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Mitte der siebziger Jahre des 20.Jahrhunderts wird die "Operation Namibia" ins Leben gerufen. Sieben junge Menschen voller Enthusiasmus und Tatendrang begeben sich auf eine abenteuerliche Reise entlang der westafrikanischen Küste. Mit ihrem Segelschiff, der Golden Harvest, wollen sie den Hafen von Walfischbai erreichen und verbotene Bücher nach Namibia bringen. Ziel dieser gewaltfreien Aktion ist es, die Zensur des Landes zu unterlaufen sowie die Unterdrückung und die Apartheit öffentlich anzuprangern. Doch die Fahrt gerät zu einer Reise ins Ungewisse. Schon bald steht die bunt…mehr

Produktbeschreibung
Mitte der siebziger Jahre des 20.Jahrhunderts wird die "Operation Namibia" ins Leben gerufen. Sieben junge Menschen voller Enthusiasmus und Tatendrang begeben sich auf eine abenteuerliche Reise entlang der westafrikanischen Küste. Mit ihrem Segelschiff, der Golden Harvest, wollen sie den Hafen von Walfischbai erreichen und verbotene Bücher nach Namibia bringen. Ziel dieser gewaltfreien Aktion ist es, die Zensur des Landes zu unterlaufen sowie die Unterdrückung und die Apartheit öffentlich anzuprangern.
Doch die Fahrt gerät zu einer Reise ins Ungewisse. Schon bald steht die bunt zusammengewürfelte Truppe vor ungeahnten Schwierigkeiten und aus dem anfänglichen Miteinander entsteht ein explosives Gegeneinander. Mit einem Mal ist nicht nur der Erfolg der "Operation Namibia" bedroht, sondern auch das Leben der gesamten Crew.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Bob Marley schwamm vor Madagaskar
Bernhard Lassahns "Auf dem schwarzen Schiff" / Von Lorenz Jäger

Gesehen vom Ankerplatz, ist Westafrika ein Traum. Die Lichter erscheinen wie Sternschnuppen, der Verwesungsgeruch, der vom Land herüberweht, als erregendes Parfüm des Dschungels. Mit dem deutschen Frachter "MS Patria" kommt Moses in Lagos an. Moses heißt nicht wirklich so, bald wird er seinen Namen ändern und sich "Rafi" nennen - die Kurzform von Raphael, seinem richtigen Namen. Die Fahrt mit dem Frachter sollte ihm das große Abenteuer bringen, den Ausstieg aus dem gesicherten Leben in Deutschland. Der Verzicht auf den Führerschein und den Studienplatz, den ihm sein Vater besorgt hatte, fiel ihm leicht: Wenn nur das "deutsche Spießerleben" hinter ihm bleibt.

Die Zeit: Mitte der siebziger Jahre. Rafi ist mit dem Zorn des Protestierens groß geworden, das Aufbegehren ist seine natürlichste Äußerung. Jetzt geht es um die schwerere Aufgabe, die Parolen, die den Älteren vor ein paar Jahren so leicht von den Lippen gingen, mit Leben zu erfüllen, mit persönlicher Authentizität. Auch eine Gitarre besitzt Rafi, rührt sie aber nicht mehr an. Sie paßt nicht auf das große Frachtschiff, das der verachteten Herkunftswelt immer noch zu nahe ist. In Lagos merkt Rafi, daß er die Bürgerlichkeit nicht gegen eine alternative, sondern gegen eine härtere Lebensform eingetauscht hat. Nicht sanfte Aussteiger hat er gefunden, sondern rohe Burschen, die ihm die langen Haare einfach abschneiden, um deren Erhalt er mit seinem Vater so erbittert gekämpft hatte. Einem kleinen Hai schneiden sie erst die Augen aus, bevor sie ihn wieder ins Wasser werfen. Sofort wird der Fisch von seinen Artgenossen zerfleischt. Das nigerianische Staatsfernsehen überträgt gerade Hinrichtungen.

