Klaus Kreiser über den Gründer der Türkei – die große Biographie
70. Todestag Atatürks am 10. November 2008
Klaus Kreiser erzählt höchst anschaulich das Leben Mustafa Kemal Atatürks (1881–1938) und zeigt, wie die historischen Umstände und die richtigen Verbindungen, aber auch Machtbewußtsein und Charisma einen einzigartigen Aufstieg ermöglicht haben. Mit diesem Standardwerk liegt die erste von einem deutschen Historiker verfasste Atatürk-Biographie vor.
Schon zu seinen Lebzeiten setzte der Personenkult um den visionären und entscheidungsstarken Mann mit der Lammfellmütze ein, der westliche wie östliche Beobachter beeindruckte. Gegen den Widerstand der Sieger des Ersten Weltkriegs erkämpfte er die Unabhängigkeit und rief 1923 den ersten türkischen Nationalstaat aus. Atatürk verordnete einen beispiellosen Traditionsbruch: Das altehrwürdige Sultanat und das Kalifat wurden abgeschafft, Turbane, Fese und Gesichtsschleier aus der Öffentlichkeit verbannt. Die Hauptstadt wurde von Istanbul nach Ankara verlegt, die arabische Schrift durch die lateinische ersetzt und das islamische Bildungswesen rigoros unterdrückt. Europäische Gesetze sorgten für die Gleichstellung der Frauen. Wie konnte ein aus bescheidenen Verhältnissen stammender Berufssoldat zum Staatschef und Kulturrevolutionär werden? Klaus Kreiser schildert auf der Grundlage zahlreicher neuer Quellen den Lebensweg Mustafa Kemals von seinen frühen Jahren als Militärschüler und Verteidiger des osmanischen Erbes bis zum nationalistischen und autoritären Reformer der Türkei.
70. Todestag Atatürks am 10. November 2008
Klaus Kreiser erzählt höchst anschaulich das Leben Mustafa Kemal Atatürks (1881–1938) und zeigt, wie die historischen Umstände und die richtigen Verbindungen, aber auch Machtbewußtsein und Charisma einen einzigartigen Aufstieg ermöglicht haben. Mit diesem Standardwerk liegt die erste von einem deutschen Historiker verfasste Atatürk-Biographie vor.
Schon zu seinen Lebzeiten setzte der Personenkult um den visionären und entscheidungsstarken Mann mit der Lammfellmütze ein, der westliche wie östliche Beobachter beeindruckte. Gegen den Widerstand der Sieger des Ersten Weltkriegs erkämpfte er die Unabhängigkeit und rief 1923 den ersten türkischen Nationalstaat aus. Atatürk verordnete einen beispiellosen Traditionsbruch: Das altehrwürdige Sultanat und das Kalifat wurden abgeschafft, Turbane, Fese und Gesichtsschleier aus der Öffentlichkeit verbannt. Die Hauptstadt wurde von Istanbul nach Ankara verlegt, die arabische Schrift durch die lateinische ersetzt und das islamische Bildungswesen rigoros unterdrückt. Europäische Gesetze sorgten für die Gleichstellung der Frauen. Wie konnte ein aus bescheidenen Verhältnissen stammender Berufssoldat zum Staatschef und Kulturrevolutionär werden? Klaus Kreiser schildert auf der Grundlage zahlreicher neuer Quellen den Lebensweg Mustafa Kemals von seinen frühen Jahren als Militärschüler und Verteidiger des osmanischen Erbes bis zum nationalistischen und autoritären Reformer der Türkei.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2008General, Staatsmann, Oberlehrer
Klaus Kreiser schildert spannend das Leben und das Wirken des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk
Nicht nur, weil die Türkei in diesem Jahr Ehrengast der Frankfurter Buchmesse ist, sondern vor allem, weil sich das Land in einem interessanten Prozess der Veränderung befindet, muss eine neue Biographie Mustafa Kemal Atatürks ((1881 bis 1938) großes Interesse wecken. Vieles spricht dafür, dass Klaus Kreiser - emeritierter Turkologe aus Bamberg - eine Biographie verfasst hat, die für lange Zeit schwer zu übertreffen sein wird. Er schildert die Vita und das Wirken des "Türkenvaters" und Gründers der Türkischen Republik in einer Weise, die sich wohltuend von den unkritischen Lobeshymnen früherer Biographen abhebt, zumal in der Türkei. Als Turkologe kann sich Kreiser ausgiebig auf türkische wie osmanische Originalquellen stützen, die - der Sprache wegen - anderen deutschen oder europäischen Historikern nicht zugänglich sind.
