherweise, so konstatiert man in diesem Lager, ist Amerika Nummer eins in der Welt, deshalb solle es auch vor einer "wohlwollenden Hegemonie" - wie William Kristol und Robert Kagan dies nennen - nicht zimperlich zurückschrecken.

Das Drohen der Bösewichte

Wie man weiß, plädieren jedoch die domestizierten Japaner oder die Kontinentaleuropäer immer dann, wenn antidemokratische Bösewichte drohen, für eine Predigt an die Haifische und warnen mit besorgtem Tremolo in der Stimme vor amerikanischen "Abenteuern". Aber Amerika, so meinen die Exponenten dieser selbstbewußten Denkschule, dürfe sich durch militärisch machtlose und moralisch doppelzüngige Bedenkenträger nicht vom Handeln abhalten lassen.

Schließlich die Internationalisten auf der Politszene der Vereinigten Staaten. Ihre Auffassungen sind hierzulande bei den Grünen, bei der SPD und bei den Geißlers in der CDU besonders willkommen. Prinzipiell multilaterales Vorgehen, Gewaltmonopol der Vereinten Nationen, globale Menschenrechtspolitik, humanitäre Interventionen (allerdings nur UN-sanktioniert) und Entwicklungshilfe als langfristige Maßnahme gegen verzweifelte Gewaltanwendung der Benachteiligten stehen hier wie dort im Zentrum der Programmatik.

Die aus Sicht der Außenwelt nicht erst heute irritierenden Schwankungen amerikanischer Weltpolitik resultieren, das analysiert Nau einleuchtend, letztlich aus dem Überwiegen der einen oder der anderen Richtung. Auf lange Sicht läßt sich in der Tat eine zyklische Abfolge registrieren: Auf Phasen der Realpolitik (im Ersten und Zweiten Weltkrieg, doch auch im Kalten Krieg) folgen nach siegreichem Bestehen der Bedrohung kurze internationalistische Phasen (1919/20, 1945 bis 1947, erneut kurz nach dem Kalten Krieg). Darauf folgen wiederum Phasen enttäuschter oder erbitterter Aufwallungen des Nationalismus (so Isolationismus in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, doch auch der heutige "Krieg gegen den Terrorismus").

Gibt es Alternativen zu diesem zyklischen Experimentieren Washingtons mit widersprüchlichsten Konzepten? Henry Nau wäre kein echter Professor, wenn er das nicht glauben und ein schönes eigenes Konzept entfalten würde. Mit wohlwollendem Ernst, unterstützt von offenbar unverzichtbaren Grafiken, macht er darauf aufmerksam, daß sich die Vereinigten Staaten in einer Gemeinschaft gleichfalls stabiler Demokratien mit marktwirtschaftlicher Ordnung befinden (Kanada, die EU-Länder und das seiner Meinung zufolge unter Clinton zugunsten Chinas vernachlässigte Japan). Viele andere Länder in Lateinamerika oder Osteuropa seien gleichfalls auf gutem Wege. Somit könne und solle Amerika weitsichtig und auch ein wenig großzügig eine Außenpolitik "dauerhafter Partnerschaft" betreiben. Was an diesem Konzept besonders neuartig sein soll, ist zwar nicht recht ersichtlich. Doch die Botschaft dieses realistischen "Konstruktivisten", wie er sich selbst nennt, hört man gern, besonders in Europa.

Ein paar Zweifel kommen dem Leser lediglich beim Studium des Anmerkungsapparats. Unter Hunderten von Büchern und Aufsätzen findet sich dort kein einziger Titel in einer der nichtenglischen Kultursprachen des alten Europa. Wie aber soll eigentlich das akademische Establishment der Supermacht Nummer eins zu einer auch nur halbwegs partnerschaftlichen Rolle im Kreis der Demokratien Europas finden, wenn es sein Weltbild nur noch aus englischsprachigen Quellen und Darstellungen zurechtzimmert, zu deren Überprüfung an Quellen in den Landessprachen entweder die Sprachkenntnisse oder die Neugier fehlen? Man müßte dann nicht von Arroganz, wohl aber von Ignoranz der Macht sprechen.

HANS-PETER SCHWARZ

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