Der Kampf gegen die Erderwärmung ist die größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert. In einer solchen Situation ist es unterlassene Hilfeleistung, eines der stärksten Instrumente zur CO2-Vermeidung zu zerstören - die Kernenergie. Doch genau das hat Deutschland vor. Der Atomausstieg treibt unser Land in ein Dilemma zwischen Klimaziel und Versorgungssicherheit. Solange wir keine Stromspeichertechnologien haben, müssen Deutschlands launische Erneuerbare Energien mit einem fossilen Kraftwerkspark abgesichert werden. Das treibt die Energiekosten nach oben und bringt uns in fatale Abhängigkeiten, insbesondere von Russland. Anna Veronika Wendland hat viele Jahre vor Ort in Atomanlagen über Reaktorsicherheit und nukleare Arbeit geforscht. Sie denkt die Energiewende neu und zeigt, wie man sie auf einer klugen Kombination von Erneuerbaren und Kernenergie aufbauen könnte. So können Klima-, Naturschutz und Versorgungssicherheit miteinander vereinbart werden. Die Autorin präsentiert gesichertes Wissen über die Risiken von Kernkraftwerken und Atommüll und leuchtet die kulturellen Hintergründe des deutschen Energie-Sonderwegs aus.»Dieses fachkundige und doch gut verständliche Buch eröffnet neue Perspektiven auf die Atomkraft. Ein vielseitiger Beitrag für die deutsche Klima- und Energiedebatte. Auch Atomkraftgegner sollten es lesen.« Rainer Moormann, Nuklearwissenschaftler, Deutscher Whistleblower-Preis 2011 für die Aufdeckung von Sicherheitsproblemen beim Kugelhaufenreaktor
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2022Grundsatzfrage der Energiepolitik
Bloß keine Reaktoren zwischen Windrädern? Anna Veronika Wendland plädiert für eine Kombination aus Erneuerbaren und Atomkraft.
Die Verfechter der Energiewende, die fest auf den schnellen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern und aus der Atomkraft gebaut haben, werden seit dem Ukrainekrieg mit einer neuen Realität konfrontiert. Mit dem Ausbleiben von russischem Erdgas, das eigentlich eine Schlüsselrolle beim Umbau des Energiesystems spielen sollte, werden importiertes Öl und Steinkohle aus Übersee sowie heimische Braunkohle wieder attraktiv. Diskutiert wird offen darüber, ob es angesichts der Energiekrise und des hohen Strompreises nicht geboten ist, die drei noch verbliebenen Kernkraftwerke - Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland - länger zu betreiben als bis Ende dieses Jahres. Für Atomkraftgegner ein Tabubruch.
Für Anna Veronika Wendland ist es dagegen keine Frage, dass Kernenergie für ein sicheres Energiesystem notwendig ist, vor allem aber einen wichtigen Beitrag zum Erreichen des Pariser 1,5-Grad-Ziels leisten kann. Sie hält den im Zuge der Fukushima-Katastrophe 2011 von der schwarz-roten Regierung unter Angela Merkel beschlossenen Ausstieg aus der Kernkraft für einen Fehler, der die jetzige Situation verschärft hat. Dabei war die Osteuropa- und Technikhistorikerin einst selbst aktive Atomkraftgegnerin, wie sie gleich zu Anfang ihres Buches bekennt.
Ihr Weg zur Kernkraftbefürworterin liest sich ebenso spannend wie ihre Erlebnisse Anfang der Neunzigerjahre bei einem Besuch des 1986 havarierten ukrainischen Kernkraftwerks in Tschernobyl. Ihr fundiertes Wissen über Kerntechnik, das sie in ihrem Buch ausbreitet, fußt vor allem auf Erfahrungen und Beobachtungen, die sie im Rahmen von Forschungen in deutschen Kernkraftwerken für ihre Habilitationsarbeit gemacht hat.
Für die Autorin liegen die Vorteile der Kernenergie auf der Hand: Weil Kernkraftwerke nicht von Wetter, Tages- und Jahreszeiten abhängig sind, benötigten sie keine Stromspeicher. Sie arbeiten ebenso zuverlässig wie Kohle- und Gaskraftwerke, sind in einem gewissen Leistungsbereich regelbar, nur eben fast CO2-frei. Aus einem Kilogramm Uran-235 ließen sich rund acht Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen, während dieselbe Menge Steinkohle nur rund zweieinhalb Kilowattstunden Strom erbringen würde. Dass deutsche Kernkraftwerke sicher sind, daran hat Wendland keinen Zweifel. Sie würden sogar einen Flugzeugsturz überstehen, wie entsprechende Simulationen zeigten.
