Die Forderung des Theologen, Widerstandskämpfers und Märtyrers Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) nach Leben und Glauben in einer religionslos gewordenen Welt, seine Vision von einer einladenden und menschennahen, sozial und politisch verantwortungs-bewusst handelnden "Kirche für andere" sind bis heute aktuell. Bonhoeffers Lebensstationen werden in diesem mit zahlreichen historischen Dokumenten versehenen Band nachgezeichnet. Die biographische Rückschau kontrastiert mit den von Gert von Bassewitz aufgenommenen Fotografien vom heutigen Aussehen der Lebensorte Bonhoeffers.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2007Die Kirche steht in der Mitte des Dorfs
Wenn Dietrich Bonhoeffer 1944 die nackten Wände seiner Zelle im Militärgefängnis von Berlin-Tegel betrachtete, versetzte er sich zurück in seine Kindheit und sah die Landschaft bei Friedrichsbrunn im Ostharz, wo die Familie in einem ehemaligen Forsthaus oft die Ferien verbrachte. "Ich liege dann auf dem Rücken im Gras", schrieb er aus der Haft in einem Brief, "sehe bei leichtem Wind die Wolken über den blauen Himmel ziehen und höre die Geräusche des Waldes." Wie Bonhoeffer Welt in sich aufnahm, sich ihrer als Schöpfung vergewisserte und darüber auch seinen Glauben fand und später im Nationalsozialismus seine Widerstandskraft als Mitglied der "Bekennenden Kirche", zeigt dieser Führer durch die Orte seiner am 4. Februar 1906 in Breslau begonnenen Lebensreise. Christian Bunners informiert sachlich über die einzelnen Stationen, die uns Gert von Bassewitz in leuchtenden, doppelseitigen Farbfotos sehen lässt: die Landschaft der Kindheit im Ostharz, das Wohnhaus der Familie im Berliner Grunewald (seit 1916), den Studienort Tübingen, die Landschaft des Barnim nordöstlich von Berlin, in der Bonhoeffer gern meditierte, die Ostsee bei Zingst, wo er seine Predigerseminare hielt, das Kloster Ettal, in dem er an der "Ethik" schrieb, oder die Kirche von Groß-Schlönwitz, dem heutigen Slonowice, in der Bonhoeffer 1938 über Römer 12, 17-21 predigte: "Glaubt nicht selbst zu wissen, wie man mit Menschen, wie man mit Feinden umgeht, oder was gut und böse ist, sonst fressen sich die Menschen untereinander auf (...) Das Kreuz Jesu Christi zu erkennen als die unüberwindliche Liebe Gottes zu allen Menschen, zu uns ebenso wie zu unsern Feinden, das ist die beste Klugheit." So führt der Text auch durch die innere Lebenswelt Bonhoeffers, während die Fotos zeigen, was er von der Außenwelt wahrnehmen konnte und wie er sie auch sehen wollte: "Die Kirche steht nicht dort, wo das menschliche Vermögen versagt, an den Grenzen, sondern mitten im Dorf." Am Ende der Blick auf die nackten Wände im Berliner Gefängnis, später im Gestapo-Keller in der Prinz-Albrecht-Straße (wo das Gedicht "Von guten Mächten" entstand), bis die SS Bonhoeffer im Februar 1945 ins Konzentrationslager zunächst von Buchenwald, dann von Flossenbürg sperrte und ihn am 9. April 1945 durch Erhängen ermordete. "Wenn auch die Gewalt der äußeren Ereignisse unser Leben in Bruchstücke schlägt, wie die Bomben unsere Häuser", hatte Bonhoeffer gehofft, "so soll doch möglichst noch sichtbar bleiben, wie das Ganze geplant und gedacht war, und mindestens wird immer noch zu erkennen sein, aus welchem Material hier gebaut wurde oder werden sollte." Das Buch löst, auch durch Familienfotos von Bonhoeffer sowie Erinnerungen Fabian von Schlabrendorffs, der mit Bonhoeffer im Gestapo-Keller einsaß, diesen Anspruch ein.