Es entsteht ein Bild des Republikgründers und Kulturrevolutionärs, das eindringlich die positiven Seiten seiner historischen Mission, doch auch die problematischen ohne Aufgeregtheit und polarisierende Wertungen schildert. Kreiser will weder glorifizieren noch destruieren, sondern einfach beschreiben, wie es war: Vom kleinen Haus in Saloniki (Selânik), wo Kemal geboren wurde, bis zum pompösen Dolmabahçe-Palast in Istanbul, in dem er starb und von wo aus er, der "Gazi" (Glaubenskämpfer), der "ebedî sef" (ewige Anführer) oder "ebedî ata" (ewiger Vater, wie die Zeitung "Cumhuriyet" ihn nach seinem Tod auf der ersten Seite nannte) nach Ankara überführt wurde, in "seine" Hauptstadt, die er dem neuen Staat in der anatolischen Steppe verordnet hatte. Dort ruht er bis heute in seinem Mausoleum, dessen Besuch ein Pflichttermin für auswärtige Staatsmänner ist - so wie seine berühmte "Rede an die Jugend" Pflichtlektüre für die türkischen Schüler wurde und das Buch "Nutuk", in dem Atatürk 1927 seine Version der türkischen Revolution in einer länger als sechs Tage dauernden Rede zum Besten gab, die Pflichtlektüre der türkischen Historiker. An "Nutuk" haben sich alle hochkemalistisch ausgerichteten Geschichtsschreiber des Landes zu orientieren.
Atatürk war Militär und blieb es, was das strategische Denken anbelangt, auch als ziviler Präsident. Beharrlichkeit brachte ihn zu Zeiten der letzten Sultane und in der Jungtürkischen Revolution nach oben. Im Ersten Weltkrieg siegte er an der Seite der deutschen Verbündeten auf Gallipoli (Anafartalar), danach demütigte er die Truppen des Sultans und vertrieb die Griechen, die geglaubt hatten, die Gunst der Stunde für eine Wiedereroberung Kleinasiens nutzen zu können. Kreiser schildert all diese Ereignisse so anschaulich, dass sie sich auch spannend lesen. Als Anführer einer Gegenregierung bootete Atatürk von Anatolien aus seine Gegner in Istanbul aus, dabei unterstützt von Gefährten, die ihm meistens blind ergeben waren. Schon seit 1919 war Mustafa Kemal entschlossen, seiner inneren Vision zu folgen und einen gänzlich neuen Staat zu schaffen - mit völlig neuen Werten. Er tat dies autoritär, jedoch auch mit Hilfe der Nationalversammlung, in der seine Leute die Oberhand hatten. Zur Not half man etwas nach. Solange Atatürk lebte (und noch ein erhebliches Stück darüber hinaus), gab es nur eine Partei: die Seine, die Republikanische Volkspartei (CHP) als Transmissionsriemen seiner Ideen. Versuche mit einer Oppositionspartei scheiterten. All das wird differenziert dargelegt. Viele Ideen wurden in der "Tafelrunde" beredet, in der sich Atatürk mit seinen Getreuen traf, dem Raki zusprach und Linien der Politik vorgab.
Unter Atatürk erreichte man 1923 in Lausanne die Revision der demütigenden Teilungsabkommen von Sèvres, man schaffte das Sultanat und Kalifat ab, dazu die religiöse Gerichtsbarkeit. Man übernahm westliche Rechtssysteme. Die religiösen Orden wurden verboten. Männer und Frauen wurden per Gesetz gleichgestellt. Das "Hutgesetz" verabreichte den Männern europäische Kopfbedeckungen anstelle des Fes. 1928 wurde die Lateinschrift abgeschafft und durch ein "lateinisches" Alphabet ersetzt. Atatürk lehrte die neuen Buchstaben selbst - ein Bruch mit der islamischen Vergangenheit, wie man ihn sich tiefer kaum vorstellen kann. Eine Kommission reinigte die Sprache von arabischen und persischen Wörtern, die neue türkische Geschichtsvision sollte das Osmanische Reich zur Episode innerhalb einer neuen national-türkischen Geschichte erklären - und vieles mehr. 1935 erhielten die Türken Familiennamen.