Kernkraft könne die steigende Nachfrage nach sauberer Energie decken, etwa um ausreichend grünen Wasserstoff per Elektrolyse auch hierzulande zu erzeugen, die vielen Wärmepumpen zu betreiben oder alle künftigen E-Autos aufzuladen sowie die Industrie zu dekarbonisieren. Wendland ist als Kernkraftbefürworterin ebenfalls für den raschen Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen. Sie beklagt, dass mit der Förderung der erneuerbaren Energien durch das EEG-Gesetz der Abbau der Kernenergie vorangetrieben wurde, wodurch ein Jahrzehnt beim Klimaschutz verspielt worden sei.
Sinnvoller wäre es gewesen, zunächst die Kohleverstromung zu verringern. Hätte man im Jahr 2000, als der Anteil der Kernenergie an der CO2-freien Stromerzeugung noch fast dreißig Prozent betrug, die Erneuerbaren auf diesem Sockel aufgebaut, betrüge der Anteil CO2-armer Stromquellen Wendland zufolge heute achtzig Prozent - und das Ziel, das die Bundesregierung für das Jahr 2030 anpeilt, wäre schon jetzt erreicht worden. Weil zudem ausreichend erschwinglicher CO2-freier Strom zur Verfügung stünde, wäre man von Gas, Öl und Kohle weitaus weniger abhängig als heute.
Damit Deutschland die gesetzten Klimaziele erreicht und gleichzeitig ein Industrieland bleibt, schlägt die Autorin ein CO2-freies Energiesystem vor, das aus etwa sechzig Prozent erneuerbarer und rund vierzig Prozent Kernenergie besteht. Dann könne ihrer Meinung nach der gewaltige Strombedarf von schätzungsweise mindestens 1500 Terawattstunden im Jahr 2050, was dem Dreifachen der heutigen Nachfrage entspricht, ohne fossile Energieträger gedeckt werden. Dafür bedürfe es allerdings 40 neuer moderner Kernkraftwerke und der vierfachen der heute installierten Leistung aus Windkraft und Photovoltaik. Die ersten Kraftwerke könnten bereits zum Kohleausstiegstermin 2038 ans Netz gehen.
Das sei aber nur möglich, wenn sich die Stimmung in der Gesellschaft ändere und sich der Diskurs über Kernenergie wandle. Es sei höchste Zeit, eine offene Diskussion über die Kernkraft zu führen. Ohnehin würden sich immer mehr Menschen, vor allem jüngere, für Kernenergie als Klimaschutzmaßnahme interessieren, wie einschlägige Studien zeigten.
Wendland zeichnet auch die historischen und politischen Ursachen nach, die dazu geführt haben, dass in dem einst recht kernenergiefreundlich gestimmten Deutschland, in dem die Kernspaltung 1939 entdeckt wurde und das erste Kernkraftwerk 1957 ans Netz ging, die Angst vor der Kernenergie zu einer Art Leitkultur wurde. Dass die Kernenergie ins Abseits geriet, liege auch an Fehlern der Industrie: Vertuschungen von Störfällen, mangelnde Transparenz bei Standortentscheidungen, mangelhafte Risikokommunikation, all das habe zum Vertrauensverlust beigetragen. Nach dem Ausstiegsbeschluss habe es keine nennenswerte Öffentlichkeitsarbeit mehr gegeben, beklagt Wendland. Man habe resigniert.
Wendland geht dabei auch mit der Wissenschaft hart ins Gericht. Keine deutschsprachige Energiestudie würde heute die Kernenergie mehr bei der Energiefrage berücksichtigen. Sie erklärt das mit den Auftrags- und Förderstrukturen deutscher Wissenschaft und der antinuklearen Überzeugung vieler Akteure im Wissenschaftsbetrieb. Für Grundlagenforschung zur Kernenergie gebe es immer weniger staatliche Fördermittel.