Als Rafi im Hafen ein Segelschiff liegen sieht, ist er auf den ersten Blick verzaubert. Endlich hat er die Aura des ganz anderen gefunden, die er gesucht hatte: "Die Segel hingen schlapp in der Takelage. Man fühlte sich an die leerstehenden Wohnungen in amerikanischen Gruselfilmen erinnert, in denen die Möbel mit weißen Tüchern bedeckt sind." Ein Geisterschiff, das sich im Sonnenlicht ins Glanzvoll-Schöne verwandelt. Das malerische Chaos, das er an Deck vorfindet, ist die Atmosphäre, die er sich gewünscht hatte.

Die "Golden Harvest" ist auf politischer Mission. Ihre multinationale Crew will auf dem Weg über das gerade unabhängig gewordene Angola eine "Freiheitsbibliothek" nach Namibia bringen, siebentausend verbotene Bücher sollen den Unabhängigkeitskampf in Südwestafrika, das noch vom Apartheitsregime kontrolliert wird, beschleunigen. Für einen Moment findet Rafi seine Identität: Da ist die Besatzung, die alles entspannt nimmt, was an Schwierigkeiten kommt, die Reggae- und Lennon-Musik, die man hört, ist auch die seine, das Marihuana erleichtert die Einstimmung der Gruppe, und schließlich hat man ein sinnvolles politisches Ziel. Rafi heuert an.

Aber es gibt eine Lücke, und sie zeigt sich vom ersten Moment an. Als er sich bei Hans vorstellt, sagt Rafi: "Ich bin nicht gerne Deutscher. Ganz im Gegenteil . . ." Der Internationalismus behauptet die Gleichheit aller Völker, auch an Bord, aber manche sind gleicher, auch hier. Für die einen ist der Internationalismus eine Selbstbestätigung - für die elfenhafte Hippie-Amerikanerin Elise, vor allem aber für den Schwarzen Momo, der den Kampf gegen den Imperialismus als gute Gelegenheit erkennt, sich in den Vordergrund zu spielen. Am Ende entpuppt er sich als stupider schwarzer Rassist, der die Solidarität der Völker strategisch eingesetzt hat. Niemand kann ihm, dem allerauthentischsten Kämpfer gegen die Unterdrückung, noch Widerstand entgegensetzen: Momo ist nicht auf der richtigen Seite, er verkörpert sie. Für Rafi dagegen ist das gemeinsame Ziel, das er doch teilt, eine Flucht vor der eigenen Herkunft, die wie eine Last auf ihm liegt. Daß er Deutscher ist, bleibt eine Sperre, die ihn vom eigentlichen Leben trennt.

Zu der Besatzung gehören des weiteren Roy, der kompetente Seemann, ruhig und sympathisch gezeichnet; Mori, der Japaner, der sich ein wenig klischeehaft im Hintergrund mit spirituellen Zeremonien beschäftigt, die zum Gelingen der Mission beitragen sollen, aber ohne wirkliche Teilnahme an den Auseinandersetzungen. Sie spitzen sich zu, als Momo sich gegen die Weißen durchzusetzen beginnt. Zunächst macht er sich Elise gefügig, auf die auch Rafi ein Auge geworfen hatte. Und alles, was er, der bis zum Selbsthaß Selbstkritische, zugestanden hatte, wird nun gegen ihn verwendet: Er habe zugegeben, daß die Deutschen schrecklich waren, "aber er solle nicht vergessen, daß er auch einer sei". Selbst als man über die Schrecknisse im Kongo zur Zeit des Belgier-Königs Leopold II. spricht, bleibt der gute Deutsche standhaft: "Nein, nein, nochmals nein, Hitler war und blieb der größte Verbrecher aller Zeiten, darüber ließ Rafi nicht mit sich reden."

