Athen und Sparta sind die beiden bekanntesten griechischen Stadtstaaten. Ihre äußere und innere Machtentfaltung und ihre gegensätzlichen Strukturen beeinflußten und beeindruckten bereits die gesamte griechische Welt. Aber wo lagen ihre grundsätzlichen Unterschiede? Wie entwickelte sich ihr Staats- und Gesellschaftsaufbau - hier Demokratie, dort Aristokratie? Wer waren die politisch und militärisch maßgeblichen Persönlichkeiten in diesem Prozeß? Welche geschichtlichen Ereignisse sind für die beiden Städte von prägender Bedeutung gewesen, wie sah ihre imperiale Politik aus? Warum brachte Athen ein blühendes Kulturleben hervor - und wie äußerte es sich -, während Sparta zunehmend kulturell verarmte? Welche Bedeutung kam dem Kult in beiden Städten zu? Und wieso war die Stellung der Frauen in beiden Gesellschaften so verschieden?
Martin Drehers moderne Einführung in die Geschichte Athens und Spartas gibt auf diese und viele andere Fragen erste Antworten, nennt die maßgeblichen Quellen und weist den Weg zu weiterführender Literatur.
Martin Drehers moderne Einführung in die Geschichte Athens und Spartas gibt auf diese und viele andere Fragen erste Antworten, nennt die maßgeblichen Quellen und weist den Weg zu weiterführender Literatur.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2002Soldaten nach Sparta heißt Keulen nach Athen tragen
Der Demokratie stand kein Militärstaat gegenüber: Martin Dreher vergleicht die beiden Hauptmächte des alten Griechenland
Der Dualismus zwischen Athen und Sparta war lange Zeit die Dominante nahezu jeder Griechischen Geschichte. Doch in den vergangenen Jahrzehnten kam es hier zur Priorität neuer Perspektiven: Parallel zur Verlagerung der archäologischen Arbeit und zur Konjunktur der Stadtforschung rückten lokal- und regionalgeschichtliche Ansätze in den Vordergrund, das "Dritte Griechenland und seine Staatenwelt" (Hans-Joachim Gehrke), die Welt der nahezu sechshundert selbständigen griechischen Poleis.
Die Konzeption des Magdeburger Althistorikers Martin Dreher mag daher zunächst überraschen: In seinem systematischen Vergleich der beiden griechischen Hauptmächte Athen und Sparta steht die Erfassung der gesellschaftlichen und politischen Grundstrukturen im Mittelpunkt; Religion und Kultur werden nur knapp erwähnt. Dank dieser Konzentration tritt die Eigenart der beiden Staaten, deren Ausstrahlung große Teile des Mittelmeerraumes erfaßte, besonders deutlich hervor. Die Untersuchung der bilateralen Kontakte zeigt zugleich die Wechselbeziehungen zwischen äußerer und innerer Politik in der Griechischen Geschichte.
In einem ersten Hauptteil werden zunächst Entstehung und Entwicklung der beiden Staaten bis zum Ende der archaischen Epoche vermittelt; die Darstellung setzt dabei jeweils mit den Problemen der Besiedlung und Staatsbildung ein. Im Falle Athens wird betont, daß die frühe Siedlung keine Monarchie kannte. Die ausführlich besprochenen solonischen Reformen sind zwischen 580 und 570 vor Christus angesetzt; die Bedeutung der Tyrannis der Peisistratiden wird reduziert. Für Sparta ist die Auswertung der Dichtungen des Tyrtaios als Quelle der Messenischen Kriege ebenso eindrucksvoll wie die Schilderung des spartanischen "Kosmos". Das Wirken eines Lykurg wird zu Recht in Frage gestellt, die frühe spartanische Verfassung durch eine Interpretation der "Großen Rhetra", eines von Plutarch überlieferten delphischen Orakelspruchs, vergegenwärtigt. Im Anschluß an die neuere Forschung rühmt auch Dreher die Kulturblüte des archaischen Sparta. Für dessen Machtbildung wird die Formierung des Peloponnesischen Bundes hervorgehoben. Ein prägnanter Vergleich rundet die Beschreibung der beiden Staaten ab.
