Produktdetails
- Verlag: SVB Sportverlag Berlin
- ISBN-13: 9783328006824
- ISBN-10: 3328006826
- Artikelnr.: 25554622
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.1996Atlanta und der rote Faden beim Stricken mit heißer Nadel
Der Schnellschuß ist eine olympische Waffengattung, die Verlegern früher mehr Verdienst als Verdienste eingebracht hat - den größten dem, der den Spurt zwischen Schlußfeier und Buchhandlung am flinksten schaffte. Doch obwohl Olympiabücher dank moderner Übertragungs- und Produktionstechnik heute nach wenigen Tagen auf dem Tisch liegen, und das in oft erstaunlicher Qualität, wirft das Geschäft längst nicht mehr soviel ab wie einst in den siebziger Jahren. Der olympische Enthusiasmus hat ab-, die Konkurrenz anderer Medien zugenommen, und deshalb zogen sich Verlage wie Südwest oder Lingen aus der olympischen Buchmacherei zurück, ebenso das auf Billigproduktionen für Supermärkte und Kaffeegeschäfte spezialisierte Haus Naumann & Göbel. Den Markt der Sonderangebote gibt es aber weiterhin. Ihn bedienen nach Atlanta für jeweils knapp dreißig Mark der Otto-Versand und Dieter Kürten mit einer simpel gestrickten Chronologie der Ereignisse sowie Quelle mit einem bunten Broschurband, dessen journalistischer Wert den des Versandhauskataloges nicht wesentlich übersteigt. Wer Solideres will, findet es für nur zehn Mark mehr im Regal der Buchhandlung und hat dabei die Wahl zwischen drei Werken, die ihr Geld wert sind.
Den optisch besten Auftritt hat, dank der Fotos der Agentur Bongarts und eines Layouts, das deren Brillanz zur Geltung bringt, das von Gerd Rubenbauer im Chronik-Verlag herausgegebene Buch. Die Funktion des Fernsehmannes beschränkt sich auf sein verkaufsförderndes Lächeln auf Seite fünf und drei knappe Texte, die immerhin ein sehr pointiertes Urteil über Atlanta abgeben ("die Spiele der fliegenden Händler und nicht der Athleten").
Zu einem anderen Urteil, nämlich dem, daß in Atlanta in Wirklichkeit allein den Athleten die olympische Bühne gehört habe, kommt Buch-Veteran Harry Valérien in einer differenzierteren Bilanz der Spiele. Sie ist seinem im Berliner Sportverlag erschienenen Buch vorangestellt, das schon fünf Tage nach der Schlußfeier auf dem Markt war. Der frühere ZDF-Reporter widersteht dabei der europäischen Versuchung, die Spiele in Bausch und Bogen zu verurteilen. Er macht sich die Mühe, auch das Positive herauszuarbeiten. Denn Olympia ist für Valérien "noch nicht reif, als unvergleichliches Spektakel fallengelassen zu werden". Das Buch des Sportverlags ist optisch nicht das gelungenste, dafür inhaltlich das fundierteste und am breitesten gefächerte der drei Atlanta-Bücher. Es behandelt Themen wie Doping, Technik oder Medizin über die reine Ereignis-und Ergebnisberichterstattung hinaus. Zudem übertrifft es mit seinem detaillierten Ergebnisteil das Rubenbauer-Buch deutlich.
Noch detaillierter ist die Statistik des Copress-Buches, des einzigen, das sich nicht eines prominenten Herausgebers bedient, sondern auf die Qualitäten einer Fach-Presseagentur, des Sportinformationsdienstes, setzt. Doch fehlt dem Werk ein wenig jener rote Faden, der beim Stricken mit heißer Nadel so leicht verlorengeht. Solide, ohne großen textlichen oder optischen Glanz, ist es mehr ein zuverlässiges Nachschlagewerk als ein Lesebuch. Wer aber zum Beispiel nachsehen möchte, mit welchen Einzelleistungen der Sechste im Zehnkampf ins Ziel kam oder wie viele Fehlversuche bei welchen Höhen die besten Hochspringer zeigten, wird nur hier fündig. Vielleicht sucht, wer im 21. Jahrhundert ins Regal greift, gerade das.