Natürlich kommt das Schiff nie an. Glücklich kann sich schätzen, wer die Fahrt überlebt. Am Schluß des Romans liegt die "Golden Harvest" verkommen im Hafen, zugrunde gerichtet durch Idealismus im Verein mit politischer Korrektheit, afrikanischen Schreckensregimenten - die Besatzung wird verdächtigt, Waffen zu schmuggeln -, Krankheit und Nachlässigkeit. Das Gerücht verdichtet sich, Momo habe während der ganzen Zeit als Agent der CIA oder der Südafrikaner agiert.

Bernhard Lassahn, der an der "Käpt'n Blaubär"-Serie mit Walter Moers zusammengearbeitet hat, kennt die Schatzinsel- und Schiffsjungenträume. Und er ist auf einen bedeutenden Stoff gestoßen, der sich so oder ähnlich in der Wirklichkeit abgespielt haben mag: Die Widmung des Buches "Für Elise" deutet es an, ebenso die Collage auf dem Umschlag: Raphael Schell wird als Maler des Bootes genannt, das dort zu sehen ist. Aber es gibt ein Problem der Form: Den Figuren fehlt ein weniges, ein dunkler Grund, um sie glaubwürdig zu machen. Daß sie das Schiff überhaupt bis nach Westafrika gebracht haben, daß Rafi sich in Nigeria fiebernd, ohne Geld über Wochen durchschlagen kann - dies setzt Stärken voraus, Reserven des Wesens, Energie, Lebensklugheit, von denen Lassahns Roman keine Rechenschaft mehr gibt.

Satire heißt die Sandbank, auf der der Roman irgendwann strandet: Wer beim zehnten Mal noch nicht gemerkt hat, was der schwadronierende Momo im Sinn hat und wie gutgläubig-verblendet Rafi seine Lage sieht, dem wird es ein elftes Mal erzählt. Der Satiriker darf seine Figuren verurteilen, vom Romancier wünscht man sich, daß er Liebe für sie aufbringt, wenigstens ein Minimum an Loyalität. Andernfalls bewegt den Leser auch die Entzauberung ihrer Illusionen nicht mehr. Hier hat Lassahns großes Können ausgesetzt. Rafi vor allem ist ein allzu einfältig-unschuldiger, verbohrt-naiver Versager. Immerhin: Als politische Parabel über die Dialektik der Befreiung ist Lassahn ein großer Wurf gelungen, eine "Animal Farm" der Sponti-Generation.

Bernhard Lassahn: "Auf dem schwarzen Schiff". Wilhelm Goldmann Verlag, München 2000. 541 S., geb., 46,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als politische Parabel über die Dialektik der Befreiung, urteilt Rezensent Lorenz Jäger am Schluss, sei Lassahn ein großer Wurf gelungen: eine "Animal Farm der Sponti-Generation". Das mag man jedoch nicht so recht glauben: nach allem Mittelmäßigen, das uns der Rezensent über das Buch und die darin beschriebene Reise des Helden Rafi auf einem Schiff mit "multinationaler Crew" zuvor berichtete. Er hatte ja vorher sogar schon erklärt, das Buch sei auf der "Sandbank der Sartire" gestrandet. Außerdem gebe es ein Problem mit der Form, und den Figuren fehle der "dunkle Grund, um sie glaubwürdig zu machen". Auch war der leicht hämische Ton, den Jäger seiner Inhaltsangabe unterlegte, nicht wirklich vielversprechend. Großer Wurf? Wir lesen, dass Bernd Lassahn zusammen mit Walter Moers an der "Käpt’n Blaubär" Serie mitgearbeitet hat und die Schatzinsel- und Schiffsjungenträume kennt. Wahrscheinlich hat er da mit seiner Seemannsgeschichte aus den 70er Jahren, "als es um die schwere Aufgabe ging, die Parolen mit Leben zu erfüllen", ja doch einen Nerv getroffen, jedenfalls beim Kind im Manne.

© Perlentaucher Medien GmbH