Ausführlicher werden die Ereignisse des fünften Jahrhunderts vor Christus besprochen, als sich die athenische und die spartanische Geschichte denkbar eng verschränkten. Den tiefen Gegensatz zwischen den beiden Mächten sieht Dreher "durch die Andersartigkeit der inneren Ordnung" ebenso bestimmt wie "durch die machtpolitische Konkurrenz". Der Gegensatz sollte deshalb auch in der Folgezeit immer wieder durchbrechen.
Die kleisthenischen Reformen sind für den Autor mit dem "Beginn der Demokratie" identisch. Nach einer Darstellung der Perserkriege insistiert er auf den Rückwirkungen dieser Kämpfe: dem Aufstieg Athens zur Großmacht mit Hilfe des Delisch-Attischen Seebundes und dessen einseitiger Umwandlung in ein Herrschaftsinstrument hier, den Folgen des schweren Erdbebens von 464 vor Christus und des anschließenden großen Helotenaufstandes dort. Dieser Aufstand gab Drehers Ansicht nach den entscheidenden Impuls zur verschärften politischen Reglementierung in Sparta sowie zum systematischen Ausbau des gesamten Erziehungswesens, das auf eine umfassende Integration des einzelnen in den Staat abzielte.
Unter den Schlagworten "Freiheitliche Demokratie hier - geschlossener Gehorsamsstaat dort?" werden die demokratischen und oligarchischen Elemente der beiden Verfassungen, Gesetze und Gerichtswesen, die Privatsphäre der Bürger, Kulte und Kultur, die sozialen Gruppen jenseits der Vollbürger, dabei insbesondere auch die "Mythen" über die jeweilige Stellung der Frauen besprochen. Der traditionellen Auffassung Spartas als "Militärstaat" tritt Dreher entschieden entgegen.
Der Schlußteil behandelt konzentriert die Phänomene des vierten Jahrhunderts vor Christus, Spartas Vorherrschaft und den folgenden Wiederaufstieg Athens, den Machtverlust beider Staaten zwischen 371 und 338, eine Entwicklung, welche in Athen durch "demokratische Stabilität", in Sparta durch "soziale Destabilisierung" gekennzeichnet war. Im Gegensatz zu den Wertungen von Mogens Herman Hansen hält Dreher fest: "Wirklich fundamentale Differenzen zwischen der Demokratie des Perikles und der des Demosthenes existieren nicht." Der Anhang bietet in seinem Anmerkungsteil Belege und Hinweise auf die neueste Spezialliteratur sowie ein umfangreiches bibliographisches Verzeichnis. Neben dem Register und den fünf Karten wäre eine Zeittafel nützlich gewesen.
Insgesamt gibt der Verfasser einen zuverlässigen Querschnitt durch die derzeitige wissenschaftliche Diskussion. Angesichts des begrenzten Umfangs ist es verständlich, daß Drehers Darstellung mit dem konventionellen Datum von 338 vor Christus abbricht. Doch auf Grund der jüngsten Studien zur Entwicklung der beiden Städte in hellenistischer und römischer Zeit - erinnert sei nur an Christian Habichts herausragende Monographie von 1995 über das hellenistische Athen - wäre eine Erweiterung sinnvoll gewesen. In einer neuen Auflage sollte daneben auch die Rezeptionsgeschichte und damit die Bedeutung Athens und Spartas für die euro-amerikanische Kultur berücksichtigt werden, im Hinblick auf den gesteigerten Rechtfertigungsdruck auf die Alte Geschichte wohl keine überflüssige Aufgabe.
KARL CHRIST.