Anschaulich beschreibt Kreiser, dass es selbst aus dem engen Zirkel um Atatürk manche Widerstände gab. Leute wie Rauf Orbay, um nur den Bekanntesten zu nennen, fanden, bei grundsätzlicher Zustimmung, es gehe doch vieles zu weit und zu schnell. Vor allem Atatürks gering entwickelter Sinn für die Religion und ihre Bedeutung für die Kultur der Türken verstörte viele. In Izmir kam es zu einem Attentatsversuch, den man prompt diesen Kreisen anlastete. Den Aufstand des kurdischen Scheichs Said 1925 ließ der Staatspräsident brutal niederschlagen, anstelle sich zu arrangieren, was möglich gewesen wäre. Diese Wunde klafft bis heute, die Kurdenfrage gehört - neben der Frage, wie viel Öffentlichkeit der Religion zukommen dürfe - zu den ungelösten Konflikten des Landes.
Kreiser überlässt dem Leser selbst die Beurteilung der Person Atatürks, seiner Politik und ihrer Auswirkungen, doch gibt er ihm schon einige Hilfen an die Hand. Dass Atatürk ein charismatischer Führer war, der die alte Türkei in eine neue umformte, der sie modernisierte und dem Land zahlreiche Impulse mitgab, die bis heute wirken, ist unbestritten. Mit dem teilweise unerträglichen, wenn auch verständlichen Personenkult, der schon zu Lebzeiten einsetzte, geht er hingegen kritisch ins Gericht. Auch die Homogenität einer türkischen Nation, die Atatürk gegen die Minderheiten, vor allem die Kurden, durchsetzte, muss heute mehr und mehr als Problem angesehen werden.
Atatürks historisches Wirken und sein persönlicher Stil waren autoritär, erinnern an die Diktaturen jener Zeit. Doch gibt es wesentliche Unterschiede: In seiner jungen Republik gab es keine säbelrasselnden Armeeparaden, keine Hetzreden gegen andere Nationen. Mit dem jahrhundertealten Angstgegener Russland (Sowjetunion) arrangierte sich der Gazi. In der Außenpolitik lehnte er alle Abenteuer ab. "Yurtta sulh, cihanda sulh - Frieden in der Jurte (Heimat), Friede in der Welt" war seine Devise. Pantürkische Eskapaden lehnte er ab. Kreiser sieht ihn mehr als autoritären "Oberlehrer" denn als Diktator. Die heutige Spaltung der türkischen Gesellschaft wurzelt freilich ebenso in seiner Politik wie die positiven Elemente.
WOLFGANG GÜNTER LERCH
Klaus Kreiser: Atatürk. Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2008. 334 S., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Klaus Kreiser schildert spannend das Leben und das Wirken des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk
Nicht nur, weil die Türkei in diesem Jahr Ehrengast der Frankfurter Buchmesse ist, sondern vor allem, weil sich das Land in einem interessanten Prozess der Veränderung befindet, muss eine neue Biographie Mustafa Kemal Atatürks ((1881 bis 1938) großes Interesse wecken. Vieles spricht dafür, dass Klaus Kreiser - emeritierter Turkologe aus Bamberg - eine Biographie verfasst hat, die für lange Zeit schwer zu übertreffen sein wird. Er schildert die Vita und das Wirken des "Türkenvaters" und Gründers der Türkischen Republik in einer Weise, die sich wohltuend von den unkritischen Lobeshymnen früherer Biographen abhebt, zumal in der Türkei. Als Turkologe kann sich Kreiser ausgiebig auf türkische wie osmanische Originalquellen stützen, die - der Sprache wegen - anderen deutschen oder europäischen Historikern nicht zugänglich sind.