Doch wohin mit den abgebrannten Brennstoffen? Eine ungeklärte Frage, die von Atomkraftgegnern als Argument gegen die Kernkraft häufig vorgebracht wird. Auch hierauf hat Wendland eine Antwort: Ein geeignetes Endlager sei bei den Mengen bereits vorhandenen radioaktiven Abfalls ohnehin notwendig. Doch bislang sei eine erfolgreiche Endlagersuche daran gescheitert, dass man diese an den Ausstieg aus der Kernenergie geknüpft habe, wodurch Zeit und Geld verloren gegangen seien. Nun sei es Aufgabe der Verantwortlichen, das Vertrauen der Bevölkerung bei der Endlagersuche zu gewinnen, was nicht leichtfallen dürfte.
Um die Angst vor der Entsorgung des radioaktiven Mülls in einem Endlager zu nehmen, führt sie zahlreiche wissenschaftliche Fakten an. Sie beschreibt, wie man die langlebigsten Abfallprodukte der Kernspaltung in bestimmten Gesteinsschichten tief in der Erde abgeschirmt von der Biosphäre sicher verstauen kann - und das, wie es das deutsche Standortauswahlgesetz aus politischen Gründen fordert, für eine Million Jahre. Danach haben die gefährlichsten Radionuklide die Aktivität von natürlichem Uran erreicht und gelten als unbedenklich. Wendland erklärt, warum eine Aufbewahrungszeit von 500 bis 1000 Jahren durchaus genügen würde. Danach sei der Atommüll in seiner Toxizität mit gelagertem extrem giftigen Chemiemüll vergleichbar.
Die Autorin provoziert mit ihren Thesen und stellt unbequeme Fragen. Dabei ist sie bemüht, sachlich zu argumentieren. Ihr Buch soll vor allem zum Nachdenken anregen, ob der eingeschlagene Weg in der Energiepolitik tatsächlich der richtige oder ein Umdenken angesichts der drohenden Energiekrise nicht dringend geboten ist. Allerdings bezweifelt sie selbst, dass es in Deutschland zu einem Wiedereinstieg in die Kernenergie kommen wird. Immerhin scheint sich der politische Wille abzuzeichnen, zwei Kernkraftwerke bis in den April 2023 weiterlaufen zu lassen. MANFRED LINDINGER
Anna Veronika Wendland: "Atomkraft? Ja bitte! Klimawandel und Energiekrise: Wie Kernkraft uns jetzt retten kann".
Quadriga Verlag, Köln 2022. 288 S., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bloß keine Reaktoren zwischen Windrädern? Anna Veronika Wendland plädiert für eine Kombination aus Erneuerbaren und Atomkraft.
Die Verfechter der Energiewende, die fest auf den schnellen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern und aus der Atomkraft gebaut haben, werden seit dem Ukrainekrieg mit einer neuen Realität konfrontiert. Mit dem Ausbleiben von russischem Erdgas, das eigentlich eine Schlüsselrolle beim Umbau des Energiesystems spielen sollte, werden importiertes Öl und Steinkohle aus Übersee sowie heimische Braunkohle wieder attraktiv. Diskutiert wird offen darüber, ob es angesichts der Energiekrise und des hohen Strompreises nicht geboten ist, die drei noch verbliebenen Kernkraftwerke - Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland - länger zu betreiben als bis Ende dieses Jahres. Für Atomkraftgegner ein Tabubruch.
Für Anna Veronika Wendland ist es dagegen keine Frage, dass Kernenergie für ein sicheres Energiesystem notwendig ist, vor allem aber einen wichtigen Beitrag zum Erreichen des Pariser 1,5-Grad-Ziels leisten kann. Sie hält den im Zuge der Fukushima-Katastrophe 2011 von der schwarz-roten Regierung unter Angela Merkel beschlossenen Ausstieg aus der Kernkraft für einen Fehler, der die jetzige Situation verschärft hat. Dabei war die Osteuropa- und Technikhistorikerin einst selbst aktive Atomkraftgegnerin, wie sie gleich zu Anfang ihres Buches bekennt.
Ihr Weg zur Kernkraftbefürworterin liest sich ebenso spannend wie ihre Erlebnisse Anfang der Neunzigerjahre bei einem Besuch des 1986 havarierten ukrainischen Kernkraftwerks in Tschernobyl. Ihr fundiertes Wissen über Kerntechnik, das sie in ihrem Buch ausbreitet, fußt vor allem auf Erfahrungen und Beobachtungen, die sie im Rahmen von Forschungen in deutschen Kernkraftwerken für ihre Habilitationsarbeit gemacht hat.