Lin.
"Auf den Spuren von Dietrich Bonhoeffer" von Gert von Bassewitz und Christian Bunners. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2006. 96 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 14,95 Euro. ISBN 3-83219-0099-X.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn Dietrich Bonhoeffer 1944 die nackten Wände seiner Zelle im Militärgefängnis von Berlin-Tegel betrachtete, versetzte er sich zurück in seine Kindheit und sah die Landschaft bei Friedrichsbrunn im Ostharz, wo die Familie in einem ehemaligen Forsthaus oft die Ferien verbrachte. "Ich liege dann auf dem Rücken im Gras", schrieb er aus der Haft in einem Brief, "sehe bei leichtem Wind die Wolken über den blauen Himmel ziehen und höre die Geräusche des Waldes." Wie Bonhoeffer Welt in sich aufnahm, sich ihrer als Schöpfung vergewisserte und darüber auch seinen Glauben fand und später im Nationalsozialismus seine Widerstandskraft als Mitglied der "Bekennenden Kirche", zeigt dieser Führer durch die Orte seiner am 4. Februar 1906 in Breslau begonnenen Lebensreise. Christian Bunners informiert sachlich über die einzelnen Stationen, die uns Gert von Bassewitz in leuchtenden, doppelseitigen Farbfotos sehen lässt: die Landschaft der Kindheit im Ostharz, das Wohnhaus der Familie im Berliner Grunewald (seit 1916), den Studienort Tübingen, die Landschaft des Barnim nordöstlich von Berlin, in der Bonhoeffer gern meditierte, die Ostsee bei Zingst, wo er seine Predigerseminare hielt, das Kloster Ettal, in dem er an der "Ethik" schrieb, oder die Kirche von Groß-Schlönwitz, dem heutigen Slonowice, in der Bonhoeffer 1938 über Römer 12, 17-21 predigte: "Glaubt nicht selbst zu wissen, wie man mit Menschen, wie man mit Feinden umgeht, oder was gut und böse ist, sonst fressen sich die Menschen untereinander auf (...) Das Kreuz Jesu Christi zu erkennen als die unüberwindliche Liebe Gottes zu allen Menschen, zu uns ebenso wie zu unsern Feinden, das ist die beste Klugheit." So führt der Text auch durch die innere Lebenswelt Bonhoeffers, während die Fotos zeigen, was er von der Außenwelt wahrnehmen konnte und wie er sie auch sehen wollte: "Die Kirche steht nicht dort, wo das menschliche Vermögen versagt, an den Grenzen, sondern mitten im Dorf." Am Ende der Blick auf die nackten Wände im Berliner Gefängnis, später im Gestapo-Keller in der Prinz-Albrecht-Straße (wo das Gedicht "Von guten Mächten" entstand), bis die SS Bonhoeffer im Februar 1945 ins Konzentrationslager zunächst von Buchenwald, dann von Flossenbürg sperrte und ihn am 9. April 1945 durch Erhängen ermordete. "Wenn auch die Gewalt der äußeren Ereignisse unser Leben in Bruchstücke schlägt, wie die Bomben unsere Häuser", hatte Bonhoeffer gehofft, "so soll doch möglichst noch sichtbar bleiben, wie das Ganze geplant und gedacht war, und mindestens wird immer noch zu erkennen sein, aus welchem Material hier gebaut wurde oder werden sollte." Das Buch löst, auch durch Familienfotos von Bonhoeffer sowie Erinnerungen Fabian von Schlabrendorffs, der mit Bonhoeffer im Gestapo-Keller einsaß, diesen Anspruch ein.
Lin.
"Auf den Spuren von Dietrich Bonhoeffer" von Gert von Bassewitz und Christian Bunners. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2006. 96 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 14,95 Euro. ISBN 3-83219-0099-X.
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