Es entsteht ein Bild des Republikgründers und Kulturrevolutionärs, das eindringlich die positiven Seiten seiner historischen Mission, doch auch die problematischen ohne Aufgeregtheit und polarisierende Wertungen schildert. Kreiser will weder glorifizieren noch destruieren, sondern einfach beschreiben, wie es war: Vom kleinen Haus in Saloniki (Selânik), wo Kemal geboren wurde, bis zum pompösen Dolmabahçe-Palast in Istanbul, in dem er starb und von wo aus er, der "Gazi" (Glaubenskämpfer), der "ebedî sef" (ewige Anführer) oder "ebedî ata" (ewiger Vater, wie die Zeitung "Cumhuriyet" ihn nach seinem Tod auf der ersten Seite nannte) nach Ankara überführt wurde, in "seine" Hauptstadt, die er dem neuen Staat in der anatolischen Steppe verordnet hatte. Dort ruht er bis heute in seinem Mausoleum, dessen Besuch ein Pflichttermin für auswärtige Staatsmänner ist - so wie seine berühmte "Rede an die Jugend" Pflichtlektüre für die türkischen Schüler wurde und das Buch "Nutuk", in dem Atatürk 1927 seine Version der türkischen Revolution in einer länger als sechs Tage dauernden Rede zum Besten gab, die Pflichtlektüre der türkischen Historiker. An "Nutuk" haben sich alle hochkemalistisch ausgerichteten Geschichtsschreiber des Landes zu orientieren.
Atatürk war Militär und blieb es, was das strategische Denken anbelangt, auch als ziviler Präsident. Beharrlichkeit brachte ihn zu Zeiten der letzten Sultane und in der Jungtürkischen Revolution nach oben. Im Ersten Weltkrieg siegte er an der Seite der deutschen Verbündeten auf Gallipoli (Anafartalar), danach demütigte er die Truppen des Sultans und vertrieb die Griechen, die geglaubt hatten, die Gunst der Stunde für eine Wiedereroberung Kleinasiens nutzen zu können. Kreiser schildert all diese Ereignisse so anschaulich, dass sie sich auch spannend lesen. Als Anführer einer Gegenregierung bootete Atatürk von Anatolien aus seine Gegner in Istanbul aus, dabei unterstützt von Gefährten, die ihm meistens blind ergeben waren. Schon seit 1919 war Mustafa Kemal entschlossen, seiner inneren Vision zu folgen und einen gänzlich neuen Staat zu schaffen - mit völlig neuen Werten. Er tat dies autoritär, jedoch auch mit Hilfe der Nationalversammlung, in der seine Leute die Oberhand hatten. Zur Not half man etwas nach. Solange Atatürk lebte (und noch ein erhebliches Stück darüber hinaus), gab es nur eine Partei: die Seine, die Republikanische Volkspartei (CHP) als Transmissionsriemen seiner Ideen. Versuche mit einer Oppositionspartei scheiterten. All das wird differenziert dargelegt. Viele Ideen wurden in der "Tafelrunde" beredet, in der sich Atatürk mit seinen Getreuen traf, dem Raki zusprach und Linien der Politik vorgab.
Unter Atatürk erreichte man 1923 in Lausanne die Revision der demütigenden Teilungsabkommen von Sèvres, man schaffte das Sultanat und Kalifat ab, dazu die religiöse Gerichtsbarkeit. Man übernahm westliche Rechtssysteme. Die religiösen Orden wurden verboten. Männer und Frauen wurden per Gesetz gleichgestellt. Das "Hutgesetz" verabreichte den Männern europäische Kopfbedeckungen anstelle des Fes. 1928 wurde die Lateinschrift abgeschafft und durch ein "lateinisches" Alphabet ersetzt. Atatürk lehrte die neuen Buchstaben selbst - ein Bruch mit der islamischen Vergangenheit, wie man ihn sich tiefer kaum vorstellen kann. Eine Kommission reinigte die Sprache von arabischen und persischen Wörtern, die neue türkische Geschichtsvision sollte das Osmanische Reich zur Episode innerhalb einer neuen national-türkischen Geschichte erklären - und vieles mehr. 1935 erhielten die Türken Familiennamen.