Für die Autorin liegen die Vorteile der Kernenergie auf der Hand: Weil Kernkraftwerke nicht von Wetter, Tages- und Jahreszeiten abhängig sind, benötigten sie keine Stromspeicher. Sie arbeiten ebenso zuverlässig wie Kohle- und Gaskraftwerke, sind in einem gewissen Leistungsbereich regelbar, nur eben fast CO2-frei. Aus einem Kilogramm Uran-235 ließen sich rund acht Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen, während dieselbe Menge Steinkohle nur rund zweieinhalb Kilowattstunden Strom erbringen würde. Dass deutsche Kernkraftwerke sicher sind, daran hat Wendland keinen Zweifel. Sie würden sogar einen Flugzeugsturz überstehen, wie entsprechende Simulationen zeigten.
Kernkraft könne die steigende Nachfrage nach sauberer Energie decken, etwa um ausreichend grünen Wasserstoff per Elektrolyse auch hierzulande zu erzeugen, die vielen Wärmepumpen zu betreiben oder alle künftigen E-Autos aufzuladen sowie die Industrie zu dekarbonisieren. Wendland ist als Kernkraftbefürworterin ebenfalls für den raschen Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen. Sie beklagt, dass mit der Förderung der erneuerbaren Energien durch das EEG-Gesetz der Abbau der Kernenergie vorangetrieben wurde, wodurch ein Jahrzehnt beim Klimaschutz verspielt worden sei.
Sinnvoller wäre es gewesen, zunächst die Kohleverstromung zu verringern. Hätte man im Jahr 2000, als der Anteil der Kernenergie an der CO2-freien Stromerzeugung noch fast dreißig Prozent betrug, die Erneuerbaren auf diesem Sockel aufgebaut, betrüge der Anteil CO2-armer Stromquellen Wendland zufolge heute achtzig Prozent - und das Ziel, das die Bundesregierung für das Jahr 2030 anpeilt, wäre schon jetzt erreicht worden. Weil zudem ausreichend erschwinglicher CO2-freier Strom zur Verfügung stünde, wäre man von Gas, Öl und Kohle weitaus weniger abhängig als heute.
Damit Deutschland die gesetzten Klimaziele erreicht und gleichzeitig ein Industrieland bleibt, schlägt die Autorin ein CO2-freies Energiesystem vor, das aus etwa sechzig Prozent erneuerbarer und rund vierzig Prozent Kernenergie besteht. Dann könne ihrer Meinung nach der gewaltige Strombedarf von schätzungsweise mindestens 1500 Terawattstunden im Jahr 2050, was dem Dreifachen der heutigen Nachfrage entspricht, ohne fossile Energieträger gedeckt werden. Dafür bedürfe es allerdings 40 neuer moderner Kernkraftwerke und der vierfachen der heute installierten Leistung aus Windkraft und Photovoltaik. Die ersten Kraftwerke könnten bereits zum Kohleausstiegstermin 2038 ans Netz gehen.
Das sei aber nur möglich, wenn sich die Stimmung in der Gesellschaft ändere und sich der Diskurs über Kernenergie wandle. Es sei höchste Zeit, eine offene Diskussion über die Kernkraft zu führen. Ohnehin würden sich immer mehr Menschen, vor allem jüngere, für Kernenergie als Klimaschutzmaßnahme interessieren, wie einschlägige Studien zeigten.
Wendland zeichnet auch die historischen und politischen Ursachen nach, die dazu geführt haben, dass in dem einst recht kernenergiefreundlich gestimmten Deutschland, in dem die Kernspaltung 1939 entdeckt wurde und das erste Kernkraftwerk 1957 ans Netz ging, die Angst vor der Kernenergie zu einer Art Leitkultur wurde. Dass die Kernenergie ins Abseits geriet, liege auch an Fehlern der Industrie: Vertuschungen von Störfällen, mangelnde Transparenz bei Standortentscheidungen, mangelhafte Risikokommunikation, all das habe zum Vertrauensverlust beigetragen. Nach dem Ausstiegsbeschluss habe es keine nennenswerte Öffentlichkeitsarbeit mehr gegeben, beklagt Wendland. Man habe resigniert.