Martin Dreher: "Athen und Sparta". Verlag C.H. Beck, München 2001. 221 S., 5 Karten, br., 19,43 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Demokratie stand kein Militärstaat gegenüber: Martin Dreher vergleicht die beiden Hauptmächte des alten Griechenland
Der Dualismus zwischen Athen und Sparta war lange Zeit die Dominante nahezu jeder Griechischen Geschichte. Doch in den vergangenen Jahrzehnten kam es hier zur Priorität neuer Perspektiven: Parallel zur Verlagerung der archäologischen Arbeit und zur Konjunktur der Stadtforschung rückten lokal- und regionalgeschichtliche Ansätze in den Vordergrund, das "Dritte Griechenland und seine Staatenwelt" (Hans-Joachim Gehrke), die Welt der nahezu sechshundert selbständigen griechischen Poleis.
Die Konzeption des Magdeburger Althistorikers Martin Dreher mag daher zunächst überraschen: In seinem systematischen Vergleich der beiden griechischen Hauptmächte Athen und Sparta steht die Erfassung der gesellschaftlichen und politischen Grundstrukturen im Mittelpunkt; Religion und Kultur werden nur knapp erwähnt. Dank dieser Konzentration tritt die Eigenart der beiden Staaten, deren Ausstrahlung große Teile des Mittelmeerraumes erfaßte, besonders deutlich hervor. Die Untersuchung der bilateralen Kontakte zeigt zugleich die Wechselbeziehungen zwischen äußerer und innerer Politik in der Griechischen Geschichte.
In einem ersten Hauptteil werden zunächst Entstehung und Entwicklung der beiden Staaten bis zum Ende der archaischen Epoche vermittelt; die Darstellung setzt dabei jeweils mit den Problemen der Besiedlung und Staatsbildung ein. Im Falle Athens wird betont, daß die frühe Siedlung keine Monarchie kannte. Die ausführlich besprochenen solonischen Reformen sind zwischen 580 und 570 vor Christus angesetzt; die Bedeutung der Tyrannis der Peisistratiden wird reduziert. Für Sparta ist die Auswertung der Dichtungen des Tyrtaios als Quelle der Messenischen Kriege ebenso eindrucksvoll wie die Schilderung des spartanischen "Kosmos". Das Wirken eines Lykurg wird zu Recht in Frage gestellt, die frühe spartanische Verfassung durch eine Interpretation der "Großen Rhetra", eines von Plutarch überlieferten delphischen Orakelspruchs, vergegenwärtigt. Im Anschluß an die neuere Forschung rühmt auch Dreher die Kulturblüte des archaischen Sparta. Für dessen Machtbildung wird die Formierung des Peloponnesischen Bundes hervorgehoben. Ein prägnanter Vergleich rundet die Beschreibung der beiden Staaten ab.
Ausführlicher werden die Ereignisse des fünften Jahrhunderts vor Christus besprochen, als sich die athenische und die spartanische Geschichte denkbar eng verschränkten. Den tiefen Gegensatz zwischen den beiden Mächten sieht Dreher "durch die Andersartigkeit der inneren Ordnung" ebenso bestimmt wie "durch die machtpolitische Konkurrenz". Der Gegensatz sollte deshalb auch in der Folgezeit immer wieder durchbrechen.
Die kleisthenischen Reformen sind für den Autor mit dem "Beginn der Demokratie" identisch. Nach einer Darstellung der Perserkriege insistiert er auf den Rückwirkungen dieser Kämpfe: dem Aufstieg Athens zur Großmacht mit Hilfe des Delisch-Attischen Seebundes und dessen einseitiger Umwandlung in ein Herrschaftsinstrument hier, den Folgen des schweren Erdbebens von 464 vor Christus und des anschließenden großen Helotenaufstandes dort. Dieser Aufstand gab Drehers Ansicht nach den entscheidenden Impuls zur verschärften politischen Reglementierung in Sparta sowie zum systematischen Ausbau des gesamten Erziehungswesens, das auf eine umfassende Integration des einzelnen in den Staat abzielte.