Anschaulich beschreibt Kreiser, dass es selbst aus dem engen Zirkel um Atatürk manche Widerstände gab. Leute wie Rauf Orbay, um nur den Bekanntesten zu nennen, fanden, bei grundsätzlicher Zustimmung, es gehe doch vieles zu weit und zu schnell. Vor allem Atatürks gering entwickelter Sinn für die Religion und ihre Bedeutung für die Kultur der Türken verstörte viele. In Izmir kam es zu einem Attentatsversuch, den man prompt diesen Kreisen anlastete. Den Aufstand des kurdischen Scheichs Said 1925 ließ der Staatspräsident brutal niederschlagen, anstelle sich zu arrangieren, was möglich gewesen wäre. Diese Wunde klafft bis heute, die Kurdenfrage gehört - neben der Frage, wie viel Öffentlichkeit der Religion zukommen dürfe - zu den ungelösten Konflikten des Landes.
Kreiser überlässt dem Leser selbst die Beurteilung der Person Atatürks, seiner Politik und ihrer Auswirkungen, doch gibt er ihm schon einige Hilfen an die Hand. Dass Atatürk ein charismatischer Führer war, der die alte Türkei in eine neue umformte, der sie modernisierte und dem Land zahlreiche Impulse mitgab, die bis heute wirken, ist unbestritten. Mit dem teilweise unerträglichen, wenn auch verständlichen Personenkult, der schon zu Lebzeiten einsetzte, geht er hingegen kritisch ins Gericht. Auch die Homogenität einer türkischen Nation, die Atatürk gegen die Minderheiten, vor allem die Kurden, durchsetzte, muss heute mehr und mehr als Problem angesehen werden.
Atatürks historisches Wirken und sein persönlicher Stil waren autoritär, erinnern an die Diktaturen jener Zeit. Doch gibt es wesentliche Unterschiede: In seiner jungen Republik gab es keine säbelrasselnden Armeeparaden, keine Hetzreden gegen andere Nationen. Mit dem jahrhundertealten Angstgegener Russland (Sowjetunion) arrangierte sich der Gazi. In der Außenpolitik lehnte er alle Abenteuer ab. "Yurtta sulh, cihanda sulh - Frieden in der Jurte (Heimat), Friede in der Welt" war seine Devise. Pantürkische Eskapaden lehnte er ab. Kreiser sieht ihn mehr als autoritären "Oberlehrer" denn als Diktator. Die heutige Spaltung der türkischen Gesellschaft wurzelt freilich ebenso in seiner Politik wie die positiven Elemente.
WOLFGANG GÜNTER LERCH
Klaus Kreiser: Atatürk. Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2008. 334 S., 24,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Klaus Kreisers Atatürk-Biografie füllt eine Lücke, stellt Rezensent Stefan Reinecke nach der Lektüre befriedigt fest. Denn Kreisers Biografie des türkischen Staatsgründers sei nicht nur die erste, die auf Deutsch erscheint, sondern nach Reineckes Überzeugung zudem eine wissensreiche und genau recherchierte. Kreiser zeichne Mustafa Kemals Weg als den eines Autodidakten, der in Westeuropa die Moderne kennenlernte, die er nach Gründung der türkischen Republik als "Revolutionär von oben" seinem Staat verordnet habe . Auch eine Revision der Rolle der Frau nach westlichem Vorbild gehörte zu Atatürks "kulturrevolutionärem Programm", erfährt Reinecke. Trotz des überbordenden Personenkults sei Atatürks autokratische Herrschaft nicht mit den faschistischen Regimen in Italien und Spanien zu vergleichen, stellt Reinecke auch fest, denn Atatürk sei "kein charismatischer Tyrann, sondern ein schüchterner Oberlehrer" gewesen. Ein wenig von dieser Schüchternheit scheint auf seinen Biografen abgefärbt zu haben, denn so sehr der Rezensent dessen dezente Darstellung und umsichtiges Abwägen schätzt, so sehr vermisst er von ihm "ein paar Sätze zu Atatürks historischer Gesamtbilanz".
© Perlentaucher Medien GmbH
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