Die Welt ist voller seltsamer und geheimnisvoller Orte: dem Meer abgetrotzte Landstriche, verlassene Inseln, unterirdische Labyrinthe, rätselhafte Ruinen voller Geschichte und Geschichten, eine Stadt, die vollständig unter Lava begraben ist, ein Fantasiepalast, errichtet aus Versatzstücken europäischer Architekturen, ein irisches Schloss, in dem es Tag und Nacht spukt. Travis Elborough, Kulturjournalist und Weltreisender mit einem Blick für das Ungewöhnliche, ja Unmögliche, hat die unwahrscheinlichsten Plätze der Welt erkundet und sie in einen Atlas des Staunens eingeschrieben. Er nimmt uns mit auf seine Reise zu verwaisten Städten, unerhörten Plätzen und abgelegenen Winkeln, erzählt ihre Geschichte und entführt uns Leser zu Orten, die unseren kühnsten Träumen entsprungen sein könnten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2017NEUE REISEBÜCHER
Für den Tisch Der Lauf der Geschichte ist im Grunde genommen nie ein Lauf, denn das klingt nach Geradlinigkeit, ignoriert Umwege und Sackgassen. Der "Atlas der ungewöhnlichsten Orte" ist ein Buch über ebendiese Umwege, über Pläne, die schiefgingen auf die eine oder andere Weise. 21 Orte hat Travis Elborough versammelt, darunter ein nachgebautes Stonehenge in Beton, ein trocken gefallener Hafen, ein von Dämonen heimgesuchter Wald, eine Insel, auf der Puppen an Bäumen baumeln wie in einem Horrorfilm, verlassene Inseln und geheime Städte.
Sie alle sind entweder architektonisch abwegig, geschichtlich kurios oder geographisch ungewöhnlich, kurzum alles, nur nicht Durchschnitt. Je weiter man liest, desto mehr fragt man sich, was eigentlich noch normal ist und ob nicht auch die südafrikanische "gated community" in dieses Buch gehört oder jener Baum, der durch einen Supermarkt wächst. Das Gebäude wurde um ihn herumgebaut, weil er den Aborigines heilig ist. Leider liegt die Mehrzahl von Elboroughs Entdeckungen auf der Nordhalbkugel in Europa und Amerika, ein paar wenige in Asien. Südamerika, Afrika und Australien sind fast weiße Flecken auf seinen Landkarten. Das Christentum taucht immer wieder auf, aber von ungewöhnlichen Orten des Islams, Buddhismus oder Hinduismus keine Spur. Sprachlich liegen die Beschreibungen irgendwo zwischen poetisch und sachlich, oft wirken sie kitschig und gestelzt. Manches ist schlichtweg falsch und ärgerlich: "Wälder sind der Stoff, aus dem man Märchen webt." Wälder können kein Stoff sein, und Märchen webt man nicht. Das ist schade, denn diese Sprache (von der man nicht weiß, ob es vielleicht auch nur an der Übersetzung liegt) steht im Kontrast zu den liebevollen Karten, detailliert und übersichtlich, und den eindrucksvollen Schwarzweißfotos, die dazu verführen, auch den seltsamsten Ort mal zu besuchen. In jedem Fall ein schönes Buch über das Kreiseln der Geschichte, in dem die Träume des einen wahr gemacht werden, um vom nächsten zerstört oder von der Natur überrollt zu werden.
piav
Travis Elborough / Alan Horsfield: "Atlas der ungewöhnlichsten Orte. Eine Reise zu verwunschenen Plätzen, verlassenen Inseln und geheimnisvollen Labyrinthen". Brandstätter, 224 Seiten, 100 Abbildungen, 29,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für den Tisch Der Lauf der Geschichte ist im Grunde genommen nie ein Lauf, denn das klingt nach Geradlinigkeit, ignoriert Umwege und Sackgassen. Der "Atlas der ungewöhnlichsten Orte" ist ein Buch über ebendiese Umwege, über Pläne, die schiefgingen auf die eine oder andere Weise. 21 Orte hat Travis Elborough versammelt, darunter ein nachgebautes Stonehenge in Beton, ein trocken gefallener Hafen, ein von Dämonen heimgesuchter Wald, eine Insel, auf der Puppen an Bäumen baumeln wie in einem Horrorfilm, verlassene Inseln und geheime Städte.
Sie alle sind entweder architektonisch abwegig, geschichtlich kurios oder geographisch ungewöhnlich, kurzum alles, nur nicht Durchschnitt. Je weiter man liest, desto mehr fragt man sich, was eigentlich noch normal ist und ob nicht auch die südafrikanische "gated community" in dieses Buch gehört oder jener Baum, der durch einen Supermarkt wächst. Das Gebäude wurde um ihn herumgebaut, weil er den Aborigines heilig ist. Leider liegt die Mehrzahl von Elboroughs Entdeckungen auf der Nordhalbkugel in Europa und Amerika, ein paar wenige in Asien. Südamerika, Afrika und Australien sind fast weiße Flecken auf seinen Landkarten. Das Christentum taucht immer wieder auf, aber von ungewöhnlichen Orten des Islams, Buddhismus oder Hinduismus keine Spur. Sprachlich liegen die Beschreibungen irgendwo zwischen poetisch und sachlich, oft wirken sie kitschig und gestelzt. Manches ist schlichtweg falsch und ärgerlich: "Wälder sind der Stoff, aus dem man Märchen webt." Wälder können kein Stoff sein, und Märchen webt man nicht. Das ist schade, denn diese Sprache (von der man nicht weiß, ob es vielleicht auch nur an der Übersetzung liegt) steht im Kontrast zu den liebevollen Karten, detailliert und übersichtlich, und den eindrucksvollen Schwarzweißfotos, die dazu verführen, auch den seltsamsten Ort mal zu besuchen. In jedem Fall ein schönes Buch über das Kreiseln der Geschichte, in dem die Träume des einen wahr gemacht werden, um vom nächsten zerstört oder von der Natur überrollt zu werden.
piav
Travis Elborough / Alan Horsfield: "Atlas der ungewöhnlichsten Orte. Eine Reise zu verwunschenen Plätzen, verlassenen Inseln und geheimnisvollen Labyrinthen". Brandstätter, 224 Seiten, 100 Abbildungen, 29,90 Euro
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