Unter den Schlagworten "Freiheitliche Demokratie hier - geschlossener Gehorsamsstaat dort?" werden die demokratischen und oligarchischen Elemente der beiden Verfassungen, Gesetze und Gerichtswesen, die Privatsphäre der Bürger, Kulte und Kultur, die sozialen Gruppen jenseits der Vollbürger, dabei insbesondere auch die "Mythen" über die jeweilige Stellung der Frauen besprochen. Der traditionellen Auffassung Spartas als "Militärstaat" tritt Dreher entschieden entgegen.
Der Schlußteil behandelt konzentriert die Phänomene des vierten Jahrhunderts vor Christus, Spartas Vorherrschaft und den folgenden Wiederaufstieg Athens, den Machtverlust beider Staaten zwischen 371 und 338, eine Entwicklung, welche in Athen durch "demokratische Stabilität", in Sparta durch "soziale Destabilisierung" gekennzeichnet war. Im Gegensatz zu den Wertungen von Mogens Herman Hansen hält Dreher fest: "Wirklich fundamentale Differenzen zwischen der Demokratie des Perikles und der des Demosthenes existieren nicht." Der Anhang bietet in seinem Anmerkungsteil Belege und Hinweise auf die neueste Spezialliteratur sowie ein umfangreiches bibliographisches Verzeichnis. Neben dem Register und den fünf Karten wäre eine Zeittafel nützlich gewesen.
Insgesamt gibt der Verfasser einen zuverlässigen Querschnitt durch die derzeitige wissenschaftliche Diskussion. Angesichts des begrenzten Umfangs ist es verständlich, daß Drehers Darstellung mit dem konventionellen Datum von 338 vor Christus abbricht. Doch auf Grund der jüngsten Studien zur Entwicklung der beiden Städte in hellenistischer und römischer Zeit - erinnert sei nur an Christian Habichts herausragende Monographie von 1995 über das hellenistische Athen - wäre eine Erweiterung sinnvoll gewesen. In einer neuen Auflage sollte daneben auch die Rezeptionsgeschichte und damit die Bedeutung Athens und Spartas für die euro-amerikanische Kultur berücksichtigt werden, im Hinblick auf den gesteigerten Rechtfertigungsdruck auf die Alte Geschichte wohl keine überflüssige Aufgabe.
KARL CHRIST.
Martin Dreher: "Athen und Sparta". Verlag C.H. Beck, München 2001. 221 S., 5 Karten, br., 19,43 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Die Vorurteile, die lange Zeit auch Urteile der Geschichtswissenschaft waren, sind bekannt: Sparta war der "idealtypische Militärstaat" des antiken Griechenland. Dieses Bild ist mittlerweile "in vielfacher Hinsicht revidiert worden", stellt Stefan Rebenich in seiner Rezension fest, und Martin Dreher fasst den aktuellen Forschungsstand im Städtevergleich mit Athen zusammen. Gerade der vergleichende Blick ermögliche es, die "Gemeinsamkeiten und Unterschiede" zwischen Sparta und Athen herauszuarbeiten. Es gelingt Dreher dabei, und dafür verdient er, wie Rebenich findet, "besonderes Lob", die Verbindung von "Ereignis- und Strukturgeschichte". Zugleich bleibt die Komplexität der Forschungslage, die besonders mit der problematischen Quellensituation zusammenhängt, stets gewahrt. Einzig die zentrale Crux, dass die Kenntnis Spartas fast ausschließlich athenischen Quellen zu verdanken ist, hätte, wie der Rezensent leise anmerkt, etwas "ausführlicher reflektiert" werden können. Dies aber ist der einzige Kritikpunkt an einem Buch, für das Rebenich sonst nur Lob kennt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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