Wendland geht dabei auch mit der Wissenschaft hart ins Gericht. Keine deutschsprachige Energiestudie würde heute die Kernenergie mehr bei der Energiefrage berücksichtigen. Sie erklärt das mit den Auftrags- und Förderstrukturen deutscher Wissenschaft und der antinuklearen Überzeugung vieler Akteure im Wissenschaftsbetrieb. Für Grundlagenforschung zur Kernenergie gebe es immer weniger staatliche Fördermittel.
Doch wohin mit den abgebrannten Brennstoffen? Eine ungeklärte Frage, die von Atomkraftgegnern als Argument gegen die Kernkraft häufig vorgebracht wird. Auch hierauf hat Wendland eine Antwort: Ein geeignetes Endlager sei bei den Mengen bereits vorhandenen radioaktiven Abfalls ohnehin notwendig. Doch bislang sei eine erfolgreiche Endlagersuche daran gescheitert, dass man diese an den Ausstieg aus der Kernenergie geknüpft habe, wodurch Zeit und Geld verloren gegangen seien. Nun sei es Aufgabe der Verantwortlichen, das Vertrauen der Bevölkerung bei der Endlagersuche zu gewinnen, was nicht leichtfallen dürfte.
Um die Angst vor der Entsorgung des radioaktiven Mülls in einem Endlager zu nehmen, führt sie zahlreiche wissenschaftliche Fakten an. Sie beschreibt, wie man die langlebigsten Abfallprodukte der Kernspaltung in bestimmten Gesteinsschichten tief in der Erde abgeschirmt von der Biosphäre sicher verstauen kann - und das, wie es das deutsche Standortauswahlgesetz aus politischen Gründen fordert, für eine Million Jahre. Danach haben die gefährlichsten Radionuklide die Aktivität von natürlichem Uran erreicht und gelten als unbedenklich. Wendland erklärt, warum eine Aufbewahrungszeit von 500 bis 1000 Jahren durchaus genügen würde. Danach sei der Atommüll in seiner Toxizität mit gelagertem extrem giftigen Chemiemüll vergleichbar.
Die Autorin provoziert mit ihren Thesen und stellt unbequeme Fragen. Dabei ist sie bemüht, sachlich zu argumentieren. Ihr Buch soll vor allem zum Nachdenken anregen, ob der eingeschlagene Weg in der Energiepolitik tatsächlich der richtige oder ein Umdenken angesichts der drohenden Energiekrise nicht dringend geboten ist. Allerdings bezweifelt sie selbst, dass es in Deutschland zu einem Wiedereinstieg in die Kernenergie kommen wird. Immerhin scheint sich der politische Wille abzuzeichnen, zwei Kernkraftwerke bis in den April 2023 weiterlaufen zu lassen. MANFRED LINDINGER
Anna Veronika Wendland: "Atomkraft? Ja bitte! Klimawandel und Energiekrise: Wie Kernkraft uns jetzt retten kann".
Quadriga Verlag, Köln 2022. 288 S., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Manfred Lindinger scheint sich fast überzeugen zu lassen von Anna Veronika Wendlands Trommeln für die Kernkraft in Deutschland. Die Autorin möchte allerdings eine Kombi aus Kern- und erneuerbaren Energien. Für ihr Plädoyer bietet sie laut Lindinger einiges auf, etwa die Tatsache, dass sie selbst einst Atomkraftgegnerin war, sowie ihre Erlebnisse in Tschernobyl und eine fundierte Expertise in Sachen Kerntechnik, die sie mit dem Leser teilt, wie Lindinger anmerkt. So erfährt der Rezensent, dass deutsche AKWs sicher sind, dass es 40 neue von ihnen geben muss, um den künftigen Energiebedarf zu decken, und dass es dazu einer Diskurskehrtwende bedarf. Und wohin mit den Brennstäben? Auch darauf hat die Autorin eine Antwort, staunt der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Atomkraft? Ja bitte! ist ein Buch, das man allen Mitgliedern der Bundesregierung auf den Nachttisch legen sollte! Dazu die besten Wünsche aller europäischen Partner, die das genauso sehen." Denglers Buchkritik, 17.10.2022