Welche Eindrücke dann wohl von diesen eigenartigen Spielen geblieben sein werden? Hinweise geben die sichtbaren Antworten auf die Buchmacherfrage: Welches Bild auf den Umschlag? Carl Lewis wird demnach überleben, zumindest in deutschen Buchregalen. Und Frank Busemann, den Copress im Handschlag mit Dan O'Brien aufs Cover genommen hat. Michael Johnson dagegen verschwindet irgendwo tief zwischen den Buchdeckeln. Vielleicht hat da die Erinnerung an einen anderen Johnson mitgespielt, der den olympischen Buchmachern schon einmal, vor acht Jahren, das Geschäft vermasselt hat. CHRISTIAN EICHLER
Besprochene Bücher: "Olympische Sommerspiele Atlanta `96", herausgegeben von Gerd Rubenbauer, Chronik Verlag, Gütersloh, 192 Seiten, circa 500 Fotos, 39,90 Mark; "Atlanta - das Olympiabuch 1996", herausgegeben von Harry Valérien, Sportverlag, Berlin, 240 Seiten, circa 300 Fotos, 39,90 Mark; "Olympische Spiele Atlanta 1996", Copress Verlag, München, 192 Seiten, 330 Fotos, 39,80 Mark; "Olympische Reiterspiele", Jahr-Verlag, 80 Seiten, 200 Fotos, 24,80 Mark.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Schnellschuß ist eine olympische Waffengattung, die Verlegern früher mehr Verdienst als Verdienste eingebracht hat - den größten dem, der den Spurt zwischen Schlußfeier und Buchhandlung am flinksten schaffte. Doch obwohl Olympiabücher dank moderner Übertragungs- und Produktionstechnik heute nach wenigen Tagen auf dem Tisch liegen, und das in oft erstaunlicher Qualität, wirft das Geschäft längst nicht mehr soviel ab wie einst in den siebziger Jahren. Der olympische Enthusiasmus hat ab-, die Konkurrenz anderer Medien zugenommen, und deshalb zogen sich Verlage wie Südwest oder Lingen aus der olympischen Buchmacherei zurück, ebenso das auf Billigproduktionen für Supermärkte und Kaffeegeschäfte spezialisierte Haus Naumann & Göbel. Den Markt der Sonderangebote gibt es aber weiterhin. Ihn bedienen nach Atlanta für jeweils knapp dreißig Mark der Otto-Versand und Dieter Kürten mit einer simpel gestrickten Chronologie der Ereignisse sowie Quelle mit einem bunten Broschurband, dessen journalistischer Wert den des Versandhauskataloges nicht wesentlich übersteigt. Wer Solideres will, findet es für nur zehn Mark mehr im Regal der Buchhandlung und hat dabei die Wahl zwischen drei Werken, die ihr Geld wert sind.
Den optisch besten Auftritt hat, dank der Fotos der Agentur Bongarts und eines Layouts, das deren Brillanz zur Geltung bringt, das von Gerd Rubenbauer im Chronik-Verlag herausgegebene Buch. Die Funktion des Fernsehmannes beschränkt sich auf sein verkaufsförderndes Lächeln auf Seite fünf und drei knappe Texte, die immerhin ein sehr pointiertes Urteil über Atlanta abgeben ("die Spiele der fliegenden Händler und nicht der Athleten").
Zu einem anderen Urteil, nämlich dem, daß in Atlanta in Wirklichkeit allein den Athleten die olympische Bühne gehört habe, kommt Buch-Veteran Harry Valérien in einer differenzierteren Bilanz der Spiele. Sie ist seinem im Berliner Sportverlag erschienenen Buch vorangestellt, das schon fünf Tage nach der Schlußfeier auf dem Markt war. Der frühere ZDF-Reporter widersteht dabei der europäischen Versuchung, die Spiele in Bausch und Bogen zu verurteilen. Er macht sich die Mühe, auch das Positive herauszuarbeiten. Denn Olympia ist für Valérien "noch nicht reif, als unvergleichliches Spektakel fallengelassen zu werden". Das Buch des Sportverlags ist optisch nicht das gelungenste, dafür inhaltlich das fundierteste und am breitesten gefächerte der drei Atlanta-Bücher. Es behandelt Themen wie Doping, Technik oder Medizin über die reine Ereignis-und Ergebnisberichterstattung hinaus. Zudem übertrifft es mit seinem detaillierten Ergebnisteil das Rubenbauer-Buch deutlich.
Noch detaillierter ist die Statistik des Copress-Buches, des einzigen, das sich nicht eines prominenten Herausgebers bedient, sondern auf die Qualitäten einer Fach-Presseagentur, des Sportinformationsdienstes, setzt. Doch fehlt dem Werk ein wenig jener rote Faden, der beim Stricken mit heißer Nadel so leicht verlorengeht. Solide, ohne großen textlichen oder optischen Glanz, ist es mehr ein zuverlässiges Nachschlagewerk als ein Lesebuch. Wer aber zum Beispiel nachsehen möchte, mit welchen Einzelleistungen der Sechste im Zehnkampf ins Ziel kam oder wie viele Fehlversuche bei welchen Höhen die besten Hochspringer zeigten, wird nur hier fündig. Vielleicht sucht, wer im 21. Jahrhundert ins Regal greift, gerade das.
Welche Eindrücke dann wohl von diesen eigenartigen Spielen geblieben sein werden? Hinweise geben die sichtbaren Antworten auf die Buchmacherfrage: Welches Bild auf den Umschlag? Carl Lewis wird demnach überleben, zumindest in deutschen Buchregalen. Und Frank Busemann, den Copress im Handschlag mit Dan O'Brien aufs Cover genommen hat. Michael Johnson dagegen verschwindet irgendwo tief zwischen den Buchdeckeln. Vielleicht hat da die Erinnerung an einen anderen Johnson mitgespielt, der den olympischen Buchmachern schon einmal, vor acht Jahren, das Geschäft vermasselt hat. CHRISTIAN EICHLER
Besprochene Bücher: "Olympische Sommerspiele Atlanta `96", herausgegeben von Gerd Rubenbauer, Chronik Verlag, Gütersloh, 192 Seiten, circa 500 Fotos, 39,90 Mark; "Atlanta - das Olympiabuch 1996", herausgegeben von Harry Valérien, Sportverlag, Berlin, 240 Seiten, circa 300 Fotos, 39,90 Mark; "Olympische Spiele Atlanta 1996", Copress Verlag, München, 192 Seiten, 330 Fotos, 39,80 Mark; "Olympische Reiterspiele", Jahr-Verlag, 80 Seiten, 200 Fotos, 24,80 Mark.
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